Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt |
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Die Welt | |||
31.07.2002 | |||
Verkauft das Poetenfest doch einfach nach Zürich! | |||
Aus Mangel an Alternativen: Warum Erlangen sein wichtiges Autoren-Festival nicht zu Tode sparen darf Was muss ich hören? - Das diesjährige Poetenfest in Erlangen findet möglicherweise nicht statt; eine zuständige Kommission entscheidet in diesen Tagen darüber, ob man die Kosten dafür einsparen solle. Aha! Dafür habe ich natürlich großes Verständnis. Die Haushaltslage der allermeisten deutschen Städte ist katastrophal. Um es moderat auszudrücken. Und da Ausgaben für die Kultur als freiwillig gelten, stehen sie nun einmal obenan, wenn es ans notwendige Sparen geht. Da müssen dann eben Opfer gebracht werden. Zum Beispiel das Poetenfest. Ich selbst war dort dreimal eingeladen. Zum ersten Mal 1991, ein paar Monate nach dem Erscheinen meines ersten Buches "Dicker Mann im Meer". Das Wetter war ausgezeichnet, und alle Lesungen fanden im Freien statt. Innerhalb von drei Tagen lernte ich die halbe deutsche Literaturszene kennen. Ich las vor Hunderten von Leuten, die sich ohne alles Getue interessierten. Die Organisation war unspürbar, also perfekt. Toll, dachte ich, so geht das also, Literatur. So sieht das aus, so fühlt sich das an. Gott, war ich glücklich! Und jetzt, vorbei? Nun, nichts dauert ewig. Beständig ist bekanntlich nur der Wandel - zum Schlechten. Nein, das war ein dummer Kalauer, Herr Kämmerer, hören Sie nicht hin und handeln Sie sachgerecht und im Interesse des Steuerzahlers! Doof nur, dass ich jetzt der sympathischen Frau H. aus Zürich vielleicht nicht mehr empfehlen kann, dieses Jahr nach Erlangen zum Poetenfest zu fahren. Frau H. leitet eine Kulturmarketing-Agentur in Zürich. Wir hatten uns am Bodensee kennen gelernt, und just vor ein paar Tagen schrieb sie mir. Sie wolle nämlich in Zürich demnächst eine größere Literaturveranstaltung initiieren und organisieren, und da solle ich ihr doch bitte einmal sagen, was ich dabei für besonders wichtig halte, was ich gut finde und was ich unbedingt vermieden wissen wolle. Auf eine solche Anfrage warte ich seit Jahren! Ich begann sofort, aus meinem reichhaltigen Schatz an Erfahrungen bei Lesungen und Festivals eine Liste mit Positiv-Kriterien und Imponderabilien zusammenzustellen, die Liste wurde lang und länger - da kam mir der glänzende Einfall, Frau H. ganz knapp und schnörkellos zu raten, sie solle Ende August nach Erlangen fahren und sich dort gründlich umsehen. Denn in Erlangen könnte sie ja selbst sehen, wie es ist, wenn es gut gemacht ist. Das Poetenfest ist eine wunderbare Mischung aus Kompetenz und Laissez faire. Gut platziert zwischen Bachmann-Preis und Buchmesse, sortiert es die Namen und Titel des kommenden Bücherherbstes. Im Erlanger Schlossgarten und im heimeligen Theater finden die sommerlich entspannten Probeläufe der Novitäten statt. Was sich später spitz besprochen und einrangiert in Bestenlisten findet, wird hier dankbar mit Applaus begrüßt. Das Poetenfest wird von belesenen und erfahrenen Leuten mit Sorgfalt inszeniert; doch der Geniestreich besteht darin, eine Atmosphäre entstehen zu lassen, die glauben macht, es gebe eigentlich nur Schreibende und Lesende und zwischen ihnen nur ein paar Meter Rasen. Fahren Sie!, Frau H. aus Zürich, hatte ich deshalb schreiben wollen, fahren Sie nach Erlangen, schauen Sie, hören Sie! - und wenn Sie dergleichen in Zürich auf die Beine stellen können, dann gebührt Ihnen der Dank der Literaturgemeinde. Doch jetzt meldet mir die Deutsche Presse-Agentur, dass der Oberbürgermeister von Erlangen gerechterweise das Poetenfest nicht anders als alle anderen potentiellen Sparpositionen behandelt wissen will. Was also schreibe ich Frau H.? Das heißt: im Falle des Falles. Meine lange Liste mit den Kriterien und Imponderabilien mag ich, da der Kämmerer von Erlangen nur seine Pflicht im Sinn hat, nicht mehr hervor holen. Nein, jetzt sind andere Lösungen gefragt. Und eine drängt sich mir unwillkürlich auf: Könnte man nicht Drei auf einen Schlag glücklich machen, den Erlanger Sparkommissar, die Frau H. aus Zürich und die deutsche Literatur? Wie das? Ganz einfach: Indem die malerische Stadt Erlangen ihr möglicherweise unerschwingliches Poetenfest an die nicht minder malerische Stadt Zürich verkauft! Verkauft mitsamt den erfahrenen Organisatoren, den kompetenten Intendanten und Moderatoren und den wunderbaren Autoren. Welch glückliche Fügung! Erlangen müsste keine Cent mehr bezahlen und erhielte im Gegenteil noch eine kräftige Ablösesumme in sein Stadtsäckel, während Zürich sich ad hoc mit einem Top-Event der deutschen Kultur verstärken würde. Statt Schlosspark dann vielleicht Seeterrasse, das ist auch hübsch, Berge sieht man immer gern, und die Zürcher Gastfreundschaft wird es leicht mit der Erlanger aufnehmen. Wein wird dort auch getrunken. Gott, bin ich jetzt froh, dass alles gut ausgehen wird! Selbstverständlich werde ich gerne als ehrlicher Makler fungieren, gemessen an den Tantiemen des Herrn Hunzinger wird meine Provision bescheiden ausfallen. Und wahrscheinlich werde ich sie spenden. Allerdings nicht für Erlanger Belange. Der Schriftsteller Burkhard Spinnen wurde 1956 in Mönchengladbach geboren und lebt in Münster. Zuletzt erschien von ihm der Roman "Belgische Riesen" (Schöffling). |
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Von Burkhard Spinnen |
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