Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52
Anna Kim (Bild: Johannes Puch)
Anna Kim
Intensive Debatte über "Das Archiv"
Anna Kim las auf Vorschlag Daniela Strigls aus "Das Archiv". Mit ihr ging auch die zweite  - und letzte - österreichische Autorin im Wettlesen an den Start. Der Text wurde kontrovers und intensiv diskutiert, fand aber keine ungeteilte Zustimmung.
Fotoarchiv der Erinnerungen
"Das Archiv" als System ausgelagerten Erinnerns war Thema in der gleichnamigen "Versuchsanordnung" von Kim: "Stell dir vor: Eine parallele Welt, in der Erinnerungen nur bis zum nächsten Schlaf halten, am folgenden Morgen hat man alles vergessen."
Anna Kim
Anna Kim (Bild: Johannes Puch)
Heinrich Detering "Gut gemacht tiefsinnig"
Heinrich Detering stellte seine Analyse unter den "Willen zur Kritik": Der Text sei "sehr gut gemacht tiefsinnig" und zeige dies auf jeder Seite.

Es gehe um "lineare Zeitvorstellungen" und "zyklische Bewegungen", eingebettet in ein klug ausbalanciertes Spiel mit "Präsens und Präteritum", wobei der Text in einem "Kreis" in sich "zurücklaufe".

Unübersehbar sei die Intention des Textes "Wirklichkeit und Abbild", "Erinnerung und Identität" zu thematisieren.  Die Konstruktion sei in seiner ausgeklügelten Struktur zu unlebendig.
Martin Ebel "Aufdringliche Metaphorik"
Martin Ebel widersprach Heinrich Detering bezüglich der Konstruktion des Textes, dieser "falle in zwei Teile", in dem er eine "Versuchsanordnung" andeute, die im Text selbst nicht "nacherlebbar" sei.

Das Thema "Literatur" spiegle sich in der "Photographie": "Problematisch in seiner aufdringlichen Metaphorik!", so Ebel.
Burkhard Spinnen
Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)
"Text geht auf Zehenspitzen"
Burkhard Spinnen: "Dieser Text geht auf den Zehenspitzen. Das ist Ballett mit einer sehr leisen Musik, von der ich oft nicht wusste was sie mir sagen will!"

Er sah im Text einen "novellistischen Entwurf", der entweder eine "Orgie der Kaltherzigkeit oder "eine sich bildenden Schreckenserinnerung" sei.
Iris Radisch "Sterile Welt"
Iris Radisch konterte: "Ich weiß nicht wie sie hier auf tanzen kommen - da steht doch sehr deutlich photographieren im Text!"

Radisch zweifelte die "Notwendigkeit" des Textes selbst an: "Hier werde in einem fotorealistischen Stil erzählt, wie jemand photographiert!"

"Die Welt" sei in der Erzählung überhaupt nicht vorhanden, diese sei "steril wie zwei Spiegel, die sich ansehen".
Publikum (Bild: Johannes Puch)
Selbst die "Stehplätze" im ORF-Theater waren am Donnerstag "ausgebucht"
Daniela Strigl "Hochkomprimierte Struktur"
Auch Daniela Strigl, die die Autorin eingeladen hatte, widersprach Spinnen: "Also ich kann mit Ballett wenig anfangen, mit dem Text dafür sehr viel!"

Der Text sei in seiner "ökonomischen, hochkomprimierten Struktur" als abstrakt anzusehen. "Diese Kälte ist stilistisch, nicht strukturell bedingt!", so Strigl.
Ilma Rakusa
Ilma Rakusa (Bild: Johannes Puch)
"Zuwenig artifiziell"
Ilma Rakusa gab Strigl insofern Recht, als auch sie eine "hochartifizielle Versuchsanordnung" im Text angelegt sah - allerdings wären dessen "Fügungen zu gesucht".

Insgesamt bleibe dieser "hochproblematisch in seiner Verdoppelung", da er den Leser in einer gewissen "Leere" zurücklasse. Zuwenig artifiziell, lautete ihr abschließendes Urteil.
Klaus Nüchtern "Ouvertüre bleibt unüberboten"
Klaus Nüchtern zog es vor, den Text wieder auf "handfesten Boden" zurückzuholen. Dieser sei "gut gemacht" und besitze eine "große Spannbreite" was ihn in vielen verschiedenen Richtungen interpretierbar mache.

Das Grundsatzproblem des Textes sei dessen "Ouvertüre": Alle in ihr dargestellten Motive machten die Oper quasi unnötig. Der Text könne das, was schon gesagt sei, eigentlich nur noch "nachvollziehen", die Ouvertüre bleibe unüberboten.
Norbert Miller
Norbert Miller (Foto Johannes Puch)
"Konsequent, aber nicht mitreißend"
Norbert Miller sah im Text eine "Versuchsanordnung" realisiert, dessen großes Potential auf sehr konsequente, jedoch nicht immer mitreißende Art und Weise dargestellt werde.
Ursula März "Zwei Seiten weniger wären besser"
Ursula März sprach dem Text durch die Anlage als Versuchsanordnung eine "große Modernität" zu, den sie insgesamt gut finde.

Allerdings müsste dieser "naturwissenschaftlicher" vorgehen, um die angelegte Anordnung noch deutlicher hervortreten zu lassen: "Der Duktus der Monotonie ist nicht scharf genug!"

Sein Problem liege in seiner Länge: "Zwei Seiten weniger wären besser gewesen!"

Zusammenfassung: Barbara J. Frank