"Hippie war für uns dieses: ,Ich lasse
mir alles offen.' Das haben wir als die definitiv negative Eigenschaft
angesehen. Wir haben gesagt: ,Wir entscheiden uns, wir wollen klare Linien,
wir ziehen uns Anzüge an, schneiden uns die Haare kurz und machen
Geschäfte."
So schildert Peter Glaser die Pop-Ideologie, die ihn aus Graz, dem "Adlerhorst
der österreichischen Literatur", in einen Düsseldorfer
Keller zog, in "Verschwende deine Jugend", einem unlängst
bei Suhrkamp erschienen "Doku-Roman über den deutschen Punk
und New Wave". Als er dann merkte, "daß ich kein Musiker
werde" ("Ich fand einen Ton toller als den anderen"), beschloß
er, Schriftsteller zu werden - "was ja alles andere als hip war".
"Schönheit in Waffen"
Glasers "Stories"-Sammlung "Schönheit in Waffen",
1985 erschienen, ist ein liebevolles Dokument der Aufbruchstimmung dieser
Zeit. "Es war das Jahr, in dem Tausende von jungen Männern sich
zu Weihnachten einen MS-20-Synthesizer wünschten", begann er
"Ruchwärts", einen Bericht über eine Reise ins "wilde
Land" Polen: "Fast stündlich formierten sich neue Gruppen
und taten sich sechs Wochen später mit ihren ersten Produktionen
hervor. Jeder kann es, hieß der Ruf."
"Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran", schrieb
Peter Hein, Sänger der Bands "Mittagspause" und "Fehlfarben",
mit Glaser damals in Düsseldorf befreundet. Punk war jung, damals,
und doch drängten die Protagonisten jener Musik, die später,
zur Zeit ihres Verfalls, "Neue Deutsche Welle" (NDW) genannt
wurde, danach, ihn mit einer feinen Mischung aus Ernst und Ironie zu überhöhen.
"Punk war für mich immer feine Ironie", meint Glaser, noch
immer fasziniert von der affirmativen Kraft der NDW: "Wir sagten:
Beton ist schön. Großstadt ist schön. Wirklichkeit ist
schön. Etwas zu sehen ist schön." Daß darin immer
auch das Gegenteil steckte - klar hörbar etwa in "Maschinenland"
der Hamburger Band "Abwärts" - machte diese Art des Pop,
der sich niemals "Rock" nennen wollte, so subtil.
"Zurück ins Büro"
NDW war wohl die letzte Popströmung, die - wenige Jahre vor der
die Produktionsprozesse beschleunigenden Umstellung auf CD - nicht gleich
von der Industrie übernommen wurde. Die Verweigerung, auch des Handwerks
- man bestand darauf, einfach nicht wissen zu wollen, wie man eine Gitarre
stimmt - war zu unverblümt.
Abgesehen von der Formation DAF ("Deutsch-amerikanische Freundschaft"),
die mit dem genialen Song "Kebabträume" begann und dann
ihr Spiel mit totalitärer Ästhetik, auch zum Mißfallen
einiger Kollegen, auf die Spitze trieb, war keiner frühen NDW-Band
großer Erfolg beschieden. (Der Naivitätskult von Ideal, Nena,
Markus etc. hatte mit der "Computerwelt" von Mittagspause, Abwärts,
Fehlfarben etc. wenig zu tun.) Allerdings: "Monarchie und Alltag"
von Fehlfarben gilt bis heute als Klassiker.
"Zurück ins Büro": Mit diesem Satz verließ Mastermind
Peter Hein 1981 seine Fehlfarben, um ganztags bei Rank Xerox zu arbeiten,
wo er heute noch ist. Peter Glaser blieb dem, was man damals "Zeitgeist"
nannte, als "Flaneur rapide", treu, lenkte seine Begeisterung
für Maschinen auf Computer um, gründete den "Chaos Computer
Club", hielt multimediale Lesungen. Sein erster Roman "Der große
Hirnriß" feierte das metropolitane Lebensgefühl - wie
einst die NDW-Bands, nur ein bißchen epischer.
"Mein Ideal von einem Text ist ein Song - ein Intro, das einen sinnlich
in die Thematik reinzieht", sagte er einmal: ein Pop-Poet im besten
Sinn, der schon als "Veteran" abgefeiert worden ist, bevor er
nun mit dem Bachmann-Preis geehrt wurde. Auch in "Verschwende deine
Jugend" schildert der durch eine Kinderlähmung auf den Rollstuhl
angewiesene, heute 45jährige Peter Glaser seinen Schriftsteller-Traum:
"Im Grunde hatte ein romantisches Bild mein Leben bereits vorbestimmt.
Ich hatte immer die Vorstellung von einem Balkon und einer alten Villa,
wo ich sitze und über die Stadt blicke, mit einem Glas Wein und einer
Schreibmaschine." Immerhin: Das klingt nicht ganz nach den urbanen
Manifesten, nach der Fußgängerzonenromantik der Neuen Deutschen
Welle. Aber Ironie ist überall.
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