Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:50
Kai Weyand, Autor (Bild: Johannes Puch)
KAI WEYAND
Witziger Text, aber viele Einwände der Jury
Kai Weyand war in Klagenfurt auf Vorschlag des erkrankten Jurors Norbert Miller mit "Paso Doble" in Klagenfurt angetreten. Der in Freiburg in Deutschland als freier Schriftsteller tätige Autor war als vorletzter dieses Lesesamstags an den Start gegangen.
Wenn zwei sich streiten...
Der Text "Paso Doble" erzählt vom "tänzerisch ausgeführten" Duell zweier Männer um ein Zimmer in einer Zweier-Wohngemeinschaft.
Kai Weyand, Autor (Bild: Johannes Puch)
Kai Weyand
Klaus Nüchtern Eine Geschichte mit einem "gewissen Drive"
"Wir haben in Klagenfurt gegen Ende hin eine Humorballung", begann Klaus Nüchtern. Dieser Text habe mit dem vorher gehörten gemeinsam, dass der Protagonist sich die Welt aus einer Notsituation heraus "zurechterkläre". Wieder habe man es mit einem "Hiliker-Text" zu tun:

"Ein Mann, ein veritabler Depp übrigens, ist aus seinem Leben gekippt und die Leser schauen ihm ohne Not zu, wie er sich um Kopf und Kragen redet. Eine unsympathische Existenz, die sich das Leben von einer gewünschten weiblichen WG-Partnerin lieblich ausstaffieren lassen will".

Die Geschichte besitze einen "gewissen Drive", so der Juror. Anfangs habe ihn zwar gestört, zu wissen "worauf der Text hinaus will", dieser Eindruck sei während des Vorlesens durch den Autor jedoch völlig verschwunden.
Klaus Nüchtern, Juror (Bild: Johannes Puch)
klaus Nüchtern
Burkhard Spinnen "Nur bis Seite 13..."
"Ich habe eine politisch nicht ganz korrekte Vorliebe für Duelle, man muss ja nicht mit Waffen gegeneinander antreten. Man kann ja auch kicken oder Federball spielen", zeigte sich Spinnen vom Text als "sofort eingenommen".

Die Geschichte erzähle von zwei Männern, die sich in unterschiedlichen Stadien derselben Krankheit befinden: "Beide sind Lehrer. Bis zur Seite 13 geht die Geschichte ausgezeichnet mit den Möglichkeiten um, die durch ihre Konstruktion zugelassen wird".

Dann aber würde das Ganze in die eine Figur rutschen und zur Reflexion geraten, so Spinnen. "Ich wäre gerne bis zum Schluss mitgegangen, am Ende verschenkt der Text aber viel von seinen Möglichkeiten", schloss der Juror.
Martin Ebel "Wohngemeinschafts-Bewerbungsgespräch"
Martin Ebel sagte, man habe es mit einem klassischen "Wohngemeinschafts-Bewerbungsgespräch" zu tun, in dem die Kandidaten gemustert werden und sagen müssen, "ob sie Stehpinkler sind, Körner fressen, abwaschen und was für eine politische Meinung sie haben."

Dies sei hier ein wenig verfremdet, da die beiden Kandidaten nur zu zweit und aus dem WG-Alter raus wären. Zwischen den beiden entwickle sich ein "spielerischer Wettkampf", bei dem niemand die Regeln kennt und trotzdem jeder wisse, ob der andere einen Punkt gemacht hat.

Aber auch ihm habe der Übergang ins Innere des einen Helden nicht gefallen. "Da könnte es mehr Draufsicht geben", so Ebel: "Außerdem kann der Protagonist kein Deutschlehrer sein - allein auf der letzten Seite finden sich vier Beistrichfehler".
Klaus Nüchtern, Martin Ebel (Bild: Johannes Puch)
Heinrich Detering Ein "amüsantes Kabinettstückchen"
"Ich habe mich vom Text sehr gut unterhalten gefühlt, das ist ein richtiger Vortragstext", lobte Detering nach der Lesung durch den Autor. Der Titel verweise darauf, dass es sich bei dem Duell zugleich "um einen Tanz" handle.

Im halbstündigen Vortrag werde eine auf eine halbe Stunde begrenzte WG-Episode vollführt. Der Text sei in seiner "Spiralbewegung" ein "sehr amüsantes Kabinettstückchen", gleichzeitig sei diese Konstruktion auch dessen Grenze zu nennen.
Iris Radisch Unterhaltung gar nur bis Seite Neun
"Herr Spinnen, ich habe mich nicht bis Seite 13, sondern nur bis Seite neun gut unterhalten", meinte Iris Radisch. Der Text sei gerade durch seine Aussparungen und die dadurch bedingte Offenheit sehr komisch gewesen. Das ging gut, bis der Text einen "Erklärungsschwanz hinter sich nachzuziehen anfing" und Herr von Von den Mund aufgemacht hat, so Radisch.
Iris Radisch, Juryvorsitzende (Bild: Johannes Puch)
Ilma Rakusa Amüsant, aber mehrere Einwände
Ilma Rakusa gab sich "sehr amüsiert" über den Text, auch wenn dieser schon auf Seite eins auf sein damit vorhersehbares Ende hingewiesen habe. "So viel Überraschendes hält der Text nicht bereit", so die Jurorin. Da und dort wäre die Geschichte "zu explizit" gestaltet. "Die Psychologie wird zum Schluss hin zu deutlich ausgeführt", kritisierte Rakusa.
Karl Corino Schwerpunkt nicht auf sprachlicher Innovation
"Norbert Miller hat diesen Text mit guten Grund nominiert" sagte Karl Corino, der als Vertretung Millers eingesprungen war. "Das Schwergewicht des Textes befindet sich auf seinen psychologischen Wendungen, nicht auf Seiten der sprachlichen Innovation.

Der Torero bekommt nach dem Kampf je nach seinem Können vom Publikum die Ohren des Stiers zugesprochen. Ich würde sagen, zwei Ohren sind fällig, wenigsten eineinhalb", sprach sich Karl Corino für die Nominierung des Textes aus.
Daniela Strigl, Ilma Rakusa (Bild: Johannes Puch)
Daniela Strigl Der Duellpartner als "gewaltsamer Retter"
Daniela Strigl meinte, die von Rakusa bemängelte "genaue Instrumentierung" des Textes sei diesem nicht vorwerfbar. Witziger Nebenaspekt laut Strigl: Der um das Zimmer ansuchende zweite Lehrer und Duellpartner sei auch dessen "gewaltsamer Retter". Er habe "so was sozialpädagogisch-umarmendes", schloss Strigl.