Bachmannpreis ORF.at Information
FR | 11.02 | 15:49
Publikum TDDL 2006 (Bild: Johannes Puch)
Wettlesen - der dritte Tag (24. Juni)
Nachdem der zweite Tag recht spannend und kontroversiell verlaufen war, geht es am Samstag in die Endrunde. Vier Autoren stellen sich der Jury. Der Publikumsliebling kann am Samstag per Internet gewählt werden.
Heftige Diskussionen und erste Favoriten
Mit Katja Huber, Kathrin Passig, Kai Weyand und Ina Strelow gehen am Samstag Autoren mit durchaus interessanten Texten aufs Podium. Am Sonntag um 11.00 Uhr erfolgt die Jurydiskussion und die Vergabe der Preise.
Kameramann (Bild: Johannes Puch)
Das perfekt eingespielte Team des Landesstudios sorgt für die Übertragung des Lesemarathons in 3sat und im Internet.

Alle Zusammenfassungen der Diskussionen von ORF ON Redakteurin Barbara Johanna Frank

Katja Huber, Autorin (Bild: Johannes Puch)
Katja Huber
Die Jury spaltete sich in zwei Lager
Sehr kontroversiell diskutiert wurde von der Jury der Text "Sofija" von Katja Huber. Während Iris Radisch gleich zu Beginn Partei für den Text ergriff: "Dieser Text bezahlt mit Spielgeld und das gelingt ihm sehr gut", zeigte sich Martin Ebel wenig begeistert. "Man hat es erneut mit einem Illusions-Desillusionstext zu tun". Außerdem habe er nicht begriffen, wo der Text hin will.

"Da stimmt vieles nicht", schloss sich die Slawistin Ilma Rakusa an. Daniela Strigl meinte hingegen, ihr gefalle die übersinnliche Komponente in dem russischen Text sehr gut, diese sei gut nachvollziehbar, weil das Mädchen Tanja gleichsam wie ein "Engel vom Himmel fällt". Detering hingegen kritisierte den selbst kommentierenden Ton der Erzählung und meinte, die Dialogführung wirke "hölzern" auf ihn.

Karl Corino meinte, die Dialoge wären ihm - in Anspielung an die Moderatorentätigkeit der Autorin - zu "zündfunkhaft". Nüchtern rechnete der Autorin als Verdienst an, ein schweres Thema "auf klein" runtergerechnet zu haben.

Kathrin Passig
Ein Siegertext zeichnet sich ab
Erstmals kristallisierte sich eine echte Favoritin heraus: Kathrin Passig erntete bei allen Juroren ungeteiltes Lob. Der Text "Sie befinden sich hier" erzählt aus der Innensicht von den letzen Stunden eines erfrierenden Mannes - oder einer Frau?
"Hier wird extrem zeitgenössisch erfroren"
"Wir haben eine sehr gute deutsche Schriftstellerin entdeckt und einen Text, von dem ich restlos überzeugt bin. Ich kann beim besten Willen nicht sehen, wo dieser Fehler oder Makel hätte", begann Detering sein begeistertes Lob, das von den anderen Juroren fortgesetzt wurde.

Ursula März kritisierte die nicht durchgehaltene Geradlinigkeit, meinte aber, das sei lediglich "ein Tropfen Wasser in einem ziemlich guten Wein."

"Ich halte den Text in seiner Konsequenz fast makellos, lobte auch Ilma Rakusa und Iris Radisch bekräftigte, es sei keine Frage, dass ihr der Text sehr gut gefallen habe.

Spinnen sagte dann, ihm habe der Text deshalb gut gefallen, weil der Text seinem Genre noch etwas hinzufügen könne: "Hier wird extrem zeitgenössisch erfroren".
Kai Weyand, Autor (Bild: Johannes Puch)
Kai Weyand
Jury zeigte sich verhalten angetan
Kai Weyand war in Klagenfurt auf Vorschlag des erkrankten Jurors Norbert Miller mit "Paso Doble" in Klagenfurt angetreten. Der Text erzählt vom "tänzerisch ausgeführten" Duell zweier Männer um ein Zimmer in einer Zweier-Wohngemeinschaft.
Guter Anfang, starker Abfall gegen Ende
"Wir haben in Klagenfurt gegen Ende hin eine Humorballung", begann Klaus Nüchtern. Die Geschichte besitze einen "gewissen Drive", so der Juror.

"Ich habe eine politisch nicht ganz korrekte Vorliebe für Duelle, man muss ja nicht mit Waffen gegeneinander antreten. Man kann ja auch kicken oder Federball spielen", erklärte sich Spinnen für den Text als "sofort eingenommen", am Ende verschenke der Text aber viel von seinen Möglichkeiten.

"Ich habe mich vom Text sehr gut unterhalten gefühlt, das ist ein richtiger Vortragstext", lobte Detering. Auch Ilma Rakusa gab sich "sehr amüsiert" über den Text, wenngleich dieser schon auf Seite eins auf sein vorhersehbares Ende hinweise.
Ina Strelow, Autorin (Bild: Johannes Puch)
Ina Strelow
Ina Strelows "Arrest" fiel völlig durch
Der von Burkhart Spinnen wegen des "Verstosses gegen sämtliche Regeln" nach Klagenfurt geholte Text "Arrest" konnte kein einziges Jurymitglied von sich überzeugen.
"Auf hohem Anstrengungsniveau misslungen"
"Bei dieser Überinstrumentaliserung in Geschehensführung, Figurenkonstellation und Sprache will ich nicht mit. Es wird mir hier zu dick aufgetragen", begann Detering. Ursula März zeigte sich mit der Sprache einverstanden, ihr sei jedoch angesichts der angestrebten Erzähltradition nicht wohl: Die "Ideologisierung von bedrohlicher Sexualität" sei beinah "geschlechtermuffig" zu nennen.

Karl Corino schloss sich Deterings Kritik an und meinte: "Das stolpert von Lapsus zu Lapsus, die Autorin lebt stilistisch über ihre Verhältnisse".

"Wie kann man im Thema so mutig und in der Schreibweise so zugeknöpft sein?", bedauerte Radisch den "Einbau zu vieler Sicherheitsnetze".

Ursula März unternahm schließlich doch den Versuch, ihre Kollegen einzubremsen. "Ich nehme diese Warnung gerne an, muss aber trotzdem sagen, was ich sagen muss", entgegnete Daniela Strigl. Und tat das dann auch: "Der Text redet sich kaputt", meinte sie.

Allein Martin Ebel fand das "Krankheitsbild" in seiner Konsequenz gelungen, obwohl die Sprache in ihrem "Schwanken schrecklich" sei.

Spinnen kritisierte den Sprachdogmatismus seiner Kollegen und meinte, die "Suche nach Wohltemperierten" müsse endgültig aufgegeben werden.