Bachmannpreis ORF.at Autoren
FR | 11.02 | 15:52
Anne Weber (Bild: ORF Kärnten)
Anne
Weber
Zwiespältige Beurteilung für Weber
Die deutsche Autorin Anne Weber kam auf Einladung von Ursula März nach Klagenfurt. Die Jury war in ihrer Meinung über den Textauszug gespalten.
"Kapitalismus im Endstadium"
Mit Anne Webers essayistischer Prosa über "Absatzmärkte für Zahnersatz", den "Kapitalismus im Endstadium" und das ohnmächtige Ich innerhalb einer "Großraumbüro-Welt" wurde das Wettlesen am Freitagnachmittag fortgesetzt.

Weber machte sich in ihrem Romanauszug Gedanken über den Kapitalismus und dessen Auswüchse. Eingebettet in das Großraumbüro eines Dentallabors zeichnete sie ein unprätentiöses Bild der wirtschaftlichen Entwicklung der Welt.
Anne Weber
Anne Weber (Bild: ORF Kärnten)
Heinrich Detering "Kein Wasser, das ist Wein!"
Heinrich Detering meinte: "Das hat Grazie und eine intelligente Form der Raffinesse, das ist erwachsen, klug und kindlich, ohne putzig zu sein. Bevor mir jemand Wasser reinschüttet - das ist Wein!"

Mit "fragenden Augen und großen Ohren" werde vom Großraumbüro aus in die Welt geblickt. Dabei würden jedoch keine aufgedunsenen Metaphern bemüht, vielmehr werde hier mit einer verblüffenden Leichtigkeit mit Metaphysik und Mythos umgegangen.

Eine feuilletonistische Plauderei im besten Sinne des Wortes.
Ilma Rakusa
Ilma Rakusa (Bild: Johannes Puch)
"Ganz wunderbar gemacht"
Ilma Rakusa schloss sich dem Lob ihrer Kollegen an. Der Text sei in seinem mäandrischen Prinzip, das die Themen wie in einem Gewebe verflechten würde, "ganz wunderbar gemacht" und komme auf "graziöse Weise" daher. 

Einziger Kritikpunkt: Die politischen Verweise, die von ihr als störend empfunden wurden.
Martin Ebel "Alle kritischen Zähne gezogen"
Auch Martin Ebel musste zugeben: "Der Text hat mir alle kritischen Zähne gezogen und mich zum schnurrenden Kater gemacht. Wunderbar - aber der Schmutz fehlt ein wenig."

Das Großraumbüro sei eine "Spielwiese" auf der sich alle Elemente leicht "hin und her verschieben" lassen würden.

Liebstes Spiel der Erzählerin sei der "Zirkelschluss": Auch das Gegenteil des Gesagten ist immer wahr, was als "poetisches Verfahren", im "Spiel der Syntax", ganz wunderbar funktioniere.
Iris Radisch "Geglückter Essayismus, aber..."
"Der Text passt am besten von allen bisherigen zu Bühnenbild!", merkte Vorsitzende Radisch an. Die Autorin bereite hier ein "Spiel" innerhalb eines "abgeschlossenen Feldes".

Auf "wunderbar besserwisserische Art und Weise" und in bissigem Ton werde ein "Menschheitslabor generiert. Der angeschlagene "Dentalton" sei eine "spröde und unterkühlte Mimikry" der Welt.

Letztlich sei dies aber "geglückter Essayismus", keine Erzählung. "Irgendetwas fehlt!", so Radisch.
Klaus Nüchtern
Klaus Nüchtern (Bild: Johannes Puch)
"Viel zu unbestimmt"
"Worum geht’s hier eigentlich?", stellte Klaus Nüchtern die Frage an seine Kollegen.

Der Text entspreche zwar den ihn attestierten Attributen, aber: "Das Großraumbüro ist normalerweise ein Schlachtfeld. Wenn gespielt wird, muss auch der Gegenstand deutlich werden."

Ihm sei das Ganze "viel zu unbestimmt", hier fehle eine "Grenze".
Daniela Strigl "Gekünsteltes Ich"
Auch Daniela Strigl stellte fest: "Das ist Essayismus im Gewand einer Geschichte." Dieser allerdings sei nicht konsistent.

Das "Ich" der Erzählung wirke seltsam künstlich, da keine durchgehende Perspektive eingehalten würde. "Anregende Einfälle, jedoch nicht ganz durchgehalten!", lautete ihre Analyse.
Burkhard Spinnen "Balsam für Intellektuelle"
Burkhard Spinnen schloss sich in seiner Kritik an Nüchtern an: "Dieser Text will Balsam auf der Intellektuellenseele sein".
Ursula März
Ursula März (Bild: Johannes Puch)
"Offen und metaphorisch"
Ursula März betonte, es handle sich bei dem Text nicht um eine realistische Darstellung, sondern um einen "poetischen Essay".

Dieser sei "offen und metaphorisch" ausgeführt, werde hier jedoch "unter seinem Niveau gelobt". Hier stehe ein "anarchischer Geist" der Welt gegenüber.
Zusammenfassung: Barbara J. Frank