26. Tage der deutschsprachigen Literatur

Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Tage der deutschsprachigen Literatur 2002 - die aktuellen Informationen

Pressespiegel

Diskussion nach Lesung von Lukas Bärfuß

Lukas Bärfuß las einen Auszug aus einer Novelle. Dieser Umstand wurde von der Jury heftig diskutiert - ist es möglich einen Text, den man nicht zur Gänze kennt, fair zu beurteilen? in Mann fühlt sich eingeklemmt zwischen ihm längst lästiger Freundin und der pflegebedürftigen Mutter. Durch die Nachricht vom Tod eines Freundes wird er aus seinem Trott gerissen.

Kalte Liebe

Pia Reinacher: Eine kalte Liebe, der Sohn liebt die Mutter für den Lebensüberdruss. Gegen Schluss wird es mit den Schmeißfliegen unangenehm. Er protokolliert, was vorgeht, mit einer unheimlichen Kälte, kann aber die Atmosphäre ziemlich genau beschreiben. Es gibt aber auch Stellen, an denen der Text enorm klischeehaft wird. "Mich hat vor allem der Anfang irritiert". Man sollte in der Literatur nicht sagen, dass eine Frau wundervoll ist - eine Frau ist immer wundervoll".

Überflüssige Figuren

Dennis Scheck: "Man kann den Text gegen diese Einwendungen nicht verteidigen." Für Scheck habe der Text einen falschen Titel, er müsste heißen, "die tote Mutter". Es gebe überflüssige Figuren, die er sich nur damit erklären könne, dass der Text ein Auszug aus einer Novelle sei.

Vorstellungskraft überfordert

Konstanze Fliedl zeigte große Übereinstimmung, ihr gefalle der Mutterbefehl, fass die Leiche nicht an und er tut es doch. Der Text überfordere aber in anderen Punkten ihre Vorstellungskraft. "Er ist sehr ungenau". Am Anfang sei man in einem Theater und dann in einem Laden, ohne dass man wisse, wie man dahin gekommen sei. Es gebe Stellen, die unpräzise seien, dies ließe sich aber korrigieren, wenn sie eine Satire werden.

Widmer verteidigt seinen Autor

Thomas Widmer erklärte den scheinbaren Widerspruch zwischen Laden und Theater. Es handle sich um einen Buchladen, in dem es auch Lesungen gebe. Widmer bestätigte das Wort "wundervoll" als Klischee. Es handle sich um eine witzige, unterschwellige Erzählung auch über Männlichkeit. Der Held sei eigentlich ein jämmerlicher Feigling, der am liebsten immer flüchten würde. Die weiblichen Figuren, Mutter und Danielle sind starte Frauen. "Er idealisiert sie, kann damit aber nicht umgehen und flüchtet."

Diskussion um Auszug

Robert Schindel: "Was wir tun müssen, ist den Text in der Geschlossenheit nehmen". Vielleicht sei der Auszug unglücklich gewählt, vermutet Schindel. "Der Text ist so schlampig geschrieben, von der Sprache her", obwohl er nicht beckmesserisch sein wolle. Die Sprache sei unpräzise und das wirke sich auf die Grundstimmung aus. Die Stelle mit der Mutter habe schon was, wenn man da länger geblieben wäre, hätte es eine andere Art der Mutter-Sohn-Beziehung werden können, bedauert Schindel das Versäumnis. Dann zitierte Schindel Stellen, an denen er Klischees ortete. Die Szene mit der Leiche und der Fliege sei dann wieder sehr paradox.

Konstanze Fliedl ergänzte, sie habe ein Unbehagen, wenn man sich einen Text erklären lassen müsse. Dann hätte man in einem Text nicht die ganze Information bekommen. "Daraus müssen schiefe Urteile kommen."

Scheck: Langeweile

Dennis Scheck zitierte einen Kritiker, der immer Langeweile als Kritikpunkt anbringe. Dies könne er jetzt verstehen, der Text habe ihn sehr gelangweilt. Am Ende stürze der Erzähler zu Boden und der Sarg bleibt über ihm liegen. Wenn eine solche Szene aber nur aus rhetorischen Marshmellows bestehe, dann steige er aus. Die Einmaligkeit werde nicht mit der Sprache aufgefangen.

Pia Reinacher verteidigte den Text in einer Entgegnung wieder, er sei zwar geschwätzig, aber der Text sei nicht überall gleich. Sie bemängelte, dass der Leser zu wenig eigene Schlüsse ziehen könne.

Appell an künftige Bewerber

Robert Schindel schloss, man müsste in die Literaturlandschaft rufen, dass Ausschnitte so umgeändert werden müssen, dass die Jury mit ihnen etwas anfangen könne. Vor allem, wenn der Auszug sprachlich dürftig sei. Die Jury habe halt nur den Ausschnitt aus einem größeren Werk. Er richtete den Appell an die zukünftigen Kandidaten, einen Ausschnitt zu wählen, der in irgendeiner Weise ein pars pro toto darstelle. Das sei auch innerhalb der Jury zu diskutieren.

Dennis Scheck wunderte sich. Das Risiko, mit einem Ausschnitt nach Klagenfurt zu kommen sei sicher größer als mit einer Erzählung.

Redaktion: Petra Haas, Dolores Hibler


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