Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52
Susanne Heinrich (Bild: Johannes Puch)
Julia Schoch
Ein Text voll "trockener Traurigkeit"
Die deutsche Autorin Julia Schoch, die auf Vorschlag der Juryvorsitzenden Iris Radisch am Wettlesen teilnahm, entführte mit "Der Ritt durch den Feind" in die südamerikanischen Tropen. Die Haltung der Jury war überwiegend positiv.
Ursula März "Großartiger Somnambulismus"
Der Text, so Jurorin Ursula März, erobere sich, ausgehend von einer "harmlosen Ausgangssituation", einen "ganz großen Raum".

Das Kernthema bleibe, obgleich die Handlung in Südamerika verhaftet sei, dem historischen Gedächtnis der DDR anverwandt. So werde die Vermittlung preußischer Geschichte "wunderbar unaufdringlich und bedeutsam" dargestellt.
Julia Schoch
Susanne Heinrich (Bild: Johannes Puch)
Schochs Text erzählt die Geschichte einer Vortragsreisenden, deren südamerikanische Lesereise über den  "Reitergeneral von Zieten und die Fürstin von Liegnitz" sie zunehmend von ihrer eigenen Lebensgeschichte im preußischen Buckow entfremdet.
Iris Radisch "Das ist nicht der olle Brecht"
Vorsitzende Iris Radisch, auf deren Einladung Schochs Text in Klagenfurt vorgetragen wurde, lobte dessen "trockene Traurigkeit", da er "sprachlich  das umsetzte, was ihm antreibt". Dieser spiegle die "Trostlosigkeit der globalisierten Kulturverschickung" und besitze trotzdem "parodistische Züge".

Die Protagonistin führe ihr "Preußen" quasi mit im Gepäck, könne aber "nirgendwo andocken", sich "nicht festmachen" und sei deshalb haltlos. Das offene Ende sei, gleich einem Traum, "zart und fein" komponiert und verweise auf  eine "flackernde Utopie".
Daniela Strigl "Dieser Schluss ist tödlich"
Daniela Strigl sah im Ende der Story "den letzten Traum" der Figur, der jedoch ein "eindeutig tödlicher" sei.

"Beeindruckend und faszinierend" lautete das Urteil Strigls über einen Text, der das "Wassermotiv" dosierter eingesetzt hätte als sein Vorgänger.
Heinrich Detering
Heinrich Detering (Bild: Johannes Puch)
"Gut - aber prätentiös und künstlich"
Heinrich Detering zeigte sich ambivalent: Wohl sei die Fremdheit und Rätselhaftigkeit, das Körpergefühl der Protagonistin, in "ganz genauen Anblicken" und bis in die letzte Passage hinein "sehr schön durchkomponiert".

Allerdings seien einige sprachliche Wendungen zu "prätentiös und metaphernberauscht". Mit Buckow und dem Amazonasgebiet seien zwei Bereiche zusammen gezwungen, die besser ohne einander auskämen. "Er verwendet zu dickes Garn, wo er das vernähen will", lautete deshalb sein Urteil.

Vorsitzende Radisch unterbrach an dieser Stelle: Der Text handle vom Zerfall zweier Lebenswelten, es gehe um den "Sehnsuchtsort" am anderen Ende der Welt.
Ilma Rakusa "Ein Bachmann'scher Text"
Ilma Rakusa teilte diese Auffassung Radischs und betonte die Ähnlichkeit des Textes mit der Prosa Ingeborg Bachmanns.

Trotzdem sah auch sie das Ende des Textes als ein tödliches an. So verschmelze die Figur mit dem Element Wasser, wo jene mit der geliebten aber fremd gewordenen Person in Preußen unmöglich sei.

Deren "Willenlosigkeit" trage durch den Text, was jedoch sehr subtil signalisiert sei. In der Geschichte spiegle sich Abgründigkeit und Dunkelheit wider, ohne übertrieben zu wirken.
Martin Ebel "Ausgezeichnete Literatur"
Martin Ebel konstatierte "eine ganz große Fremdheit" zwischen der Umgebung und dem Selbst der Protagonistin - alles in allem: ausgezeichnete Literatur!"
Klaus Nüchtern
Klaus Nüchtern (Bild: Johannes Puch)
"Text macht mich mürrisch"
Juror Klaus Nüchtern verstärkte die kritischen Töne Deterings: Ihn als Österreicher verstöre ein "Übermaß an Preußen", es mache ihn "mürrisch".

Bereits zu Beginn würde die "Schwere des Textes" deutlich, als störend empfinde auch er die punktuell auftretenden "sprachlichen  Ungenauigkeiten".

Überdies sei die Figurenzeichnung der südamerikanischen Männer als "klischeehafte Charge" missraten.
Burkhard Spinnen "Modus der Sehnsucht"
Burkhard Spinnen nahm auf das Allegorische im Text Bezug. Dieser konfrontiere den Leser mit jener Allegoriefeindlichkeit der heutigen Zeit, arbeite jedoch gleichzeitig mit diesem Reflex. Die Figur erleide im "Modus der Sehnsucht" eben diese Aversion des Lesers.

Dennoch sei die "Berührtheit durch Bilder  "etwas individuelles" und nicht verallgemeinerbar: "Manche essen Zwiebelsuppe, andere das Gegenteil", lautete deshalb sein Kommentar, während Detering eine unzugehörige Verbindung zweier fremder Sphären" geortet hatte.

Zusammenfassung: Barbara J. Frank