Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Die Welt
25.05.2002
Literatur und Leder

 

Von Elmar Krekeler

Es ist nicht einfach nur ein Spiel. Viel hätte zum Beispiel nicht gefehlt und zwischen einem ernsthaften österreichischen Literaturkritiker und mehreren ernsthaften deutschen Literaturkritikern wäre es vor einer Großbildleinwand auf dem Klagenfurter Marktplatz zu Handgreiflichkeiten gekommen. Deutschland hatte in einem eher schrecklichen Spiel ziemlich knapp gegen den Iran gewonnen. Die zum Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis angereiste Hochmischpoke des deutschsprachigen Literaturbetriebs, die gerade wieder einmal auf dem Feld der Ehre gegen Kicker vom ORF verloren hatten, musste bei Bier und Brezel dem mühevollen Sieg beiwohnen. Anschließend kochte die Häme hoch. Die Fetzen flogen.

Fußball ist ein ernstes Geschäft. Weil es - das macht seine Faszination für Literaten aller Herren Länder aus, von der diese Ausgabe der "Literarischen Welt" geprägt ist - eben nicht bloß nur ein Spiel ist. Es ist ein Menetekel. Im deutschen Fußball und seinen Krisen spiegelte und spiegelt sich die deutsche Gegenwart, ließ und lässt sich die deutsche Geschichte vorausahnen. Ein paar Beispiele? Kennt man alle schon. Trotzdem: Lange vor dem eigentlichen Wirtschaftswunder war Deutschland dank Fritz Walter und Co. wieder wer. Ein Jahr nach dem Fall der Mauer wurde die erste gesamt-, aber komplett unostdeutsche Nachkriegsnationalmannschaft Weltmeister. Eine Scheinblüte. Denn die deutsche Krise, sie wurde anschließend von der Elitecombo der Kicker um Jahre vorgelebt. Wenn sie jetzt wider aller Erwarten tatsächlich glorreich zurückkehren aus Japan und Südkorea wissen wir, dass der Kanzler doch recht hat: Die Talsohle ist durchschritten.

Das Endspiel des Jahrgangs 2002 wird übrigens angepfiffen, kaum dass der Klagenfurter Bachmann-Preisträger seine Blumen in die Hand gedrückt gekommen hat. Egal, wer am Ende um den Cup spielt, eines steht schon fest: Es wird eine kurze Feier werden. Wer nicht baden geht im Wörthersee, nimmt spornstreichs die letzten Manuskripte untern Arm und spurtet vor den nächsten Fernseher. Hoffentlich bleibt alles friedlich.

 


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