Beeindruckt durch Schlichtheit
Konstanze
Fliedl gratulierte Bonné zu seiner Geschichte, die
sie sehr beeindruckt habe. Es sei eine Geschichte, die durch
ihre Schlichtheit beeindrucke. Es werde gesagt, wie es ist.
Kein Wort zu viel, eine enorme Sparsamkeit der Sprache. Es
werde von einer Auszeit erzählt, einem Anfall einer Schwester,
auf den sich die Familie einrichtet, als ob es die Normalität
wäre. Dies sei die eine Seite. Es habe etwas dermaßen
Unheimliches und Abgründiges, dass der Erzähler
wartet, dass es beginne, dass sich die Tochter den Zustand
der Tochter ansieht. Die Krankheit werde romantisiert und
es ästhetischer zu finden, als es ist. "Beklemmend,
hoch beunruhigend".
Widmer: Schlichtheit ist harmlos
Thomas
Widmer zeigte sich überhaupt nicht einverstanden. Normal
könne der Anfall nur sein, weil er nicht erzählt
werde. "Ich finde die Schlichtheit entsetzlich harmlos".
Ihm falle der Film "Der Exorzist" ein, in dem auch
eine junge Frau durch ihre Besessenheit Anfälle habe.
Er frage sich, was die idyllischen Wanderszenen sollen.
Dennis Scheck gab Widmer Recht.
Das Unprätentiöse des Textes sei eine Bachmann-Krisen-Vermeidungsstrategie.
Keine
Jenny-Geschichte
Burkhard
Spinnen erklärte: "Sie machen einen grundsätzlichen
Fehler, wenn Sie das für eine Jenny-Geschichte halten.
Das ist eine Rainer-Geschichte". Interessanter als die
verrückte Schwester sei Rainer, der Erzähler. Sie
seien Zwillinge, die innerhalb von einem Jahr eingeschult
werden. Es sei eine Doppelgängergeschichte. Diese Motive
haben bei der Wanderszene dann eine Bedeutung. Bei der Bergszene
erliege man der Raffinesse des Textes, weil sich eine zweite
Geschichte entwickle. Diese zwei radikal verschiedenen Geschichten
erinnere ihn an das Funktionieren von Atombomben. Da gebe
es harmlose Stoffe, die erst in der Verbindung explosiv werden.
Birgit Vanderbeke wollte Spinnen
weiterhelfen. Jeder, der sich mit solchen Krankheiten auskennen,
bestätige, dass sie die ganze Familie betreffen. Jedes
Mitglied habe bei einem Krankheitsschub seine Aufgabe. Das
sei nicht doppelbödig.
Krankengeschichte überdehnt und
langweilig
Pia
Reinacher schloss sich Widmer an. Die Jenny-Geschichte müsste
in sich plausibel wirken, und das tue sie nicht. Sie finde
die Krankengeschichte überdehnt und fast langweilig.
"Der Text bewegt sich auf einer hauchdünnen Schicht,
darunter ist gar nichts."
Schindel: "Raffiniert und von tiefer
Traurigkeit"
Für Robert Schindel ist der
Text ein Billardspiel über eine Bande. Es scheine ein
Text über die Schwester zu sein, es sei aber eine Geschichte
über die Einsamkeit. Der Bruder ist kommunikationsunfähig
außerhalb der Familie. Er fühlt sich erleichtert,
als der Zustand der Schwester wieder eintritt, fühlt
sich gebraucht. Nachdem das Nötigste getan ist, fährt
er in die Berge und erlebt lauter Menschen, die miteinander
kommunizieren. Die Auszeit von Rainer ist die Geschichte eines
lebens- und kommunikationsuntüchtigen Menschen: "fabelhaft
und raffiniert mit einer tiefen Traurigkeit hinter dieser
Erzählung."
Redaktion: Petra Haas, Dolores Hibler
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