Erstmals seit 1995 hat sich im Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis
wieder ein Autor aus Österreich durchgesetzt. Spannend wurde die Preisvergabe
durch die gleichmäßige Verteilung der Sympathien der Jury: Erst
nach zwei Stichwahlen standen die Sieger fest. Der in Graz geborene Schriftsteller
Peter Glaser setzte sich gegen die als Favoritin gehandelte deutsche Autorin
Anette Pehnt durch. Pehnt erhielt den Preis der Jury, der Ernst-Willner-Preis
der Verlage ging an Mirko Bonné.
Jury stellte sich bisweilen selbst in Frage
Damit wurden jene Teilnehmer ausgezeichnet, deren Texte in der Jury spontan
auf großes Lob gestoßen waren. Die Lesungen hatten in diesem
Jahr wenig Kontroversen und kaum literarische Grundsatzdebatten ausgelöst.
Oft herrschte unter den Juroren Ratlosigkeit und Unverständnis über
die ausgewählten Texte, was einmal mehr die Auswahlkriterien und die
Jury selbst in die Kritik rückte. Preisträger Glaser hatte die
sieben Juroren mit seiner "Geschichte über das Nichts" fast
ausnahmslos überzeugt.
Liebesgeschichte, die den "Abschied von den 90er Jahren" thematisiert
Glaser verknüpft in den beiden Teilen "Süden" und
"Norden" eine Liebesbegegnung mit einer Reise, die den Ich-Erzähler
über den Mittelmeerraum nach Norddeutschland führt. Die Jury
sah in dem Text eine "Geschichte über die Leerzeichen der Liebe",
verbunden mit einer "Parodie auf Globales" und einen "Abschied
von den 90er Jahren". Begeistert zeigte sich die Jury von der Sprache
und der panoptischen Struktur der Erzählung, die das heutige Bewusstsein
in seiner Zersplitterung abbilde, politische Aktualität auf angemessene
Weise einfüge und in "sensationelle Bilder" fasse.
Romananfang lässt die Jury auf mehr hoffen
Den Preis der Jury erhielt Anette Pehnt für den Beginn ihres Romans
"Ich muss los" unter dem Titel "Insel Vierunddreißig".
Die Autorin erzähle "mit großer Klugheit und Klarheit"
die Geschichte des Erwachsenwerdens und einer Obsession, urteilte die
Jury. Ihr gelinge eine Verbindung von "sprachlicher Schlichtheit
mit großem Humor": Der Romanbeginn sei "ein Versprechen".
Zwei preiswürdige Krankheitsgeschichten
An Mirko Bonnés Text "Auszeit", der den Ernst-Willner-Preis
der Verlage erhielt, gefiel die "raffinierte Konstruktion".
Die in lakonischer Sprache gehaltene doppelbödige Familiengeschichte
um die Krankheit einer Schwester werde "raffiniert über die
Bande" spielend entwickelt. Sie verberge unter der harmlos scheinenden
Oberfläche tiefe Traurigkeit und eine große Bedrohung. Mit
Raphael Urweiders Text "Steine", der nach Stichwahl mit dem
3Sat-Preis ausgezeichnet wurde, würdigte die Jury eine Geschichte,
die in metaphorisch-lyrischer Sprache ebenfalls die Bedrohung einer Krankheit
aufgreift.
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