Lukas
Bärfuß las einen Auszug aus einer Novelle. Dieser
Umstand wurde von der Jury heftig diskutiert - ist es möglich
einen Text, den man nicht zur Gänze kennt, fair zu beurteilen?
in Mann fühlt sich eingeklemmt zwischen ihm längst
lästiger Freundin und der pflegebedürftigen Mutter.
Durch die Nachricht vom Tod eines Freundes wird er aus seinem
Trott gerissen.
Kalte Liebe
Pia
Reinacher: Eine kalte Liebe, der Sohn liebt die Mutter für
den Lebensüberdruss. Gegen Schluss wird es mit den Schmeißfliegen
unangenehm. Er protokolliert, was vorgeht, mit einer unheimlichen
Kälte, kann aber die Atmosphäre ziemlich genau beschreiben.
Es gibt aber auch Stellen, an denen der Text enorm klischeehaft
wird. "Mich hat vor allem der Anfang irritiert".
Man sollte in der Literatur nicht sagen, dass eine Frau wundervoll
ist - eine Frau ist immer wundervoll".
Überflüssige Figuren
Dennis Scheck: "Man kann den
Text gegen diese Einwendungen nicht verteidigen." Für
Scheck habe der Text einen falschen Titel, er müsste
heißen, "die tote Mutter". Es gebe überflüssige
Figuren, die er sich nur damit erklären könne, dass
der Text ein Auszug aus einer Novelle sei.
Vorstellungskraft überfordert
Konstanze
Fliedl zeigte große Übereinstimmung, ihr gefalle
der Mutterbefehl, fass die Leiche nicht an und er tut es doch.
Der Text überfordere aber in anderen Punkten ihre Vorstellungskraft.
"Er ist sehr ungenau". Am Anfang sei man in einem
Theater und dann in einem Laden, ohne dass man wisse, wie
man dahin gekommen sei. Es gebe Stellen, die unpräzise
seien, dies ließe sich aber korrigieren, wenn sie eine
Satire werden.
Widmer verteidigt seinen Autor
Thomas Widmer erklärte den
scheinbaren Widerspruch zwischen Laden und Theater. Es handle
sich um einen Buchladen, in dem es auch Lesungen gebe. Widmer
bestätigte das Wort "wundervoll" als Klischee.
Es handle sich um eine witzige, unterschwellige Erzählung
auch über Männlichkeit. Der Held sei eigentlich
ein jämmerlicher Feigling, der am liebsten immer flüchten
würde. Die weiblichen Figuren, Mutter und Danielle sind
starte Frauen. "Er idealisiert sie, kann damit aber nicht
umgehen und flüchtet."
Diskussion um Auszug
Robert
Schindel: "Was wir tun müssen, ist den Text in der
Geschlossenheit nehmen". Vielleicht sei der Auszug unglücklich
gewählt, vermutet Schindel. "Der Text ist so schlampig
geschrieben, von der Sprache her", obwohl er nicht beckmesserisch
sein wolle. Die Sprache sei unpräzise und das wirke sich
auf die Grundstimmung aus. Die Stelle mit der Mutter habe
schon was, wenn man da länger geblieben wäre, hätte
es eine andere Art der Mutter-Sohn-Beziehung werden können,
bedauert Schindel das Versäumnis. Dann zitierte Schindel
Stellen, an denen er Klischees ortete. Die Szene mit der Leiche
und der Fliege sei dann wieder sehr paradox.
Konstanze Fliedl ergänzte,
sie habe ein Unbehagen, wenn man sich einen Text erklären
lassen müsse. Dann hätte man in einem Text nicht
die ganze Information bekommen. "Daraus müssen schiefe
Urteile kommen."
Scheck: Langeweile
Dennis
Scheck zitierte einen Kritiker, der immer Langeweile als Kritikpunkt
anbringe. Dies könne er jetzt verstehen, der Text habe
ihn sehr gelangweilt. Am Ende stürze der Erzähler
zu Boden und der Sarg bleibt über ihm liegen. Wenn eine
solche Szene aber nur aus rhetorischen Marshmellows bestehe,
dann steige er aus. Die Einmaligkeit werde nicht mit der Sprache
aufgefangen.
Pia Reinacher verteidigte den Text
in einer Entgegnung wieder, er sei zwar geschwätzig,
aber der Text sei nicht überall gleich. Sie bemängelte,
dass der Leser zu wenig eigene Schlüsse ziehen könne.
Appell an künftige Bewerber
Robert Schindel schloss, man müsste
in die Literaturlandschaft rufen, dass Ausschnitte so umgeändert
werden müssen, dass die Jury mit ihnen etwas anfangen
könne. Vor allem, wenn der Auszug sprachlich dürftig
sei. Die Jury habe halt nur den Ausschnitt aus einem größeren
Werk. Er richtete den Appell an die zukünftigen Kandidaten,
einen Ausschnitt zu wählen, der in irgendeiner Weise
ein pars pro toto darstelle. Das sei auch innerhalb der Jury
zu diskutieren.
Dennis Scheck wunderte sich.
Das Risiko, mit einem Ausschnitt nach Klagenfurt zu kommen
sei sicher größer als mit einer Erzählung.
Redaktion: Petra Haas, Dolores Hibler
|