Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt |
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Berliner Morgenpost | |||
09.07.2002 | |||
"Alle Deutschen sprechen Hochdeutsch" | |||
Ein Grazer in Berlin: Peter Glaser, diesjähriger Bachmann-Preisträger, über die Literatur, sein Land und die Leute. Peter Glaser hat mit der «Geschichte von Nichts» den mit 21 800 Euro dotierten Bachmann-Preis 2002 gewonnen. Der 45-Jährige, in Graz geboren, lebt seit zwei Jahren in Berlin. Glaser veröffentlichte 1983 den Roman «Der große Hirnriss», außerdem Kurzgeschichten und Essays. Beim diesjährigen Bachmann-Wettbewerb wurde den Autoren Mittelmäßigkeit bescheinigt. Wie sehen Sie das? Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nur wenige Texte mitbekommen habe. Ich werde sie nachlesen. Die meisten Autoren waren vor dem Lesen nicht zur Außenwahrnehmung fähig. Bei mir ging das so weit, dass ich nicht richtig mitbekam, was die Jury zu meinem Text sagte. Zu den Inhalten. Haben Sie das Gefühl, dass die Familie als Thema wieder mehr an Bedeutung gewinnt? Meiner Ansicht nach ist Literatur eine Sache von hochgradigen Individuen. Deshalb ist es problematisch, Trends nachzuspüren. Wenn Literatur gut sein will, kommt sie immer auf einen dramatischen Punkt, zu dem das Sterben, die Liebe und Leidenschaft gehören. In Ihrer «Geschichte von Nichts» führen die Schauplätze von Ägypten über Bosnien bis Hamburg. Der 11. September und Liebe kommen auch vor. Was beabsichtigen Sie? Ich habe bewusst eine abgeschlossene Geschichte geschrieben. In den vergangenen 20 bis 25 Jahren hat die Literatur die Welt in Zitate und kleine Stücke zerlegt und immer mehr Entgrenzungen vorgenommen. Es ist wieder an der Zeit, die Welt zusammenzusetzen. Jeder Satz hat seine Funktion; wenn Sie einen rausnehmen, fällt an anderer Stelle ein Teil vom Kartenhaus ein. Inhaltlich ging es mir um eine Reise, das Suchen und Finden. Wird daraus noch ein Roman? Ja, und vieles wird vorkommen in meinem Roman, an dem ich schon lange arbeite und der in ein, zwei Jahren fertig sein soll. Computer spielen in vielen Ihrer Texte eine Rolle. Man nannte Sie auch mal «Poetronic». Anfang der achtziger Jahre habe ich bei meinen Lesungen einen Computer mit auf die Bühne geschleppt und später bin ich gar nicht mehr erschienen, sondern habe den Computer entsprechend programmiert. Daraus wurde der «Poetronic». Mich interessiert, wie es kommen kann, dass Menschen 30, 40 Stunden vor solchen Geräten verplempern. Diese Besessenheit und Inbrunst kennt man sonst von religiösen oder sexuellen Entgleisungen. Wie kommt ein Grazer nach Berlin? Als Großstadtromantiker bin ich immer in die nächstgrößere Stadt gezogen. 1979 nach Düsseldorf, 1983 nach Hamburg und seit zwei Jahren lebe ich in Berlin. Es gibt für die meisten Österreicher in Deutschland, die ich kenne, nur zwei Städte, in denen sie sich wohl fühlen: Hamburg und Berlin. Hat sich der Charakter ihrer Sprache durch den Länderwechsel verändert? Beim Schreiben nicht. Für einen österreichischen Autor ist es aber traumhaft, dass alle Deutschen Hochdeutsch sprechen. Ich habe wirklich das Gefühl, «oh mein Gott, jeder auf der Straße spricht in ganzen deutschen Sätzen», während die Österreicher leicht musikalisch etwas vor sich hin nuscheln. Worin unterscheiden sich österreichische und deutsche Literatur? Als ich in Düsseldorf war, sagte man mir immer: «Sie sprechen so schön Süddeutsch.» Da wurde mir erst klar, dass unsere Art zu sprechen hier affirmiert wird. Offensichtlich gibt es so etwas Ähnliches auch in der Literatur. Ihr Heimatort wird im kommenden Jahr Kulturhauptstadt. Was hat Graz zu bieten? Im Moment wird alles umgebaut. Bis auf die Altstadt ist Graz komplett verschwunden und wird als Kulturhauptstadt neu errichtet. Das ist bizarr. Graz hat eine Jazzakademie von Weltrang, den Steirischen Herbst, hatte die berühmte Autorenversammlung, zu der Friederike Mayröcker und Peter Handke gehörten. Weil die Generation vor uns so erfolgreich war und Österreich so klein ist, haben viele Autoren meiner Generation das Land verlassen. Da war einfach alles besetzt. |
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Von Bettina Göcmener |
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