26. Tage der deutschsprachigen Literatur

Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Tage der deutschsprachigen Literatur 2002 - die aktuellen Informationen

Pressespiegel

Diskussion nach Lesung von Daniel Zahno

Misslungener Vortrag?

Der Vortrag von Daniel Zahno verursachte eine Diskussion in der Jury, ob misslungene Vorträge bewertet werden sollen, oder nicht.

Zahno erzählte in seinem Text "Deauville" die Geschichte eines Mannes, der ruhelos auf Reisen geht, um sich über das Ende seiner Beziehung klar zu werden. Immer wieder stößt er dabei auf Tiere, die ihn an sein gleichzeitig in der Beziehung gefangenseinwollen und seine Furcht vor dem endgültigen Bruch erinnern.

Texte aus dem 19. Jhd.

Kostanze Fliedl begann mit dem Hinweis, dass man nun schon Texte wie aus dem 19. Jahrhundert gehört habe. Hier sind drei Schneeleoparden, die wissen, dass es kein Entkommen gibt, die sind direkte Nachkommen von Rilkes Panther, so Fliedl, auch die drei Hummer stünden für ein solches Bild. Sie fände aber eine selbstverliebte und ästhetizistische Bewegung, die sie nur historisch nennen könne.

Denis Scheck meinte, Daniel Zahno schreibe "wie im Frack", das sei ein Stilmittel. Er versuche mit der Eifersuchtsgeschichte, Ironie zu erzeugen durch dieses Stilmittel. Er sei sich aber nicht sicher, weil er den Ich-Erzähler so sehe, dass dieser aufs Pathos schiele. Das sei reparabel. Die Hummer gefallen ihm im Text, die Schneeleoparden gefallen ihm überhaupt nicht

Vanderbeke stieß sich am Hummerpreis

Vanderbeke: Zu den Hummern merkte sie an, dass die Hummer interessant seien. Man sollte aber besser hinsehen, bevor man schreibt. Der Hummer kostet in Deauville 80 Franc und nicht 300. Die Gummibänder bleiben auch drauf. Die ganze Metaphorik mit dem Greifen fällt platt, wenn man einmal einen Hummer gekauft hat.

Die Wirklichkeit ist nicht absolut

Scheck wandte ein, es gehe aus dem Text hervor, dass die Bänder auch vom Verkäufer abgenommen werden, wenn der Käufer dies verlange. Die Wirklichkeit sie nicht absolut, belehrte er Vanderbeke.

Sie meinte, wenn sie unliterarisch bekannte Abläufe schildere, könne man sich nicht über die Wirklichkeit hinwegsetzen. Man könne ihn nicht willkürlich ändern.

Thomas Widmer weigerte sich, Vanderbeke als Expertin von Hummern zu akzeptieren.

Zu traditionell gebaut

Reinacher meinte, der Text sei zu traditionell gebaut. Dass der Mann mit offenen Augen sterbe, müsse nicht genau stimmen. Sie orte Sensibilität bei den Tierbeschreibungen, aber es sei trotzdem "literarischer Kitsch". Eine Stelle habe sie interessiert, wo das ödipale Dreieck in der Wirklichkeit geschieht. Die Mutter sitzt mit dem Sohn da und der Stiefvater stirbt. Der Held erinnert sich, dass er Rachegedanken hegte.

Zahno kann nicht lesen

Burkhardt Spinnen: Er habe gestern schon auf Nietzsche aufmerksam gemcht, wonach ein Autor seine eigenen Texte nicht sprechen könne. Er finde, Zahno lese wie ein Musiker, der ein selbst geschriebenes Stück nicht spielen könne. Als der Strubbel kam, wurde es unfreiwillig komisch. Das Zentralproblem am Text liege im Vortrag. Zu Zahno: "Sie lesen etwas anderes, als Sie mit den Sätzen auszudrücken versucht haben."

Thomas Widmer hat sich nicht am Vortrag gestört. Dass die Tiere in die falsche Welt geraten sind, sei für ihn der Schüssel. Man sehe den Mann mit einer Hummerschachtel allein über den Strand schlendern, rundherum sind Badegäste des 21. Jahrhunderts. Wegen der Ungleichzeiten müsse man grinsen beim Lesen. Der Strubbel ist ein Mittelstandstier des 20. Jahrhunderts, die zusammenstoßenden Sachen finde er "lustig".

Reinacher finde zu wenig Ironiesignale. Sie müssten stärker gesetzt sein. Widmer sieht dagegen sehr viele Signale.

Spinnen meinte, wenn das Ironiesignale seien, sei der Text vom zweiten Wort an verloren. "Sie können doch nicht mit einem solchen Pathos in der Stimme einen Text lesen, an dem kein Wort mehr Anker ist."

"Wir wollen nicht den Autor beurteilen"

Robert Schindel stimmte Spinnen beim Vortrag vor, aber er wolle nicht den Autor beurteilen. Man müsse vom Vortrag absehen, wenn man den Text vor sich habe. Der Text habe den Reiz, dass große Sprünge im Geschehen immer mit gleicher Geschwindigkeit erzählt werden. Der Text fresse Augenblicke wie Monate in gleicher Weise, darin liege ein gewisser Reiz. Das rette ihn aber nicht, weil er geheimnislos sei. Bei einem Text, der so überfrachtet sei, ebnet der Text solche Abgründe zu. Der Autor erklärt den Text dauernd. Mit Parabeln und ein paar Sprüngen, die dem Leser erlauben, selbst etwas zusammenzusetzen, könnte er gewinnen. Er habe eine lamoyante Stelle, die nicht dazupasse, sei der Selbstmord am Schluss.

Konstanze Fliedl: Für sie zeigt Literatur wirkliche Dinge anders. Wenn die Wirklichkeit zu Bildern gebaut sei, dass sie ein nazistisches Zentrum beleuchten, dann erfahre ich nichts Neues durch den Text.

Literatur zeigt, wie Dinge sein könnten

Denis Scheck konterte, Literatur sei auch dafür da, zu zeigen, wie die Dinge sein könnten. Er erinnerte, dass man nicht den Vortrag beurteilen solle, sonst bewerte man nicht mehr die Texte sondern Personen und Auftritte. Dennoch stütze der Vortrag seine These, denn er habe ihn als ironisch verstanden.

Spinnen sagte, er wolle keine Vorträge beurteilen, aber Texte die man lese, klingen auch im Kopf. Es gebe keine nur gedruckten Texte. "Ich habe hier die Selbstinterpretation eines Textes durch einen Autor, hinzugezogen, um meine eigene Interpretationsleistung abzusichern."

Vanderbeke lektoriert

Vanderbeke ging auf handwerkliche Kleinigkeiten ein. Sie störte sich an einem "aber" in einem Satz. Eine Formulierung nannte sie "entsetzlich ungeschickt".

Redaktion: Petra Haas, Dolores Hibler


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