Bachmannpreis ORF.at Information
FR | 11.02 | 15:49
Landesstudio Kärnten (Bild: Johannes Puch)
TDDL_2006
Feierliche Eröffnung im ORF-Theater
Am Mittwochabend werden zum 30. Mal die Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt eröffnet. Die Eröffnung wird live im Internet übertragen.
"Leistung abseits des Quotenfetischismus"
ORF-Landesdirektor Willy Mitsche dankte allen Sponsoren für deren Unterstützung und betonte, dass von der Veranstaltung mehr als 20 Stunden live im Fernsehen übertragen würden.

"Das Wettlesen wird damit einem potenziellen Millionenpublikum zugänglich gemacht. Wenn gerade in diesen Tagen der vermeintliche Qualitätsverlust im ORF lautstark beklagt wird, kann damit nicht der Bachmannpreis gemeint sein. Das ist mehr als die bloße Erfüllung des Kulturauftrages, das ist qualitativer Kulturluxus und eine einzigartige Leistung abseits des Quotenfetischismus."
Willy Mitsche (Bild: Johannes Puch)
Bedeutung für Literatur ist unumstritten
Von seiner ursprünglichen Qualität habe der Bachmannpreis nichts eingebüßt. Das Interesse ist an diesem Bewerb sei so groß wie nie. Wo sonst könne im Fernsehen stundenlanges Lesen und Diskutieren über Literatur stattfinden? Die Differenz zwischen den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und Privatsendern werde so augenscheinlich.

Die Bedeutung Klagenfurts für die Literatur sei deshalb weiter "unumstritten". Das Ritual sei über die Jahre hinweg gleichgeblieben, auch wenn "kleine Adaptionen und Modifikationen" vorgenommen wurden. Bis heute sei an der Leitidee der Initiatoren festgehalten worden, "der Literatur zu Öffentlichkeit, und der Öffentlichkeit zu Literatur zu verhelfen".

Mitsche wünschte abschließend allen Teilnehmern, diese "Tage der Zusammenstöße hoffentlich schmerzfrei" zu überstehen.
Leitner, Monschein (Bild: Johannes Puch)
Die Telekom Austria ist weiterhin Generalsponsor der Tage der deutschsprachigen Literatur und ermöglicht auch die Übertragung und Archivierung der Videos von der Veranstaltung im Internet. Im Bild Klaus Leitner von der Telekom im Gespräch mit Organisatorin Michaela Monschein.
Andrang der Bewerber ist ungebrochen
Das unverminderte Interesse der Autoren für die Teilnahme am Wettlesen wurde von der Sprecherin der Jury, Iris Radisch, betont:

"Es herrscht ein unbeschreiblicher Andrang auf den Bewerb. Wir haben zwischen 100 und 200 Bewerbungen, die wir alle überprüfen und durchsehen müssen. Wir müssen entscheiden, ob das Leute sind, die hier lesen sollen. Das Interesse ist unvermindert, ich habe fast das Gefühl, es ist noch stärker geworden. Es ist wirklich schwer, die allerbesten hierher zu holen."
Iris Radisch (Bild: Johannes Puch)
Lorenz: "Bush oder Bachmann? Bachmann!"
Wolfgang Lorenz überbrachte sein Willkommen im Namen von 3sat. Er habe sich zwischen "Bush in Wien oder Bachmann in Klagenfurt" entscheiden können und meinte: "Ich bin natürlich hier!"

Ihn verbinde so einiges mit Klagenfurt, denn: Er habe seine "nicht matte Jugend" in Klagenfurt verbracht. Vielleicht sei es als "Rache der kleinen Chinesen" zu verstehen, dass Ingeborg Bachmann, die meinte, in Klagenfurt nicht begraben sein zu wollen, letztendlich doch hier bestattet worden sei.
Wolfgang Lorenz (Bild: Johannes Puch)
Die Veranstaltung sei ein "Kick für das Lebensmittel Kunst", so Lorenz. Im Vorjahr wären 600.000 Menschen vor dem Fernseher in Klagenfurt "dabei gewesen", immerhin 30.000 Hardcore-Fans hätten "bis zum Ende durchgehalten".
Raoul Schrott "Klagenfurter Rede"
Raoul Schrott befasste sich in der diesjährigen "Klagenfurter Rede zur Literatur" mit den "30 Paradoxa", die um den Literatur- und Kulturbetrieb kreisen.

Der Autor betonte - trotz eigener Jurorentätigkeit - die Absurdität der Literaturkritik, "literarische Weltentwürfe" miteinander zu vergleichen. Immer noch fehle es an einem gesellschaftlichen Konsens, was Literatur überhaupt sei.
Der Nutzwert der Literatur geht verloren
Schrott stellte einen allgemeinen Niedergang und Diskursverlust innerhalb des kulturellen Betriebes fest, in der sich der "Bachmannwettbewerb nach Ranitzky" zum Plenum und avantgardistischen Forum entwickelt habe.

"Literatur ist längst zum Produkt verkommen, wobei deren Nutzwert verloren geht. Dieser liegt im Aufwerfen von Denkräumen, in denen das Ich abseits des Konventionellen agieren kann". Überhaupt fehle es im gegenwärtigen Kulturbetrieb an Personen mit Format eines Jonke, Plenzdorf, Hofmann oder Nadolny.
Raoul Schrott (Bild: Johannes Puch)
Siegertext 2005 gehört "in Schülerzeitung"
So habe sich der Wettbewerb hinsichtlich der Jurorenkompetenz positiv weiterentwickelt, stellte Schrott fest, gleichzeitig sei jedoch das literarische Niveau gesunken: "Denkt man an die ersten Gewinner - eben Jonke, Plenzdorf, Hofmann oder Nadolny - gehört der letztjährige Siegertext eigentlich eher in eine Schülerzeitung", so der Autor.
Radisch: "Wir sitzen unter lauter Toten"
Iris Radisch meinte in ihrer Antrittsrede, sich der hohen Verpflichtung nach 30 Jahren Bachmann sehr wohl bewusst zu sein, denn: "Wir sitzen unter lauter Toten". Die heutigen Kritiker wären die Erben jener, die den Preis gegründet hätten. "Niemand steht mehr vor uns, wir alleine sind noch da", stellte Radisch fest.

Der Erfolg der Veranstaltung sei 1977 noch nicht abzusehen gewesen. Raoul Schrott, der in seiner Rede die sinkende Qualität der Texte bemängelt hatte, erwiderte sie:
Eröffnung Bachmannpreis (Bild: Johannes Puch)
Radisch: "Glorifizierung der Vergangenheit"
"Die Texte waren schon damals nicht immer erstklassig, das ist eine Glorifizierung der Vergangenheit. Schon immer gab es unbekannte Autoren in Klagenfurt, die es auch blieben. Die Texte sind nicht alle gleich gut, sonst könnte ich meinen Kritikerberuf an den Nagel hängen. Das ist nun mal Klagenfurt und ich bin eine Verfechterin dieses Prinzips. Klagenfurt verdankt seinen Erfolg gerade seinen Schwächen!"
Antritt eines "höchst unperfekten Erbes"
"Schafft Klagenfurt ab" sei schon 1977 gefordert worden, es habe sich aber ein "lebendiges Auf und Ab" durchgesetzt, so Radisch. Heuer feiere man den 30. Geburtstag der Veranstaltung, dessen "höchst unperfektes Erbe" es weiterführen gelte.
Kulturstadtrat verspach weitere Unterstützung
Dass dieses Erbe weitergeführt werden wird, versprach Klagenfurts Kulturstadtrat Albert Gunzer. Er betonte, dass seitens der Stadt alles unternommen werde, um dieses höchst erfolgreiche Projekt auch in den nächsten Jahren weiterzuführen.
Albert Gunzer, Kulturstadtrat (Bild: Johannes Puch)
"Die Veranstaltung wäre ohne das Fernsehen nicht möglich, gerade die Live-Übertragungen wurden zum Merkmal dieses Bewerbes. Das erfolgreiche Konzept wurde in den letzten Jahren auch über das Internet ausgeweitet. Zahllose Interessierte können den Bewerb dadurch weltweit mitverfolgen", so Gunzer.