26. Tage der deutschsprachigen Literatur

Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Tage der deutschsprachigen Literatur 2002 - die aktuellen Informationen

Pressespiegel

Diskussion nach Lesung von Norbert Zähringer

Ratlosigkeit

Pia Reinacher möchte ihrer Ratlosigkeit Ausdruck geben. "Es ist eine hübsche Geschichte", aber beim Lesen sind ganze Absätze weggesackt. "Die Stelle, wo das Kind vor den Spiegeln steht, finde ich sehr schön".

Thomas Widmer: "Wir haben in der Schweiz ein schönes Wort, "gmögig". So finde ich die Geschichte." Die Paradoxien der deutschen Geschichte sind offenbar immer ein Thema. Wir finden einen Oberst, der einen Ordern bekommt, weil er sein Lebenswerk demontiert habe. Es gibt auch witzige Pointen, die Kaskade der Namen, aber alles gmögig - harmloser Schmunzelstoff. "Manierlich gemacht, aber es hat nicht viel in mir bewegt."

"Eigenartige Sicht der Schweizer"

Scheck: Ich bin verblüfft, die Perspektive der Schweizer Kritiker ist eine Eigenartige. Es ist eine Geschichte, wie sie gewesen hätte sein können und vielleicht sein wird. Wer gibt ihnen die Sicherheit, dass es ein Text über die DDR ist. Kann es sein, dass sie einer Lesart aufsitzen, fragte er.

Thomas Widmer kontert: "Aus Thüringer schließe ich, dass es nicht in der Schweiz spielt..."

Flüchtiger Eindruck der Harmlosigkeit

Konstanze Fliedl: Ich finde die Geschichte schön erzählt. Sie habe den flüchtigen Eindruck einer Harmlosigkeit, sie sei aber dahintergekommen, dass es Falltüren, Tricks und Haken gebe. German verwandelt sich offenbar bei der Szene mit dem Busch. Gut gefallen habe ihr die Korrespondenz zwischen der Verdoppelung des Ich und der Adoleszenzerfahrung, wenn ich die Augen zumache, ist sie verschwunden. "Ich habe noch nicht alle Hintergründigkeiten durchschaut."

Die ganz unglaubliche Erzähllust des Autors fiel Birgit Vanderbeke auf. Das mag sie gerne. Es verführe aber dazu, in den Text Fransen und Gags einzustreuen. Die Namensspielerei sei ihr unklar. Es sei auch nicht ihre Gegenwart. Es gebe einen eigenartigen Germann Gesse, da werde es dann albern. Die Erzähllust würde sie manchmal zügeln.

Deutsche Texte oft bierernst

Burkhard Spinnen: Wenn man sich dem Text nähere, müsse man erkennen, wie eine Textproduktionsmaschine arbeitet. Wie Geschichten an bestimmen Punkten angelegt und zusammengeführt werden. Das sei sehr schön, es sei ein konstruierte Text, dem zu folgen manchmal leichter und manchmal schwerer zu folgen sei. Womit deutsche Literatur kämpfe, sei die Art, mit Komik umzugehen. Das Weltenkonstrukt habe in Deutschland die Tendenz, bierernst zu sein. Dies sei hier nicht der Fall. Der Mut, einen komischen aber nicht unernsthaften Kosmos zu schaffen, möchte er anerkenne.

"Ich komme nicht in den Text hinein"

Robert Schindel: "Ich bin in einem anderen Text, ich komme da nicht hinein". Da gebe es einen gemütlichen Märchenton, zahm geschrieben, ein bisschen banal. Die Funkenspritzer der Prosa überzeugen ihn nicht ganz. Der Text habe etwas Handzahmes. Der Mechanismus des Völkerball mit dem Schuss in den Busch gefalle ihm gar nicht. Es gebe viele sympathische Passagen, daher tue es ihm leid. Vielleicht habe er eine Aversion gegen Märchenton vermutet Schindel. Er bitte daher, seinen Einwand nicht ganz Ernst zu nehmen.

Reinacher stimmt zu: "Es geht mir gleich, ich kann den Text nicht packen". Wenn da Komik drin wäre, müsste es zumindest ein minimales Schmunzeln geben, wo sei da die Komik?

Denis Scheck meinte, das Buch und der Kopf prallen da zusammen. Seiner Meinung nach sei das ein Text über Optik. Es gehe um Sehen, um einen Blick wie ein Periskop in eine Welt, die anders ist als die, die wir kennen. Die Differenzen seien keine Komik, es sei eine Geschichte über Geschichte. Es sei aber keine Deutsche Geschichte sondern ein "Schatz unserer Seele". Darüber, wie es sich in einem Land in ständiger Bedrohung lebt.

Burkhard Spinnen: Das Problem mit der Komik sei immer das, wenn man sie empirisch messen wolle. Man solle sich auf einen Erweiterten Begriff der Komik einigen. Der Text biete keine Entlassungsmöglichkeit aus dieser Situation, das rechne er ihm hoch an. Humor hebe das auf, das erlaube sich der Text nicht. Die Pointen sind andere, als in einem Text, der Komik als Entlastung praktiziere.

Reinacher meint, das Lachen müsste dann aber im Hals stecken bleiben, aber "es steckt nichts".

Birgit Vanderbeke sieht sehr wohl Komik und ist auch lustig. Auf eine etwas kindliche Art lustig. Wenn es sich um das Trümmerfeld der letzten 50 Jahre handeln sollte, dann tue der Autor alles, um es uns nicht merken zu lassen, wendet sie sich an Denis Scheck.

Vielleicht sei ein Schlüssel zu seinem Problem mit dem Text, dass er nicht gut geschrieben sei, vermutet Robert Schindel.

Scheck forderte daher eine genauere Lektüre, denn "mir erscheint das wahnsinnig verblasen, was wir hier machen". Er appelliere, genauer zu lesen.

Redaktion: Petra Haas, Dolores Hibler


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