6. Klagenfurter Literaturkurs |
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Viele der Autoren,
die sich beim Bewerb um den Ingeborg Bachmann Preis mit einem
Text dem Urteil der Juroren stellen, sind schon etabliert.
Aber auch für sie, die ihre "Schreibmitte"
bereits gefunden haben, eröffnet die Diskussion oft neue
Blickwinkel auf ihren Text. Die Idee, dass eine solche Diskussion
am Beginn eines Schriftstellerdaseins eigentlich wichtig wäre,
hat 1997 zur Einrichtung des Klagenfurter Literaturkurses
geführt. Zehn junge Autoren und Autorinnen können
dabei mit drei erfahrenen Kollegen ihre Texte durchleuchten,
werden von diesen aber auch über den Literaturbetrieb
im allgemeinen - seine Chancen und seine Tücken - informiert.
In diesem Jahr wurden von einer eigenen Jury neun junge Literaten
aus Deutschland und der Schweiz eingeladen. Sie berichten
von ihren Erfahrungen nach zwei Tagen
[Infos
zum Literaturkurs.....] |
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Texte werden hier als
Kunstwerke betrachtet |
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Marascha D. Heisig studiert seit
zwei Jahren am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Vom Literaturkurs
in Klagenfurt zeigt sie sich begeistert: "Meine Erwartungen
von diesem Workshop wurden bei weitem übertroffen. Das
Schönste für mich ist, dass Texte hier als Kunstwerke
betrachtet werden, nicht als Handwerkszeug. Gestern habe ich
mit Ferdinand Schmatz und Ilma Rakusa über meinen Text
gesprochen. Beide sind sehr genau auf jeweils verschiedene
Aspekte eingegangen und haben mich ermutigt, an Schwachstellen
zu arbeiten und beim Schreiben ein wenig konsequenter zu sein." |
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Die "blinden Flecken"
im Text |
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Der in Berlin lebende Autor Stephan
Porombka arbeitet schon seit vier Jahren als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für neuere deutsche Literatur
der Humboldt- Universität Berlin.
Zum einen findet er es sehr interessant,
beim Literaturkurs in Klagenfurt neue Leute kennen zu lernen,
zum anderen freut er sich, dass erfahrene Autoren auf die
"blinden Flecken" seines Textes hinweisen: "Unsere
Gruppe (der teilnehmenden Autoren) ist unglaublich freundlich",
erzählt Stephan Porombka, "es gibt absolut kein
Konkurrenzdenken, sondern nur Kollegialität."
Was man an der Veranstaltung verbessern
könnte? "Ich würde mir wünschen, dass
der Workshopcharakter des Kurses ein wenig verstärkt
wird. Außerdem wäre es schön, wenn die Tutoren
gemeinsam mit den Autoren an neuen Projekten arbeiten würden.
Im Moment werden leider nur fertige Produkte bearbeitet." |
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Über den eigenen
Text und dessen Fehler lachen können |
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Friederike Von Koenigswald hat
sich "auf gut Glück" beworben. Sie hätte
sich nie träumen lassen, dass sie wirklich als Literaturkurs-Teilnehmerin
nach Klagenfurt eingeladen wird. "Das Schöne an
der ganzen Sache", lacht die junge Autorin, "ist,
dass wir alle ja nicht gewinnen müssen, wir haben schon
gewonnen.
Wir können herkommen, an unseren
Texten arbeiten, die Situation nützen und damit spielen.
Wichtig ist nur, dass man kritikfähig ist und über
seinen eigenen Text und dessen Fehler lachen kann. Man darf
nicht empfindlich sein." |
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Keine Einbahnstraße
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Seit mehreren Jahren betreuen
Thomas Hettche, Ilma Rakusa und Ferdinand Schmatz die Literaturkursteilnehmer.
Die Gespräche führen manchmal zwar von den Texten
weg, meint Ferdinand Schmatz, das gehöre aber einfach
dazu und ergebe eine weitere Facette für den Blick auf
den jeweiligen Text.
In diesem Jahr finde er ein sehr gutes Textniveau vor. "Sie
sind Gott sei Dank nicht verdorben", meint er lächelnd
auf die Frage, ob denn jene Autoren ,die vom Leipziger Literaturinstitut
kommen, viel weiter in ihrer Schreibentwicklung seien. "Vielleicht
gibt es eine handwerkliche Sicherheit, bei denen die von Leipzig
kommen", fügt er hinzu. Die jungen Autoren seien
heutzutage insgesamt viel nüchterner und selbstsicherer,
was ihre Einschätzung des Literaturbetriebs und ihr Auftreten
bei Lesungen betreffe. Davon wären er und seine Kollegen
in den 70er Jahren weit entfernt gewesen.
Das Konzept des Literaturkurses, das neben dem intimen Gespräch
von Autor und Tutor auch die Öffentlichkeit durch Lesungen
Teilnehmer einbindet, findet er "ziemlich ideal".
Wichtig ist für ihn auch, dass diese Gespräche keine
Einbahnstraße sind , da sich aus den Gesprächen
auch für die Tutoren Anregungen für ihre Arbeit
ergeben. |
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"Kein Häschenkurs,
sondern eine Hasenschule" |
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So lautet Thomas Hettches Urteil
zum Niveau der vorgelegten Texte. Auffallend sei, dass viele
der Teilnehmer schon älter und literarische Quereinsteiger
seien, die schon in andere Berufen gearbeitet haben. Die Textpalette
sei heuer seiner Meinung nach vielfältiger und reiche
von hermetisch und kunstvoll poetischen Texten bis zu klug
und ökonomisch gebauten Kurzgeschichten.
Viele Autoren hätten zwar schon wissenschaftlich publiziert,
stünden jedoch beim literarischen Schreiben am Anfang
und hätten die gleichen Problem wie alle anderen, weil
man sich ja immer erst die Sprache und den Raum für die
Texte erschreiben müsse, so Hettche. Die Entwicklung
der Förderungsmöglichkeiten durch Literaturinstitute
oder Werkstätten bemerkt der Tutor an der Professionalität,
mit der junge Autoren ans Schreiben und an ihrer Kritikfähigkeit.
Schade sei nur, dass durch diese Entwicklungen kaum mehr Chancen
bestünden, das unbekannte Talent zu entdecken. Und auch
das hehre Ideal des Autors habe sich in eine nüchterne
Betrachtung des Schreibens verwandelt. |
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Die Schieflage der Texte
erkennen |
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Auch Ilma Rakusa lobt die beachtliche
Textqualität und die große Variationsbreite der
Themen im heurigen Jahr. "Es gab Jahre", fügt
sie hinzu, "da hatte man den Eindruck, dass die Autoren
nur drastische Stoffe aussuchen. Heuer gibt es neben skurrilen,
bizarren und unheimlichen Texten auch stille, introvertierte
und Prosaminiaturen." Hätte sie nicht gewusst, welche
Teilnehmer am Literaturinstitut in Leipzig studieren, sie
hätte keine auffallenden Unterschiede feststellen können.
In diesem Jahrgang seien viele Akademiker. Wer ein Romanistik-,
Anglistik-, oder Germanistikstudium absolviert habe, besitze
einfach die Fertigkeit, sich über das eigene Schreiben
zu äußern und die Texte zu reflektieren. Das wirke
sich auf die Texte aus. Für Ilma Rakusa ist im intensiven
Gespräch das handwerkliche Arbeiten an den Texten wichtig.
Dabei geht es um den Aufbau der Geschichte, um den Stoff,
um die Authentizität. Im Vordergrund steht für die
Tutorin aber das Arbeiten an den einzelnen Sätzen, am
Wort und der Syntax - also die reine Spracharbeit. Kaum ein
Text sei so souverän und makellos, dass man darüber
nicht reden müsse.
Ilma Rakusa lässt die Autoren auch ihre Texte vorlesen,
denn so werden am besten Schieflagen, falsche Rhythmik und
Melodik der Sätze erkennbar. Schwerpunkte haben die drei
Tutoren nicht abgesprochen, die Konstellation - zwei Männer,
eine Frau - bringe den Kursteilnehmer aber wohl zusätzliche
Blickwinkel auf ihre Texte, sagt Ilma Rakusa. Manchmal wünscht
sie sich mehr Zeit für die einzelnen Gespräche,
aber insgesamt würde sie am Literaturkurs kaum etwas
ändern. Die allgemeine Schlussdiskussion, die fehlte,
haben die Tutoren im vergangenen Jahr eingeführt. Eine
Idee steckt ihr allerdings noch im Kopf : Man könnte
ein Experiment wagen und drei Texte zugleich besprechen. Das
würde dem Ganzen eine andere Dynamik geben.
Redaktion: Dolores Hibler |
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Kontakt:
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