Bachmannpreis ORF.at Information
FR | 11.02 | 15:49
Preisträger Bachmannpreis 2006 (Bild: ORF)
Die Sieger - Jury war meist uneinig
Kathrin Passig galt als Favoritin im Lesemarathon um den Bachmannpreis 2006, nachdem die Jury sich von ihrem Text mit "Sie befinden sich hier" restlos begeistert gezeigt hatte. Man wurde sich - nur in dieser Hinsicht - schnell einig.
Von der Juroren wurde nach den Lesungen eine erste Vorauswahl getroffen Die Jury entschied zwischen folgenden Autoren
Vor der Preisvergabe ließ die Jury die Namen jener zehn Autoren verlauten, die in einer internen Auscheidung in die "Endrunde" kagekommen waren: Paul Brodowsky, Bodo Hell, Thomas Melle, Clemens Meyer, Annette Mingels, Angelika Overath, Kathrin Passig, Dirk von Petersdorf, Norbert Scheuer und Kevin Vennemann gelangten in die engere Auswahl.

Die Zusammenfassung der Jurybegründungen hat Barbara Johanna Frank erstellt.
Wilfried Kammerer, Michaela Monschein (Bild: Johannes Puch)
"Stadtjurist" Wilfried Kammerer und Organisatorin Michaela Monschein überwachten die Preisermittlung
Die Begründungen der Jury Kathrin Passig wurde "Doppelgewinnerin"
Bereits im ersten Abstimmungsdurchgang wurde der mit 25.000 Euro dotierte Bachmannpreis 2006 Kathrin Passig zugesprochen. Wie man später erfuhr, hatte deren Text nicht nur die Jury, sondern auch das Lesepublikum für sich einnehmen können. Der via Internet eruierte Kelag-Publikumspreis wurde ebenfalls Passig zugesprochen.
Katrin Passig (Bild: ORF)
Katrin Passig konnte Jury und Publikum von ihrem Können überzeugen. Ihr Text "Sie befinden sich hier", die introspektivisch erzählte Geschichte einer Frau, die den Erfrierungstod stirbt, erhielt sowohl den mit 25.000 Euro dotierten Bachmannpreis, als auch den kelag Publikumspreis mit 5.000 Euro.
Spinnen entschied sich für die Erzählung von Thomas Melle "Inszenierung des Dramas der Identität"
"Ich stimme für "Nachtschwimmen" von Thomas Melle. Ein Text, der auf sehr intelligente Art und Weise sprachlich risikobereit das Dilemma der Identität inszeniert. Ich wünsche diesem Text auch den Abdruck in vielen Schülerzeitungen. Wer sonst sollte mit besonders guter Literatur konfrontiert werden?"
Strigl votierte, wie "siebeneinhalb meiner Kollegen", für die Siegerin "Text überzeugt mich ganz und gar"
"Meine Wahl fällt auf "Sie befinden sich hier" von Kathrin Passig, weil mich der Text wie siebeneinhalb meiner Kollegen überzeugt hat, mich ganz und gar. Als kluge und komische Geschichte über das Nicht-Überleben im Nah-Erholungsgebiet, als Beschreibung eines eingebildeten Bewusstseins in einer präzis-angemessenen Sprache der Unangemessenheit".
Rakusa wählte den "Überlebensmonolog" von Kathrin Passig "Stimme für Überlebensmonolog"
Ich votiere für einen Text, der die Fatalität eines nahen Erfrierungstodes zum Anlass nimmt, um auf ungewöhnliche Weise Gegenwartsbeobachtung und Vergangenheitsbilder, Spontaneinfälle und Wissenvorrat in einem Überlebensmonolog miteienander zu verknüpfen. Ich votiere für Kathrin Passigs "Sie befinden sich hier".
Albert Gunzer, Harald Scheucher, Kathrin Passig (Bild: Johannes Puch)
Die überglückliche Gewinnerin, hier mit den Vertretern der Stadt Klagenfurt, Albert Gunzer und Harald Scheucher.
Detering für "Schrecken des Eises und der Finsternis" "Überlebenskampf auf tödlichen Flächen"
"Ich gebe meine Stimme der Erzählung von Kathrin Passig, die von den Schrecken des Eises und der Finsternis erzählt, vom Überlebenskampf unseres Denkens und Erzählens auf tödlichen weißen Flächen."
Iris Radisch stimmte im ersten Wahlgang für Norbert Scheuer "Halbertrunken und halbvertrieben zu Hause"
"Ich stimme für einen Text in dem das Wasser rauscht, in dem es langsam und etwas unheimlich zu geht und es Geräusche, Gerüche und sehr viel Farben und Landschaft gibt, wo man halbertrunken und halbvertrieben zu Hause ist. Ich stimme für Norbert Scheuer."
Publikum, Preisvergabe (Bild: Johannes Puch)
Das Publikum fieberte mit den Autoren mit.
Klaus Nüchtern votierte die "verbale Schneefräse" "Stimme für eine verbale Schneefräse"
"Trotz oder gerade wegen der hochsommerlichen Hitze stimme ich für eine verbale Schneefräse, die sich umso zielstrebiger durch die Anhäufungen an Wissen und Halbwissen, Lebensweisheiten und Mutmaßungen vorarbeitet, je aussichtsloser die Lage wird.
In einer trotzigen Suada wird hier dem Tod bis zum letzten Atemzug eine lange Nase gedreht und dieser zumindest im Medium der Literatur durch Komik suspendiert: Ich stimme für Kathrin Passigs „Sie befinden sich hier“."
Martin Ebels Stimme brachte die Entscheidung und begeisterten Applaus des Publikums "Will meine Entscheidung auch begründen"
Martin Ebel meinte - sich seiner Funktion als Zünglein an der Waage bewusst: "Jetzt wird es spannend. Ich stimme auch für Kathrin Passig." Damit stand die Gewinnerin fest und Ebel fehlte angesichts des einsetzenden Applauses zuerst die Gelegenheit, seine Begründung zu liefern. Diese folgte erst im Anschluss an den tosenden Applaus.

"Ich möchte das auch begründen: Ein Text, dessen Heldin sich im Schnee und in sich selbst verirrt, der der Unangemessenheit von Ton und Situation immer neue wirkungen abgewinnt - auch sehr komische. Einen Verbergungs - und Enthüllungstext, bei dem der Leser am Ende so klug ist wie zuvor und zugleich enorm bereichert."
Die Autoren während der Preisermittlung (Foto: Johannes Puch)
März und Corinos Voting konnten nichts mehr ändern März und Corino blieben außen vor
Die Siegerin stand fest - Ursula März und Karl Corino blieben damit von der Entscheidungsfindung für den Bachmannpreis ausgeschlossen. Natürlich gaben sie ihre Stimmen für die Autoren ihrere Wahl trotzdem ab
Ursula März wählte Clemens Meyer "Text von konzentrierter Kürze"
"Jetzt wird es auch ernst. Ich gebe meine Stimme einem Text, der es mit der Kraft der Literatur und Fiktion sehr ernst meint, der erzählt von einem Vater, dessen Existenz voll und ganz von der Illusion über das Leben seines Kindes abhängt. Ein Text von konzentrierter Kürze, eleganter Komplexität und Symbolik. Ich meine "Reise zum Fluss" von Clemens Meyer."
Corino wählte Overrath "Aquarium als Metapher der Welt"
"Ich habe für Angelika Overath und ihren Text "Das Aquarium" gestimmt. Eine Geschichte, die in sich spiegelt und schwimmt, Wasserlinsen und optische Linsen, Aqaristik und Photographie. Die Welt durch ein Aquarium gesehen und das Aquarium als Metapher der Welt. "
Die Jury konnte sich nicht so recht einig werden Uneinigkeit und Verwirrung prägte Vergabe
Die Vergabe der weiteren Preise verlief weniger glatt, die Preisermittlung wurde von Verwirrung und Uneinigkeit geprägt.

Bei der Eruierung des Telekom-Austria-Preises ging es noch einigermaßen geordnet zu. Dieser wurde Bodo Hells Text "Stadt Land Berg" zugesprochen, Norbert Scheuer unterlag in der Stichwahl mit vier zu fünf Stimmen.
Ernst Grandits, Wilfried Kammerer (Bild: Johannes Puch)
Die unterschiedliche Meinung der Juroren sorgte auch bei Moderator Ernst A. Grandits und Justitiar Wilfried Kammerer für Verwirrung
Juryentscheidung nach Stichwahl für "poetisch enzyklopädische Anthropologie" Bodo Hells Der Telekom-Austria-Preis ging an Bodo Hell
"Ich stimme für ein literarisches Gesellschaftsspiel, in dem die Vielstimmigkeit der Welt auf besondere Weise vertont wird", meinte Daniela Strigl, für Bodo Hell votierend. Ilma Rakusa war derselben Ansicht: "Ich wähle die poetisch-enzyklopädische Anthropologie in Bodo Hells "Stadt Land Berg". Heinrich Detering votierte zerst für Dirk von Petersdorfs "unerhört ruhige, genaue und gespannte Prosa", um dann ebenfalls Hells Text für den Telekom Austria-Preis zu nominieren.

Vorsitzende Iris Radisch wählte in beiden Wahldurchgängen Norbert Scheuer, Klaus Nüchtern ebenfalls.

Burkhart Spinnen blieb zuerst - "wie nicht anders zu erwarten" - bei seiner vorherigen Wahl Thomas Melle, um in der Stichwahl Norbert Scheuer seine Stimme zu geben. Martin Ebel meinte, mit Anette Mingels für einen "leisen verstörenden Text" zu plädieren, der in "postmoralischen Zeiten" über "Liebe, Vertrauen und Versuchungen" spricht. Der Juror gab seine Stimme in der Stichwahl Bodo Hell.

Ursula März, die im ersten Durchgang Clemems Meyer gewählt hatte, auch. Karl Corinos Voting änderte am Ergebnis nichts mehr, damit stand Bodo Hell als Gewinner fest.
3sat-Preisträger Bodo Hell (Bild: ORF)
Ilma Rakusa hatte den arrivierten Autor Bodo Hell mit seinem Text "Stadt Land Berg" für das Bachmannwettlesen nominiert. Er verfehlte den Hauptpreis nur knapp.
Die Abstimmung für die Abstimmung der Abstimmung der Abstimmung... 3sat-Preis geriet zum Stichwahl-Marathon
Die Ermittlung des 3sat-Preises gestaltete sich weitaus schwieriger. Norbert Scheuer erhielt im ersten Wahldurchgang drei Stimmen durch Daniela Strigl, Iris Radisch und Klaus Nüchtern. Doch es sollte einige Zeit verstreichen, bis der Autor von "Überm Rauschen" als Gewinner feststehen sollte.

Auf Thomas Melle (Burkhard Spinnen), Kevin Vennemann (Ilma Rakusa), Dirk von Petersdorf (Detering), Anette Mingels (Martin Ebel) Clemens (Meyer (Ursula März) und Angelika Overath (Karl Corino) entfielen im ersten Wahldurchgang je eine Stimme. Deshalb musste erst in einem Stechen entschieden werden, wer dieser Autoren in einer Stichwahl gegen Norbert Scheuer anzutreten hätte.

Moderator Ernst Grandits ahnte es bereits: "Jetzt wird`s kompliziert." Und er sollte Recht behalten.
Die Jury benötigte vier Anläufe
In einer Stichwahl zwischen den oben genannten Autoren erhielten Thomas Melle, Anette Mingels und Angelika Overath je zwei Stimmen. Die Liste hatte sich verkleinert, dennoch musste abermals abgestimmt werden. Endlich kristallisierte sich Angelika Overath mit fünf Stimmen als Gewinnerin des Stechens heraus - um letztlich doch gegen Norbert Scheuer zu unterliegen, dem der 3sat-Preis zugesprochen wurde.
Norbert Scheuer (Bild: ORF)
Bis der Gewinner des 3sat-Preises, Norbert Scheuer, feststand, verging einige Zeit. Die Jury konnte sich nicht einig werden, weil so mancher Juror auch "seinen Autor" mit einem Preis bedacht sehen wollte.
Overath erhielt den Ernst Willner-Preis
Bei der Vergabe des Ernst Willner-Preises ging es weniger kompliziert zu. Diese entschied sich -nach nur zwei Stichwahlen - endlich für Angelika Overath. Thomas Melle ging wieder leer aus, er unterlag mit drei zu sechs Stimmen.
Angelika Overath (Bild: ORF)
Angelika Overath, im Stechen um den 3sat-Preis knapp unterlegen, konnte sich schließlich doch freuen. Sie erhielt den nach einem der Gründungsväter der Veranstaltung benannten "Ernst Willner-Preis".