Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52

Susanne
Heinrich
"Eine junge Liebesgeschichte"
"Die Frage wer anfängt" stellte sich die 20-jährige Leipzigerin Susanne Heinrich. Der Text wurde als "hochromantische Liebesgeschichte" gewertet, teils lastete ihm die Jury seine Jugendlichkeit an.
Ilma Rakusa "Die zwei geilen sich auf"
Als "subtile Skizze der Befindlichkeit einer jungen Frau" gefiel der Text, wie Ilma Rakusa es ausdrückte, "in vieler Hinsicht sehr gut." Zu den Figuren merkte Rakusa an: "Man verzeihe mir: Die zwei geilen sich auf!"

Darüber hinaus hob die Jurorin die "große Musikalität der Prosa" hervor, die sich durch Sprachwendungen kennzeichne, in denen die Beziehung der Menschen untereinander bereits sichtbar würden. Insgesamt sei dem Text eine "gewisse Frechheit", ein "Understatement" anzumerken, da nichts ausdrücklich gesagt würde.
Susanne Heinrich
Susanne Heinrich (Bild: Johannes Puch)
Martin Ebel "Hurra, eine Liebesgeschichte!"
Juror Martin Ebel sieht in dem Text einen "nicht unoriginellen Jargon romantischer Formulierungen", dessen Story ein klein wenig an den Film "Harry und Sally" erinnere. So kennzeichnete Ebel den Text als "in Vielem sehr gelungen", obgleich der Text ein wenig zu "redselig", zu sehr "Plan" sei.

Positiv sei, dass die Geschichte "im Konjunktiv" bleibe, weil aus der Möglichkeit einer Liebe zwischen Protagonistin und Leander, bzw. Mirko, keine "Wirklichkeit" werde. Unklar bleibe ihm allerdings die Figur des Leander - diese sei in ihrer Perfektion "beinahe unsichtbar" und weitaus weniger präsent als Mirko: "Ein Kotzbrocken!"
Iris Radisch
Iris Radisch (Bild: Johannes Puch)
"Jung-Sein als Programm"
"Wir rauchen beim Ficken - so  kann kein schlechter Text beginnen!" Auf diese Art begann Iris Radisch ihren Redebeitrag. Worauf Burkhart Spinnen sofort forderte: "Dieser Satz muss für die Nachwelt aufgehoben werden - wird das getapet?"

Radisch schloss sich in ihrem Urteil Ursula März an, wonach das "Jung-Sein" hier Thema und Programm sei. Sie teile März' "mütterliche Gefühle".

Allerdings wolle der Text sich in seiner Empfindsamkeit irgendwo festmachen - was nicht funktioniere. Der Anspruch, "dass die Welt mit einem selbst etwas zu tun haben müsse" sei ein lässlicher. Trotzdem: "Schöne, poetische Bilder", so ihr Urteil.
Daniela Strigl "Verlieben als Schwerarbeit"
Daniela Strigl relativierte die bloße Reduktion des Textes auf das "Jung - Sein", die nicht realisierte große Liebe sei hier Thema, das Verlieben gerate zur "Schwerarbeit".

Insgesamt stelle sich hier eine ganz "alte Geschichte" vor der Fassade eines "Szene-Lebens" dar: Die "Nichtorientiertheit" der Protagonistin werde durch Zitate und Assoziationen kenntlich gemacht
Ursula März
Ursula März (Bild: Johannes Puch)
"Eine sympathische Grosche"
Ursula März erklärte: "Mir sind zwei Sachen sympathisch: 1. Es wird ordentlich geraucht, 2. Jungsein wird hier als hemmungsloser Narzissmus dargestellt."

Letzteres erkläre, weshalb die Protagonistin sich die Welt in Form eines Groschenromans aneigne. Aus ihrer Sicht erinnere der Text sie an das "Jung-Sein". Gleichzeitig unterstrich die Jurorin damit die "zeitliche Begrenztheit", die dem Text und seiner "Wahrheit" anhafte.
Klaus Nüchtern "Glattpolierte Oberfläche"
Klaus Nüchtern fühlte sich veranlasst, den Text gegen zuviel "Mütterlichkeit" der Jurorinnen März und Radisch in Schutz zu nehmen: "Man darf ihm nicht auf den Leim gehen!"

Nüchtern unterstrich die "radikale Immanenz" des Textes, dessen "glattpolierte Oberfläche" vielmehr im "Ästhetizismus" münde.

Heinrichs Text sei eine "Dorian Gray"-Geschichte: Zwei Subjekte, die als gegenseitige Spiegelung fungierten  - darin zeige sich die wahre "Ökonomie des Begehrens".
Norbert Miller
Norbert Miller (Foto Johannes Puch)
"Langweilige Traurigkeit"
Norbert Miller, der im Text eine ihm "gänzlich fremde Lebenswelt" verortete, pflichtete Nüchtern hinsichtlich des "ästhetizistischen Moments" bei.

Er erinnere an die "Traurigkeit französischer Texte", welche ihn jedoch langweile.
Burkhard Spinnen "Das habe ich schon zig Mal gelesen"
Burkhard Spinnen wehrte sich "Jugendlichkeit" als literarische Kategorie zuzulassen.

Sein Urteil: "Das habe ich schon vor zwanzig Jahren zig Mal gelesen!" Elemente des Textes würden an die Literatur der Boheme erinnern.

Ihn irritiere dieser Versuch, die Geschichte an die Gegenwart zu binden. Der Narzissmus in der Geschichte "übersteige sich gleichsam selbst. Das ist - im doppeldeutigen Sinne des Wortes - erlesen!"
Heinrich Detering "Tango und Lost in translation!"
Heinrich Detering, auf dessen Einladung Susanne Heinrich zum Bachmann - Wettbewerb eingeladen worden war, sprach dem Text eine "musikalische Bogenbildung" zu.

Dieser wolle gleichsam "Erfahrung aus zweiter Hand" sein, die Anstrengung der Schönheit, die darin abgebildet sei, gerate eben deshalb ins Traurigkeit.

Detering: "Das ist Tango, gepaart mit Lost in translation!"

Zusammenfassung: Barbara J. Frank