Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52
Klaus Böldl (Bild: Johannes Puch)
Klaus Böldl
Keine Zustimmung für "Passau"
Mit Auszügen aus Klaus Böldls "Passau" endete der zweite Lesetag in Klagenfurt. Heinrich Detering hatte den in München lebenden Autor zum Wettlesen eingeladen. Die Jury goutierte den "geschichtlichen Spaziergang" wenig.
Passau und der Katholizismus
"Passau - Ein Versuch" ist eine detailreiche Beschreibung von Straßen, Gässchen und Plätzen, aber auch Menschen. Sehr dominant ist der Katholizismus.

Böldl zitiert Zeugnisse diverser Wunderheilungen und beschreibt sakrale Gemälde, bevor er sich ebenso detailreich der Beschreibung des Inns zuwendet.
Klaus Böldl
Klaus Böldl (Bild: Johannes Puch)
Daniela Strigl "Atemberaubende Biederkeit"
Daniela Strigl: "Ich kann mir diesen Text in einer Jubiläumsschrift 1.000 Jahre Passau vorstellen, oder in einem Reisefeuilleton - ich sage höflicherweise nicht Fremdenverkehrsprospekt!"

Es sei derart leicht, "schlechte Sätze" im Text vorzufinden, dass es ihr regelrecht peinlich sei. Der Anstand verbiete es ihr, weiterzumachen.

Strigl: "Es schwankt zwischen Schüleraufsatz Oberstufe und einer exquisiten Betulichkeit, die mir unverständlich ist. Sätze von atemberaubender Biederkeit!", die in einem literarischen Text nicht verloren hätten.

Positiv sei hingegen die sympathische Bescheidenheit.
Bachmann-Cafe (Bild: Johannes Puch)
Ilma Rakusa "Äußerst banal"
Ilma Rakusa stellte fest: "Dieser Text will eine persönliche Chronik der Heimatstadt sein - es fehlt aber an Überraschung". Das Entscheidende fehle, wobei die verwendeten Adjektive und Partizipien "äußerst banal" gewählt wären.

Die behaupteten "epiphanischen Momente" würden Ereignisse evozieren, die dann nicht eingelöst würden. Rakusa: "Der Text ist wirklich banal von A - Z, betulich - es tut mir furchtbar leid, aber ich bin enttäuscht!"
Iris Radisch "Eine Katastrophe
"Man kann sich gar nicht so sehr für Passau interessieren, dass man das aushält!", schloss sich Iris Radisch in ihrer Kritik an.

Dieser Jargon sei unerträglich: "Mit Verlaub, eine Katastrophe!" Das Problem des Textes liege in seiner großen sprachlichen Konventionalität.
Martin Ebel
Martin Ebel (Bild: Johannes Puch)
"Schöne Passagen, aber nicht viele"
Martin Ebel versuchte, seine Kolleginnen in ihrer Kritik einzubremsen. Es wäre unfair, den Text als "Fremdenverkehrsprospekt" zu bezeichnen, obgleich auch er seine Schwierigkeiten mit dem Text habe.

Der "Versuch einer Vergegenwärtigung" der Vergangenheit im Spaziergang durch Passau wirke gezwungen.

Das Problem des Textes läge in seiner "Genauigkeitspuzzelei", was das Gegenteil von wirklicher Suggestion sei: "Deshalb entsteht Passau für mich nicht", so Ebel.

Trotzdem gebe es "Passagen von großer literarischer Schönheit - es sind leider nicht so wahnsinnig viele!"
Ursula März "Text ist überdehnt"
"Der Text ist angreifbar nach allen Seiten, das es nur so kracht!", so Ursula März. Dieser sei als "ästhetische Topographie" angelegt, was an und für sich die notwendige "Dehnung der Zeit" verlange.

Allerdings sei der Text hier "überdehnt", da seine Sprache der "Verlangsamung der Zeit" nicht Stand halte.
Heinrich Detering "Text verlangt langsames Mitgehen"
Heinrich Detering unternahm den Versuch, den Text zu verteidigen. Er zeigte sich erbittert über die Häufung der negativen Urteile, da er den Text "ganz anders sehe".

Böldls Prosa verlange ein "langsames Mitgehen" - diese sei vollkommen unprätentiös und unangestrengt in ihrer Sprache. Die "Verwendung bereits benützter Wörter" diene der sprachlichen Vergegenwärtigung des "Moments".

Hier werde ein Ort sehr gründlich durchgegangen - was eine an Stifter erinnernde ästhetische Haltung sei, die man -  wenigstens - respektieren müsse.

Thema der Erzählung sei die Zeit: Der Vordergrund der bewegten Figuren würde endlich zum Schleier werden, während gleichsam "dahinter" die geschichtliche Entwicklung dargestellt sei.

Das Überraschende des Textes liege in der "haarfeinen Abweichung" von den als "konventionell" beschriebenen Metaphern. Die Überladenheit sei "ästhetisches Programm".
Klaus Nüchtern
Klaus Nüchtern (Bild: Johannes Puch)
"Intention ist groß!"
Klaus Nüchtern meinte: "Dieser Text ist eine Anrufung an Passau!" Allerdings wären die "Kapazitäten der Imagination" nicht überstrapazierbar. "Da muss ordentlich was weg!", meinte der Juror deshalb.

Der bescheidene Gestus des Textes sei hier Programm. Der Versuch, in der Literatur eine gesamt Stadt aufzurufen, sei ein Unternehmen, dem man Respekt zu zollen habe, auch wenn er als Ganzes nicht wirklich geglückt sei.
Norbert Miller "Außerliterarische Literatur"
Norbert Miller erkannte im Text eine gegen die Moderne gerichtete "eigene Ästhetik" einer "betulich betonten Vergangenheit".

Man habe es hier mit "außerliterarischer Literatur" zu tun, was deren merkwürdigen Ton bedinge.

Zusammenfassung: Barbara J. Frank