Egyd Gstättner: Zweiter Lesenachmittag

Der Bachmannpreis ist heuer 35 Jahre alt. In einer so langen Zeit sammeln sich viele, viele Geschichten an, und der Preis ist auch selbst schon Teil von Geschichten geworden.

Zum Beispiel kommt er im letzten Teil von Thomas Pluchs Filmepos "Das Dorf an der Grenze" vor: Da möchte eine Kärntner-Slowenische Autorin antreten, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet. Sie wurde für einen Vormittagstermin gelost, bekommt aber von ihrem Direktor - aufgrund politischen Drucks von ganz oben - nicht frei und darf also am Bachmannpreis nicht teilnehmen: Eine mögliche große Karriere bleibt ihr verwehrt.

Wie würde sich Thomas Pluch, vor fast zwanzig Jahren verstorben, freuen, könnte er den heutigen Tag erleben: Denn Maja Haderkap konnte beim Bachmannpreis ohne Probleme antreten, sie hat sich wunderbar geschlagen, ein schönes Stück Literatur vorgelegt, das ruhig, unaufgeregt und unspektakulär Leben in den Wäldern an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien auf mehreren zeitlichen Ebenen beschreibt, in Rückblenden erzählt der Vater der Tochter vom Krieg und vom Partisanenkampf.

Maja ist von der Jury größtenteils auch hervorragend rezensiert worden, nur die deutschen Jurymitglieder hatten auch die eine oder andere Kleinigkeit einzuwenden.

Natürlich hat man wieder große Namen der österreichischen Literaturgeschichte assoziiert: Stifter kann man durchgehen lassen. Zu Peter Handke existiert wohl eine zufällige geographische und thematische Verwandtschaft, rein literarisch ist hier ein Vergleich aber wenn schon nicht unzulässig, so doch sicher unergiebig. Und ich sage das ausdrücklich zugunsten von Maja Haderlap.

Mir selbst ist - unter rein literarischem Gesichtspunkt - eine andere interessante Autorin eingefallen, die in der Jury aber niemand assoziiert hat. Die hat nicht nur Erzählungen wie "Das Honditschkreuz" geschrieben. Mir fällt auch eine andere Erzählung ein, in der explizit von den "langen Wanderungen durch den Wald" oder von "schönen Wanderungen durch das Rosental über den Loiblpaß nach Bled" die Rede ist. Und die Schriftstellerin unternimmt ein literarisches Experiment, in dem sie eine Figur aus einem anderen - früheren - Roman übernimmt, nämlich die aus Joseph Roths "Kapuzinergruft". Der erste Satz lautet da: "Wir heißen Trotta. Unser Geschlecht stammt aus Sipolje in Slowenien..."

Ich werde den Namen der Schriftstellerin jetzt natürlich nicht nennen, sondern schlage Radio Kärnten diesbezüglich ein kleines Hörergewinnspiel vor. Ich spende ein Buch als Preis für den ersten, der die richtige Antwort kennt.

Maja Haderlap ist von dem Spiel natürlich ausgeschlossen. Ich denke, wenn sie die zweite Hürde nimmt, die gruppendynamischen Prozesse in der Jury am Finaltag, dann wird sie demnächst mehr gewinnen...

Für heute: Gratuliere herzlich, Maja!