Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52

Nikolai
Vogel
Fast einstimmiges Lob für "Plug In"
"Plug In" lautete sinnigerweise der Titel, der den ersten Lesetag der 29. Tage der deutschsprachigen Literatur eröffnete. Der deutsche Autor Nikolai Vogel war der Einladung des Jurymitglieds Norbert Miller nach Klagenfurt gefolgt und begeisterte die Jury großteils.
Nikolai Vogel
Nikolai Vogel (Bild: Johannes Puch)
Der 34-jährige Münchner erzählte von einem Wasserschaden in der Wohnung über ihm, trifft dort eine alte Frau, die keine Haushaltsversicherung hat, hilflos und unzeitgemäß wirkt. Aus einem Wassertropfen wird eine ganze Flut, die Metapher wird auf alle Bereiche des Lebens angewendet.
Martin Ebel "Starker und gehaltvoller Text"
Martin Ebel betonte gleich zu Anfang seine Freude, bereits zu Beginn des Wettlesens einen so "starken und gehaltvollen" Text präsentiert bekommen zu haben.

Der Text Vogels reiße "Zeiträume" auf, obgleich er im "Hier und Jetzt" spiele. Gleichzeitig sei ihm eine "Regressionslust" zu unterstellen, da er Zivilisation gleichsam als "absteigenden Prozess" darstelle.
Klaus Nüchtern Präzise, knapp, pointiert!
"Wenn Stil gleichzusetzten ist mit Lifestyle, erbringt dieser Text den Gegenbeweis!", meinte Klaus Nüchtern. Dies, da ihm der "Wille" immanent sei, "etwas auf bestimmte Art und Weise zu sehen". 

Darüber hinaus lobte Nüchtern die "hohe ästhetische Kohäsion" der Erzählung, die in einem "Netz von Motiven" münde, die gleichsam "über den Text geworfen" würde.

Als kleine Kritik merkte Nüchtern noch an, dass dieses Moment manchmal zu deutlich werde: "Too much manchmal".
Wenig Begeisterung bei März
Ursula März (Bild: Johannes Puch)
Jurorin Ursula März konnte sich der positiven Beurteilung des Vogelschen Textes in keinem Punkt anschließen. "Kardinalproblem" von "Plug In" sei es, zuwenig anarchisch zu sein, da alles "sofort gesagt" würde.

"Die Motive sind alle ohne Ende ausgeführt!", kritisierte März. Der Text basiere auf einem "klassischen Modell der Komik" ohne diese wirklich einlösen zu können.
Heinrich Detering "Komik des Textes große Leistung"
Heinrich Detering widersprach März in allen "Punkten der Anklage". Ganz große Leistung des Textes sei es, die "Bennsche Vorstellung von der Rückkehr ins Urmoor" zu reflektieren.

Dieser fächere die Idee der Ambivalenz auf: "Auflösungsangst und Auflösungslust" verortete Detering in dieser "komplexen Reflektion eines computergesteuerten Alltags".
Ilma Rakusa Cool, schlank, durchkomponiert!
Jurorin Ilma Rakusa lobte vor allem anderen die "inhaltlichen Ambivalenzen" und die "hyperbolische Seite" des Vogelschen Textes, dessen "Witze nicht falsch serviert" würden.

Die dem Text eigene Form der Wiederholung führe zu einer "musikalischen Gestaltung" - ein bewusstes Verfahren, das bis zu Schluss gut durchgehalten würde.

Die "retardierenden Elemente" würden den an sich schnellen Text auf angenehme Weise "verlangsamen".
Daniela Strigl
Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)
Zu angestrengt, zu überdeutlich!
Jurorin Daniela Strigl schloss sich in ihrer Kritik jener von Ursula März an. Zwar hätte sie den Text "gerne gelesen", da er ihr gezeigt habe, dass es auch "nasse Apokalypsen" gibt - dennoch  fühle man sich "mit der Nase zu stark auf die Dinge hingestoßen".

Mehr Subtilität hätte sie sich so hinsichtlich von Symbolisierung und Motivketten gewünscht.
Norbert Miller "Faszinierend!"
Norbert Miller, der den Autor nach Klagenfurt geholt hatte, bezeichnete dessen Text als "faszinierend" und lobte vor allem das überraschende Element des Textes.

Die Banalität der Geschichte würde durch die grandiose Stilistik des Textes aufgefangen.
Iris Radisch Seminartouch und Bastelecke...
Iris Radisch konstatierte: "Alles was für den Text spricht, spricht auch gegen ihn!" Sie verglich den Vogelschen Text mit Bachmanns "Undine geht". Während sich darin Welt und Sprache verflüssige, löse der Text Vogels dies nicht ein.

Dieser erzähle nur darüber, kokettiere gleichsam mit dem Thema, ohne es vollständig einzulösen. Die Bildlichkeit sei viel zu instrumentell ausgeführt.
Burkhard Spinnen
Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)
"Oh Scheiße! Existenz!"
Juror Spinnen meinte: "Ich kann alles unterschreiben, auch das jeweilige Gegenteil."

Problem des Textes sei es, die Verstörung, des Anfangs nicht weiter auszuführen. "Ich bin am Ende nicht verstörter als am Anfang!"
Zusammenfassung: Barbara J. Frank