Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Melinda
Nadj Abonji
Ratlosigkeit bei Nadj Abonji
Melinda Nadj Abonji wurde von Martin Ebel vorgeschlagen und las den Romanausschnitt. "Im Schaufenster im Frühling". Die Autorin aus der Schweiz traf bei der Jury auf große Ratlosigkeit.
Melinda Nadj Abonji (Bild: ORF - Johannes Puch)
Ratespiel der Jury
"Im Schaufenster im Frühling" lautete der Titel des von Melinda Nadj Abonji vorgetragenen Romanausschnitts, die auf Einladung von Martin Ebel nach Klagenfurt gekommen war.

Die Autorin aus der Schweiz traf bei der Jury auf große Ratlosigkeit, Iris Radisch nannte es ein "Ratespiel".

Erst die erklärenden Worte Martin Ebels am Schluss der Diskussion konnte das offensichtliche Unverständnis ein wenig ausräumen.
Heinrich Detering "Lynchs Lost Highway oder so..."
Juror Heinrich Detering brachte diesen Umstand mit den Worten: "Ich stehe vor einem Rätsel, und das ist gar kein unangenehmes Gefühl" zum Ausdruck. Es gelinge ihm nicht, die "Lösung des Textes" zu erkennen, weshalb er seine Kollegen um Hilfe bat.

Er sei bereits bei dem Versuch, die Absätze im Romanauszuge der Autorin in seinem "Verstehensprozess" zu nummerieren, gescheitert. "David Lynchs Lost Highway oder so", lautete sein irritiertes Urteil, zumal der Text immer wieder in Banalitäten umschlage.

"Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun", zitierte Detering, um anschließend festzustellen: "Das scheint mir das ästhetische Prinzip dieses Textes zu sein".
Daniela Strigl "Unbehagen angesichts des Textes"
Auch Daniela Strigl brachte ihr "Unbehagen" angesichts des Textes zum Ausdruck.
Daniela Strigl (Bild: ORF - Johannes Puch)
Dennoch gewinne der Text mit der Zeit an Kontur, so dass ihr vor allem der "rasante Schluss" gefallen habe, meinte Strigl.
Iris Radisch "Verweigere mich diesem Ratespiel"
Iris Radisch meinte: "Ich weigere mich an diesem Ratespiel teilzunehmen!" Der von der Autorin angeschlagene "asthmatische Stil" versuche, sich selbst als "Poesie zu verkaufen".

Das "Unverbundene soll hier wohl irgendeinen Kick ergeben", konstatierte Radisch, um gleich darauf ihre Weigerung zu wiederholen, dieser "Arrhythmie" zu folgen, die hier äußerst primitiv vorgeführt würde.

"Da bin ich einfach zu faul dazu, da müsste mich der Text schon verführen" - was dieser aber nicht schaffe - so Radisch. Der Text erliege allein dem Versuch, mit "Hochdruck Poesie erzeugen zu wollen".
Ilma Rakusa "Befinde mich in einem Dilemma"
Auch Ilma Rakusa meinte, sich in einem Dilemma zu befinden. Zwar gebe es viele kleine wunderbare Wendungen - das Problem liege jedoch in der gewählten großen Form.
Ilma Rakusa (Bild: ORF - Johannes Puch)
Die von Radisch als asthmatisch bezeichnete Form der Parataxe im Text sei im Detail schön, könne jedoch auf lange Sicht nicht überzeugen, schloss Rakusa.
Klaus Nüchtern "Gesättigt von Kindergeschichten"
Klaus Nüchtern verlangte ob des Textes gar eine Veränderung der Statuten des Bachmannpreises. Ausschnitte aus einem längeren Roman sollten schlichtweg verboten werden, da man es dadurch die "Ratespielchen" vermeiden könnte, ob "die Wundertüte voll ist, oder die gleichen Abziehbildchen noch mal rauskullern".
Klaus Nüchtern (Bild: ORF - Johannes Puch)
Der Text müsse in sich funktionieren, seiner Meinung nach sei dies hier nicht der Fall. Ganz abgesehen davon zeigte Nüchtern sich etwas "gesättigt", was die "Kindergeschichten" beim Bachmannpreis anbelange.

"Ich sag halt nicht Geheimnis wie Frau Rakusa dazu, wenn ich mich nicht auskenne, aber vielleicht haben wir es hier wieder mit der so genannten Unschärfe zu tun", so Nüchtern polemisierend.
Burkhart Spinnen "Ton nicht ungelungen"
Burkhart Spinnen lobte den von der Autorin angeschlagenen Ton, mit dem hier in einem Konzept Vergangenheit und Gegenwart technisch hergestellt werde, als nicht "ungelungen".

Inhaltlich gehe es im Text wohl um eine Frau, die sich gern am Bahnhof ansprechen ließe. "Jetzt erwischt sie eben einen, der einen an der Klatsche hat".
Martin Ebel Erklärende Worte am Schluss
Ebel brachte letztendlich seine Verwunderung über die Jurykollegen zum Ausdruck, die sich nicht die Mühe gemacht hätten, den Text genau zu lesen. Im Text gehe es um eine Erzählfigur, die keine vollkommene Verfügung über ihr Leben besitze, was die kritisierte "Stückprosa" erkläre.
Martin Ebel (Bild: ORF - Johannes Puch)
Tatsächlich werde hier ein "Diskurs über Gewalt" geführt, wobei sich die Gewalterfahrung der Figur in ihrem Verhalten spiegle, stellte Ebel abschließend fest.

Diskussion zusammengefasst von Barbara Johanna Frank