Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt |
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Die Welt | |||
13.07.2002 | |||
Macht mehr aus Literatur | |||
Von Elmar Krekeler Ein Mann, ein Buch, ein Stuhl, ein Tisch, ein Glas Wasser. Der Mann hat Überbiss. Er liest aus seinem Buch. Krawehl, liest er, und feine Tröpfchen fliegen dabei durch die Luft, krawehl. Der Mann ist Lyriker. Und Loriot hat ihn erfunden. Das heißt: Eigentlich hat er ihn nicht erfunden, er hat ihn konzentriert und jene klassischen Buch-Stuhl-Tisch-und-Wasserglas-Lesungen gleich mit. Die sind - auch wenn Loriots Sketch vom krawehlenden Experimental-Lyriker schon fast Jahrzehnte alt ist - immer noch die handelsübliche Version der Buchpräsentation. Gerade vergangene Woche konnte im Fernsehen wieder dem Hochfest der Buch-Stuhl-Tisch-und-Wasserglas-Kultur beigewohnt werden, dem bemerkenswert reformresistenten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Für Experimental-Lyriker und den klassischen Klagenfurt-Texter mag eine derart extrem durchritualisierte Form der Literaturvermittlung angebracht sein. Außerhalb der für Literatur ansprechbaren Zielgruppe lässt sich damit allerdings kaum jemand hinter dem Ofen hervor und zum Buchkaufen locken. Das wird wohl allerdings nötig sein. Denn von den einigermaßen beruhigenden Zahlen der Jahreswirtschaftsberichts 2001, die der Börsenverein gerade vorgestellt hat, lässt sich kein klar Denkender täuschen. Die Bilanz 2002 wird eine Katastrophe. Und Besserung ist nicht in Sicht. Denn nach den PISA-Ergebnissen ist es ziemlich wahrscheinlich, dass der für Belletristik mobilisierbare Anteil der Gesamtbevölkerung (um die zehn Prozent) in Zukunft stark schrumpft. Diese Entwicklung ist mit bloßen Jeremiaden nicht zu verhindern und einseitigen Schuldzuweisungen schon gar nicht. Denn die Krise ist ja gerade nicht nur eine hausgemachte der Verlage. An ihren Zahlen wird die Krankheit eben bloß sichtbar. Bekämpft werden muss sie auf allen Vermittlungsebenen, in den Familien, in den Buchhandlungen, in den Feuilletons, in den Fernsehsendern. Vielleicht wird am Ende sogar noch aus Klagenfurt ein Fernsehereignis. Wunder geschehen! |
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