Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Frankenpost
31.07.2002

Sozialmanierismus

Zusammen mit dem Schriftsteller Thomas Kapielski ist kürzlich das ,,Acoustic Blues Duo'' aus Marktleuthen in Bamberg aufgetreten.

Gemeinsam haben der eine und die beiden eigentlich nicht viel, außer dass sie sich mögen und eher der Gegen- als der Hochkultur zuzurechnen sind, und der Kneipenkultur auch, was für den klassischen Blues, den Harald Goldhahn und Annie Sauerwein pflegen, geradezu eine Verpflichtung ist und für Kapielski, den Autor, so scheint es, die Grundlage seines Lebensgefühls. Seinem neuen Buch hat er den seltsamen Titel ,,Sozialmanierismus'' gegeben, den man so interpretieren könnte, dass es um unnatürliche gesellschaftliche Verhältnisse geht. Aber lustig: Denn Kapielski, ein Wortspieler und Querdenker, geht valentinesk zu Werke; womit er sich auch beschäftigt, es fällt ihm was auf und ein, was uns selber nie auf- und einfallen würde. Als er in Bamberg las, amüsierte sich das Publikum so, wie das bei Lesungen selten geschieht. Der Mann und seine Prosa sind Kult, wie man heute zu sagen pflegt. Familienvater ist Kapielski auch, was sich in seinem Buch ausgiebig niederschlägt - ,,Schnulzenputzi'' nennt er den Sohn. Überdies ist er Professor, in Braunschweig, für Kunst. Seine Bemerkungen zu dieser Profession sind für mich - neben dem Kapitel ,,Baden-Baden'', in dem er von seiner Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Literaturwettbewerb des Jahres 1999 berichtet - das besonders Lesenswerte im ,,Sozialmanierismus''. Kapielski nämlich macht sich lustig über die ,,rätselhaften Sachen'', die im Kunstbetrieb auf uns kommen und ,,verdammt noch mal eine tüchtige Ausdeutung brauchen'', wie sie zum Beispiel die Zeitschrift Kunstforum besorgt; die ,,kleistert und plempert einem die kunstbezüglichen Hirnlappen dicht, das über alle Ufer tretende Schriftgelehrtengelaber mit den tausend emsigen Fußnotenfüßchen..., ein verschlissener Schlaudreck''. Wie wahr. Und wahr ist auch der folgende hinterlistige Aphorismus: ,,Gute Kunst setzt sich durch, weil man gut nennt, was sich durchsetzt.'' (Merve Verlag, 429 Seiten, 20 Euro.)

VON RALF SZIEGOLEIT


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