Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52
Eva von Schirach (Bild: Johannes Puch)
Eva von Schirach
Keine Sympathie für "Susi Voss"
Den Abschluss des diesjährigen Lese-Reigens machte Eva von Schirach, die auf Vorschlag von Iris Radisch aus "Susi Voss" las. Die Autorin musste teils scharfe Kritik einstecken.
Eine unsympathische Fernsehfigur
Die Erzählerin präsentiert die Fernsehfigur "Susi Voss", die sie zu spielen hat, kommentiert ihre Figur, die sie nicht mag und die ein ziemliches Luder ist. Immerhin denunziert sie ihren Ehemann, um selbst daraus Vorteile zu ziehen.

Das Thema des Textes, die Verknüpfung von Realität und medialer Inszenierung war Hauptgegenstand der Kritik.
Eva von Schirach
Eva von Schirach (Bild: Johannes Puch)
Ursula März "Niveau eines Wussow-Interviews"
Ursula März zeigte sich "überaus verärgert" über den Text der Autorin. Die Verknüpfung von "realer und medialer" Welt zur Fernsehkritik sei in den 90-er Jahren bereits ausreichend gemacht worden. Dieser Text sei "nicht nur spät, sondern auch überflüssig": "2005 - und jetzt kommt Susi!"

Sie selbst ertrage es schwer, wenn sich Literatur "über das Fernsehen beuge", da sich die literarische Anstrengung in einem Gegenstand erschöpfe, der sie "überhaupt nicht" interessiere.

"Der Erkenntnisgegenstand des Textes liegt auf dem Niveau eines Wussow-Interviews", schloss März.
Iris Radisch "Keine Fernsehkritik!"
"Das war ja wohl eine volle Breitseite!", meinte Iris Radisch zu dieser herben Kritik. Allein der Versuch, den Textgegenstand vor ihren Kollegen zu rechtfertigen, schlug fehl.  Es handle sich um ein vollkommenes "Missverständnis", den Text als Fernsehkritik zu lesen - außerdem sei dieses auch 2005 noch etwas "was mit dem Leben zu tun hat" und "aktuell" sei.

Die "tragische Folie" des Textes liege darin, "wie Leben heute zusammengebastelt" würden. Das alles sei sehr ernst zu nehmen. Hier werde kein "Papierspiel" betrieben, allein die "widerliche Anlegung" der Figur, die ständig von seiner Erzählerin "vorgeführt werde, widerspreche dem.

Die "große Verarmung" der Figur müsse gleichsam "mitgelesen" werden. Radisch schloss: "Wer die Trauer die da mit dran klebt nicht sieht, hat den Text nicht gelesen!"
Daniela Strigl "Zu viel der Ironie"
"Es wäre nicht notwendig gewesen, über die überdies vorhandene Ironie noch einmal dick Ironie drüberzuschmieren!", führte Daniela Strigl die Diskussion fort.

Hier werde satirische Energie und ein "beträchtlicher Aufwand" an einen Gegenstand "verschwendet, der nicht adäquat sei.

Strigl unterstellte Iris Radisch mit der Auswahl des Textes gar eine "Sympathie" für die österreichische Tradition im Sinne Elfriede Jelineks oder Marlene Streerowitz'.

Der Text begebe sich auf ein für ihn "zu gefährliches Terrain", da alles im Text Gesagte bei jenen beiden Autorinnen "weitaus schärfer als hier" schon einmal formuliert worden sei.
Heinrich Detering "Jeder ist eine Susi Voss"
"Jeder hier in diesem Raum ist eine kleine Susi Voss - aber damit kommen wir doch zurecht!", schlug Heinrich Detering in dieselbe Kerbe.

Überhaupt sei der Text, den er zu Hause als "ganz komisch" empfunden habe, hier "unglaublich kaputt gelesen" worden.
Burkhard Spinnen "Duell mit sich selbst"
Burkhard Spinnen witzelte bezüglich Radisch und März: "Ich sehe zwei Frauen unheimlich gern beim Duell zu", und erntete dafür Applaus. Dennoch: Thema hier sei tatsächlich ein "Duell" zwischen den Bereichen "vor und hinter der Mattscheibe". Die Autorin schreibe solche Texte auch für das Fernsehen, wo diese "sicher komisch" wären.

Er könne sich des Eindruckes nicht erwehren, diese liege in einem "Duell mit sich selbst", da ihr Text die eigene Tätigkeit "attackiere". Er habe noch nie erlebt, "wie jemand derartig über seinen eigenen Text stolpern könne".

Diese Zerrissenheit sei zwar "ungemein ergreifend", gehe aber deutlich "über den Text hinaus". Und in Richtung Iris Radisch gewandt, fügte Spinnen noch hinzu: "Minus und Minus ergibt nur in der Mathematik, nicht aber in der Literatur ein Plus!"
Klaus Nüchtern "Ich lasse mir das nicht andrehen!"
Klaus Nüchtern meinte trocken: "Ich werde die chauvinistische Schraube noch ein bisschen weiter anziehen müssen. Ich lasse mir nach 40 Jahren nicht als neu erzählen: HE BOAH! Das Fernsehen hat mit unserer Subjektkonstitution zu tun!"

Hier werde in einer "nervenden Dauerironie" eine "Soap nacherzählt" - was er sich nicht als "Tiefsinn andrehen" lasse: "Das ist schon so banal, dass es schon wieder nicht stimmt!"
Ilma Rakusa "Text braucht mehr Absurdität"
Auch Ilma Rakusa hätte sich "mehr Absurdität" im Text gewünscht, "dann hätte es vielleicht noch was werden können!".

Sie sehe zwar "ein gewisses Potential" in der "gebrochenen und kaputten Syntax", dennoch bliebe bei ihr ein "sehr schaler Eindruck" nach Lesen des Textes zurück.

Überhaupt blieben die vorgetragenen Texte oft hinter sich selbst zurück: "Zu unschlüssig, zu wenig radikal - wo ist der Stilwille, den Iso Camartin gefordert hat?"
Norbert Miller "Ich verstehe Susi nicht!"
Norbert Miller hatte beim diesjährigen Bachmannpreis das letzte Wort: "Ich verstehe nicht, was in Susi vorgeht - aber das macht mir ehrlich gesagt nichts aus!"