Bachmannpreis ORF.at Literaturkurs
FR | 11.02 | 15:52
Schreiben, Grafik (Bild: 3sat)
Kunst zwischen Subversion und Nivellierung
Zum ersten Mal in der zwölfjährigen Geschichte des Literaturkurses blieb die Auswahl der Texte den Tutoren selbst überlassen. Die Überraschung: Sieben von neun ausgewählten Stipendiaten besuchen Schreibschulen. Ist Literatur also lernbar?
Ist "Autor" ein Beruf wie jeder andere? In England völlig normal: Creative Writing
Im Gegensatz zum anglikanischen Raum, wo Kurse für Creative Writing längst gang und gäbe sind, bilden sogenannte Schreibschulen oder Literatur-Studiengänge im deutschsprachigen Raum noch die Ausnahme. Während es für bildende Künstler also völlig normal ist, an die Hochschule zu gehen, mutet es vielen seltsam an, dass auch Literatur erlernbar sein soll: Autor-Sein, das hat für die meisten etwas mit einer Berufung zu tun, weniger mit einem erlernbaren Beruf.
130 anonymisierte Texte
Die drei Tutoren des heurigen Literaturkurses -Ferdinand Schmatz, Inka Parei und Frederike Kretzen - wählten aus gut 130 anonymisierten Einsendungen aus. Endergebnis: Das Gros der Stipendiaten besucht Literaturinstitute in Leipzig und Hildesheim.

Das wirft natürlich die Frage auf: Ist Schriftsteller-Sein heutzutage "lernbar", also ein Beruf wie jeder andere? Und welche Auswirkungen haben Literaturstudien auf die Qualität literarischer Texte? Ist Erfolg als Autor heutzutage mehr und mehr von der richtigen, möglicherweise "marktgerechten" Ausbildung abhängig?
In der Vergangenheit fehlte es den Texten oft an "persönlichem Ton". "Dichterfabriken"
Es scheint für junge Autoren immer schwieriger zu werden, nicht im "Einheitsbrei" des literarischen Marktes unterzugehen, Eigenständigkeit zu behaupten. Literarische Subversivität ist Trumpf. Die Erfahrungen der letzten Jahre lehrte die Tutoren nämlich, dass mit der Versiertheit, die junge Autoren durch Literaturstudien erlangen, eine gewisse Nivellierung der Texte einhergeht. Oft, beklagen die Juroren, fehlt es an persönlichem Ton - ein Problem, mit dem man zwar nicht heuer, aber in den letzten Jahren vermehrt zu kämpfen hatte.

Die Juroren beurteilen die "Dichterfabriken" (wenn man es überspitzt formulieren will) deshalb ambivalent bis skeptisch.
"Professionalisierung" feststellbar
In jedem Fall geht mit dem Literatur-Studium eine gewisse "Professionalisierung" der Autoren einher - und zwar sowohl was die Kenntnisse über Literatur betrifft, als auch was die Mechanismen des Marktes oder den Einblick in die Literaturszene angeht.
Ziel: Poetische Prinzipien "schärfen"
Für die Stipendiaten bedeutet der Kurs - neben der gewonnenen Öffentlichkeit für die eigene Literatur - vor allem die progressive Arbeit am Text. "Fragen an die Literatur zu stellen" und das "poetische Prinzip der Texte schärfer herauszuarbeiten", ist das erklärte Ziel. Die Juroren agieren dabei als erfahrenere Dichterkollegen und Berater, greifen aber nicht regulierend in die Texte ein.
Passè: Carl Spitzwegs "Armer Poet"
Welchen "Kurs" die Literatur 2008 nehmen wird, ist schwer zu sagen. Tendenzen zu bestimmten literarischen Themen oder Stilen lassen sich - so die Juroren - nicht eindeutig feststellen. Sicher scheint in Hinblick auf die Texte des heurigen Jahres nur, dass das literarische Experiment, das Sprachspiel a`la Ernst Jandl passè ist. Und: Neben einigen lyrischen Ansätzen wird diese Jahr wieder in großer Bandbreite erzählt.

Fazit: Techniken sind erlernbar, das Schreiben selbst ist es nicht. Von der Vorstellung des "armen Poeten", wie sie Carl Spitzweg im Sinn hatte, wird man sich im Hinblick auf die junge deutsche Literatur aber ein für alle Mal verabschieden müssen.
"Wortklauber"
Den Beitrag zum Klagenfurter Literaturkurs hören Sie am Montag, dem 23. Juni ab 20.00 Uhr in voller Länge in der Sendung "Wortklauber" auf Radio Kärnten.
"Der Literaturkurs liest"
Am Donnerstag, dem 26. Juni, findet der allhährliche Höhepunkt des Literaturkurses statt. Dann werden die Ergebnisse der Tutorien präsentiert. "Der Literaturkurs liest" um 14.00 Uhr im Klagenfurter Musilhaus.