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Thomas Stangl |
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Die Meinung der Jury war gespalten
Mit Thomas Stangl ging als vorletzter Autor der dritte Österreicher ins Rennen. Iris Radisch lud ein, um Stangls namens- und endloser Erzählung über ein "uferloses Ich" bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur Gehör zu verschaffen.
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Einig waren sich die meisten Juroren bezüglich des sprachlichen Könnens des Autors. Das positive Bild wurde bei einigen nur durch dessen "Unsinnlichkeit" (Martin Ebel) beim Lesen getrübt - sie wurden "nicht mitgerissen".
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Daniela Strigl |
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Mit großer Kunstfertigkeit gemachte Literatur
"Damit hätten wir den vierten solipsistischen Text vorliegen. Wie wenig diese allgemeine Kategorisierung aber bedeutet, wird hier besonders augenfällig", so Daniela Strigl. Man habe es mit einem Text zu tun, der sich die Welt vom Leib hält. "Der Körper, als magische Achse des Erlebens ist in magischer Art und Weise präsent.
Diese Literatur, mit großer Kunstfertigkeit gemacht, strebt mit Gewalt auf Auflösung zu, was auch durch den Vortrag deutlich geworden ist. Der Text habe nichts Plumpes, das sei eine "Topographie Wiens als tote und gleichzeitig traumhafte Stadt", umriss Strigl den Text.
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Ilma Rakusa |
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Rakusa zug Vergleiche zu Nouveau Roman
"Auch ich bewundere diesen Text über Zeit und Raum, der schon vom ersten Satz weg sehr schön zu nennen ist", begann Rakusa ihre Lobhymne auf den Text. Man erkenne beim Lesen Bilder dieser "Biographie aus verschiedenen Zeiten".
Der Text sei in mancher Hinsicht mit dem Nouveau Roman zu vergleichen, weil er mit starken Bildern operiere, deren Genauigkeit "in etwas Allgemeines, Schwereloses und Somnambules", aufgelöst wird.
"Diese topographische Erkundung macht den Raum selbst zum Subjekt. Das Ich wird von ihm durchdrungen und dabei wird die Trennung zwischen Subjekt und Objekt aufgelöst", erläuterte Rakusa weiter. Diese Grenzenlosigkeit der Räume werde nicht konkret abgegrenzt, die sei vielmehr fluidal.
"Die Sprache hat einen eigenen Sog und Sound, weil sich die Syntax ständig weiter generiert." Der offene Schluss ohne Punkt unterstreiche diese Bewegung ins unendliche, meinte Rakusa dann noch.
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"Diese topographische Erkundung macht den Raum selbst zum Subjekt. Das Ich wird von ihm durchdrungen und dabei wird die Trennung zwischen Subjekt und Objekt aufgelöst", schwärmte Ilma Rakusa.
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Martin Ebel |
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"Einerseits imposant, andererseits unsinnlich"
"Ja, ein schwieriger Text", konstatierte Ebel, der darin die "Angst und die Lust vor dem Selbstverlust" aufgespannt sah. "Das Ich ist ständig davon bedroht, sich verloren zu gehen und muss seine ganze Konzentration darauf verwenden, damit das nicht passiert". All das gefalle ihm gut und sei von logischer Konsequenz. "Das imponiert mir alles sehr, aber ich finde es auch unsinnlich - der Text springt mich nicht an", so Ebel.
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Ijoma Mangold |
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"Der Stangl kann toll weben"
Ijoma Mangold pflichtete bei: "Ein schwer zu deutender Text. Mich erinnert das an einen umgekehrten Proust. Dort soll die Vergangenheit durch das Erzählen wiedergebracht werden, hier läuft es umgekehrt: die ist hier zu viel, man will sie loswerden." Die Gegenwart falle, so Mangold, "sofort ins Archiv", der Erzähler fürchte sich vor dem Bleibenden.
"Das Leben ist nichts als Stoff, bei dem man sieht, wie toll der Stangl weben kann. Nur sehe ich hier den Umriss dieses unendlichen Teppichs nicht."
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Das Urteil von Mangold: "Ein sehr sprachbegabter Autor, aber ein nicht überzeugender Text".
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Ursula März |
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"In-Mich-Literatur" auf sehr hohem Niveau
Ursula März meinte, es gebe ja so etwas wie In-Mich-Literatur: Ein Kopf und eine Stimme, aber keine Öffnung zur Welt. "Hier haben wir In-Mich-Literatur auf sehr hohem Niveau, der Text ist aber auch ein Selbstläufer, er geht durch seine Lückenlosigkeit immer weiter." Diese durchgehende Haltung der Negativität lasse an Dynamik vermissen. "Mich lässt das ein bisschen Unzufrieden", so März.
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Klaus Nüchtern |
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Das "uferlose Ich" entzieht sich der Gegenwart
"Das fluidale an diesem Text, um einen Ausdruck Ilma Rakusas zu verwenden", begann Klaus Nüchtern, "erinnert mich an eine gleichmäßige Kamerafahrt durch eine Gegend die ich kenne. Das liegt mir zwar nicht besonders, ist aber suggestiv."
Er sagte, dass er den Autor hin und wieder vor dem Regal im Supermarkt treffe. "Mir wäre ein bisschen weniger abstrakt lieber gewesen, aber ich kann ja viel wollen".
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Nüchtern meinte - in Anspielung auf die Namen der im Text auftretenden Schüler Adamek, Berger, Kernberger und Tröstl: "Bei diesem daktylisch-trochäischen Sound der Namen, da liegen die Faustschläge in der Luft, da steckt das ganze Elend eines österreichischen Schulalltags drinnen. Die können einem nur auf die Eier gehen."
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Andre V. Heiz |
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Der Autor mit dem "dritten Auge"
Andre v. Heiz lobte das Gehör des Autors für die Philosophie Emanuel Levinas: "Wenn ich alles wegdenke, gibt es immer noch etwas, aber das ist dann immer noch nicht Sein".
Das sei ein Text über die Gegenwart, die gleichsam über ein "drittes Auge" abgetastet werde. Heiz brachte auch einen kleinen Vorbehalt gegen den Text an: "Darf sich so ein Text, der ansonsten - wie Ilma Rakusa richtig gesagt hat - dem Nouveau Roman nahe steht, autobiographischen und psychologischen Fragen aussetzen?"
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Iris Radisch |
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"Das ist ein sinnlicher fliegender Teppich"
Iris Radisch konnte überhaupt nicht verstehen, "wo der Text schwer zu verstehen" sei. "Ich öffne mich Zeit und Welt gegenüber grenzenlos". Das Projekt, das hier realisiert werde, sei das literarische Projekt schlechthin: "Räume nach allen Seiten hin zu Zeit, Existenz und Vergangenheit zu öffnen."
Auch sie meinte - Ijoma Mangold Recht gebend - hier würde ein "proust'sches Verfahren" angewendet. "Das ist ein sehr sinnlicher fliegender Teppich, wo es ständig rauscht, sprudelt und summt, wo die Dinge leben", so Radisch, die von dem Text sichtlich begeistert war.
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"Das ist ein sehr sinnlicher fliegender Teppich, wo es ständig rauscht, sprudelt und summt, wo die Dinge leben", zeigte sich Iris Radisch begeistert.
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Karl Corino |
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Ich warte vergeblich auf 'ich-bin-ich-Texte"
Karl Corino stellte fest, hier werde wird wieder das Motiv "Das Ich ist ein Anderer" zu Tode traktiert. "Ich warte wirklich schon auf 'Ich-bin-Ich-Texte', die kriege ich aber wohl nicht mehr. Die "Gestörtheit des Subjekts", so Corino - was Iris Radisch zu Protest veranlasste, von Ilma Rakusa jedoch mitgetragen wurde - sei oft nicht nachvollziehbar.
"Dieses Textgewebe ist kein Teppich sondern ein Knäuel, das sich - egal wo man zieht - immer fester verknotet. Der Text verweigert dem Leser den Zugang. Ich fürchte, die großen sprachlichen Qualitäten stürzen den Leser in Ratlosigkeit".
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