Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52
Barbara Bongartz (Bild: Johannes Puch)
Barbara
Bongartz
Ratlosigkeit bei "Karpfen grün"
Die in Berlin lebende Autorin Barbara Bongartz war der Einladung Ilma Rakusas nach Klagenfurt gefolgt, um mit "Karpfen grün" eine rätselhafte Familiengeschichte mit tragischem Ausgang vorzutragen. Die Jury blieb skeptisch  - und etwas ratlos  - zurück.
Familiengeschichte mit Schlusspointe
Bongartz erzählt eine Familiengeschichte, das Gerüst liefert ein gemeinsames Silvester-Essen. Detailreich werden die einzelnen Figuren gezeichnet, Schwiegermutter, deren Mann und sechs Kinder, eines davon der Freund der Hauptfigur. Ihnen allen ist eine gewisse Kälte zu eigen.
Barbara Bongartz
Barbara Bongartz (Bild: Johannes Puch)
Ursula März "Wirkung der Grausamkeit verloren"
Ursula März machte den Anfang, in dem sie feststellte: Dieser Text mache es sich zur Aufgabe, seine intendierte Grausamkeit auf allen Ebenen  - sprachlich und inhaltlich - durchzuhalten.

Trotzdem gehe diese Wirkung aufgrund des Endes verloren. Die "Enthüllung" vom Selbstmord am Ende der Erzählung gerate zur bloßen Pointe. Damit ginge seine "Wirkung der Grausamkeit" verloren.
Burkhard Spinnen, Daniela Strigl
Burkhard Spinnen, Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)
Daniela Strigl "Rezeptwidrig in jeder Hinsicht"
Ein Menü als Zeichen für einen Familienzustand einzuführen, sei ein origineller Einfall, meinte Daniela Strigl Die Verwesung und der Tod sei jedoch von Anfang an Teil der Erzählung und werde nicht erst am Ende eingeführt.

Die "leeren Andeutungen der Geschehnisse" innerhalb der Familie, seine "Undeutlichkeiten" brächten dem Text keinen "Gewinn", zumal es sich um eine abgeschlossene Erzählung handle.

"Wir haben nur die Suppe und warten auf das restliche Menü! Der Text ist raffiniert gemacht aber lässt uns hungrig zurück. "Rezeptwidrig in jeder Hinsicht!"
ORF Theater im Landesstudio Kärnten (Bild: Johannes Puch)
Norbert Miller "Würde den Text gerne mögen..."
Norbert Miller meinte "Ich würde den Text gerne mögen!"und versuchte Sympathie für die "große Sorgfalt" für das "gegen den Strich gebürstete" des Textes aufzubringen, das von Beginn an deutlich werde.

Trotzdem erfülle dies den Zweck der Erzählung nicht: "Ich will nach der vierten Seite die Geheimnisse gar nicht mehr wissen!", so Miller.

In seiner "Gepflegtheit" verliere er seinen satirischen Charakter: "Man fragt sich warum Sebastian so lang gebraucht hat, bis er sich umbringt."
Martin Ebel
Martin Ebel (Bild: Johannes Puch)
"Es fehlt das Fleisch"
Martin Ebel meinte lapidar: "Ich bin sicher nicht der Einzige, der diesen Karpfen nicht essen möchte... mir fehlt ein bisschen das Fleisch an diesem Text."

Das Setting des Familienessens sei eigentlich ein sehr gut gewähltes - aber außer den Namen erfahre man zuwenig.
Ilma Rakusa "Sparsamkeit als Stilprinzip"
Ilma Rakusa gefiel der Umstand, es hier mit einer "Short-Story" zu tun zu haben. Obwohl man wenig über die Person erfahre, sei das Gesagte doch prägnant und biete "Stoff für mehr".

Obgleich sie eigentlich keine Pointen möge, brauche die Geschichte den "Selbstmord am Ende" geradezu.

Überdies sei die große "erzählerische Ökonomie" zu erwähnen, der "fast zu lakonische Ton" würde die "Sparsamkeit zum Stilprinzip" erheben.

Die Dimension des Unheimlichen und Bedrohlichen brauche hier nicht psychologische Einsichten, sondern generiere sich "metonymisch über das schlechte Essen".
Klaus Nüchtern "Erzählerin mit bösem Blick"
Klaus Nüchtern widersprach: Hier sei nichts lakonisch  - dazu wären die bemühten Bilder viel zu elaboriert.

Pointe sei vielmehr, dass es eben nicht um das Familienessens gehe, sondern um die Erzählerin: "Die hat diesen bösen Blick, die ist unglaublich inquisitiv und hat diesen alles verdächtigenden Blick - deshalb muss sich ihr Mann auch nach einem Jahr umbringen!"
Burkhard Spinnen "Attacke auf einen Genreentwurf"
Den Umstand, es nicht mit einem Romananfang zu tun zu haben, brachte Juror Spinnen etwas aus der Fassung. Erstaunlich sei auch, dass in einer Familie mit sechs Kindern so schlecht gekocht werde.

Hier habe man es mit einer "Attacke auf einen Genreentwurf" zu tun: "Ich bin immer noch vollkommen niedergestreckt. Entweder ist das eine hochabgefeimte Attacke auf die Entwicklung des Romans wie wir ihn kennen... oder noch was anderes oder noch was anderes oder..."
Iris Radisch
Iris Radisch (Bild: Johannes Puch)
"Komme Text nicht auf die Spur"
Iris Radisch brachte ihr Unverständnis angesichts der Tatsache zum Ausdruck, dass das allgemeine "Nichtverstehen des Textes" diesem zugute gehalten werde: "Das ist so intelligent und wohlgeformt, aber ich komme ihm nicht auf die Spur!"
Heinrich Detering "Ein Katachresenmäander"
Heinrich Detering zeigte sich von der "Subtilität der Interpretation" seiner Kollegen überrascht.

Ihn lasse der Text vollkommen kalt, er sei "unerträglich intelligent" und "viel zu gut ausgetüftelt": "Ein Katachresenmäander! Es ist mir völlig wurscht, weil ich den Text so fischkalt finde wie den Karpfen in seiner Überschrift!"

Sein abschließendes Urteil: "Zu übergestylt und leblos."

Zusammenfassung: Barbara J. Frank