Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Andreas Münzner Debatte über Münzners Sprachstil
Der deutsche Autor Andreas Münzner war der Einladung Ilma Rakusas nach Klagenfurt gefolgt. Vorwiegend beschäftigte sich die Jury mit dem vom Autor gewählten sprachlichen Ton.
Andreas Münzner (rechts) und Ernst A. Grandits (Bild: ORF - Johannes Puch)
Vorwiegend beschäftigte sich die Jury mit dem vom Autor gewählten sprachlichen Ton Diskussion über Sprache und Stil
Gelesen wurde aus einem Text mit dem Titel "Kennen sie Tschechow", Handlungsgegenstand ist eine Party.

Vorwiegend beschäftigte sich die Jury mit dem vom Autor gewählten sprachlichen Ton. Die Äußerungen reichten von "Literarische Katerstimmung" (März) über "Experimentelle Prosa" (Miller) bis hin zur Erkenntnis Klaus Nüchterns, der meinte: "Jetzt ist es soweit. Ich habe keine Ahnung wovon hier die Rede ist!"
Ursula März "Literarische Katerstimmung"
Ursula März meinte in Münzners Erzählung eine "sehr zutreffende Darstellung" nicht des gewählten Gegenstandes, wohl aber den Geisteszustand danach verwirklicht zu sehen.

Die vom Autor gewählte "Sprache der Verlangsamung, der Verschleppung und des Unendlichen" erinnere sie an die verkaterte Redeweise "am Tag danach".
Norbert Miller "Experimenteller Stil"
Anders Norbert Miller, der gerade im "Sprechen" des Textes einen experimentellen Stil erblickte, der eine völlig neue Textbetrachtung erforderlich mache.

Der durchgeführte "Gestus des Sprechens" sei hier das eigentliche Thema, während der Inhalt der Erzählung marginalisiert werden könne.

Es sei, fand Miller, jedoch bedenklich, inhaltlich "gar nichts mehr zu versuchen, wo der vorherige Text (Artur Becker - Anm.) vielleicht zuviel versucht habe".
Norbert Miller (Bild: ORF - Johannes Puch)
Der durchgeführte "Gestus des Sprechens" sei hier das eigentliche Thema, während der Inhalt der Erzählung marginalisiert werden könne. Es sei, fand Miller, jedoch bedenklich, inhaltlich "gar nichts mehr zu versuchen, wo der vorherige Text (Artur Becker - Anm.) vielleicht zuviel versucht habe".
Daniela Strigl "Verlangsamung als Formprinzip"
Auch Daniela Strigl meinte, die im Text erzielte "Verlangsamung" sei ein gewähltes sprachliches "Formprinzip" und weniger die Folge einer "literarischen Katerstimmung".

Sie mache der Text durch seine "Aufregungen und Familiengeschichten" neugierig, gerade weil alles im Ungefähren und Vagen gehalten werde.

Dennoch zeigte sich Strigl etwas "unschlüssig", was den Text anbelangte, gerade weil er zum Schluss in eine Schauergeschichte umschlage.
Martin Ebel "Ein genau undeutlicher Ton"
Martin Ebel konstatierte, Münzners Text erfülle seine eigenen Prämissen und besitze "große Qualitäten". Sein Hauptaugenmerk schenkte Ebel dem vom Autor gewählten sprachlichen Ton, den er als "genaue Undeutlichkeit" kategorisierte.

Martin Ebel (Bild: ORF - Johannes Puch)
Die Sprache des Textes spiegle die "Ungenauigkeit und Verdrängung" innerhalb der Familie wider, so Ebel. Damit sei diese "Sprache der Verundeutlichung und des Nicht-Wissen-Wollens" ein Hinweis auf die Beziehungen innerhalb der Familie selbst.
Burkhart Spinnen "Zu wenig gewollte Undeutlichkeit"
Auch Burkhart Spinnen griff die von Ebel angesprochene Sprachthematik auf, in dem auch er die Intention des Textes in einer gewollten Undeutlichkeit verortete.

Gleichzeitig schien ihm dieses "Wollen" jedoch nicht in dem erforderlichen Ausmaß durchgeführt. "Was mich wundert ist, dass es so unblutig ausgeht", meinte Spinnen letztendlich.
Iris Radisch "Bin über mein Kollegen fassungslos"
Iris Radisch zeigte sich angesichts der ihrer Meinung nach herrschenden Ignoranz ihrer Kollegen gegenüber den "unglaublichen Schicksalen innnerhalb dieser Familie" äußerst fassungslos.
Iris Radisch (Bild: ORF - Johannes Puch)
Der Text liefere nicht nur sprachlichen Materialvorrat sondern verweise auf ein Familiengeheimnis. Der "babylonische Präpositionsaufbau" ziehe den Text "wie in einem Sog auf ein Loch zu", so Radisch.
Klaus Nüchtern "Ich habe keine Ahnung"
Klaus Nüchtern konnte von alledem nichts im Text erkennen. "Ich würde mir gerne eine Reaktion abringen, die der Text in mir auslösen will". Insgesamt fehle es hier doch an "ästhetischer Kontinuität".

Schließlich meinte Nüchtern: "Jetzt ist es soweit. Ich habe keine Ahnung wovon hier die Rede ist!"
Ilma Rakusa "Tragödie ohne großes Pathos"
Die von Nüchtern als fehlend bemängelte "ästhetischer Kontinuität" wird für Ilma Rakusa gerade durch das im Text durchgehaltene Schärfe/Unschärfe-Prinzip" erzeugt.

Der Autor bewahre zu seinem Text immer denselben Abstand. Die Tragödie dieser Familie sei im Text "ohne großes Pathos" vorhanden - gerade dies sei dessen große Kunst.