Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Die Presse
01.07.2002
"Beton ist schön. Großstadt ist schön."

"Hippie war für uns dieses: ,Ich lasse mir alles offen.' Das haben wir als die definitiv negative Eigenschaft angesehen. Wir haben gesagt: ,Wir entscheiden uns, wir wollen klare Linien, wir ziehen uns Anzüge an, schneiden uns die Haare kurz und machen Geschäfte."


So schildert Peter Glaser die Pop-Ideologie, die ihn aus Graz, dem "Adlerhorst der österreichischen Literatur", in einen Düsseldorfer Keller zog, in "Verschwende deine Jugend", einem unlängst bei Suhrkamp erschienen "Doku-Roman über den deutschen Punk und New Wave". Als er dann merkte, "daß ich kein Musiker werde" ("Ich fand einen Ton toller als den anderen"), beschloß er, Schriftsteller zu werden - "was ja alles andere als hip war".


"Schönheit in Waffen"

Glasers "Stories"-Sammlung "Schönheit in Waffen", 1985 erschienen, ist ein liebevolles Dokument der Aufbruchstimmung dieser Zeit. "Es war das Jahr, in dem Tausende von jungen Männern sich zu Weihnachten einen MS-20-Synthesizer wünschten", begann er "Ruchwärts", einen Bericht über eine Reise ins "wilde Land" Polen: "Fast stündlich formierten sich neue Gruppen und taten sich sechs Wochen später mit ihren ersten Produktionen hervor. Jeder kann es, hieß der Ruf."


"Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran", schrieb Peter Hein, Sänger der Bands "Mittagspause" und "Fehlfarben", mit Glaser damals in Düsseldorf befreundet. Punk war jung, damals, und doch drängten die Protagonisten jener Musik, die später, zur Zeit ihres Verfalls, "Neue Deutsche Welle" (NDW) genannt wurde, danach, ihn mit einer feinen Mischung aus Ernst und Ironie zu überhöhen. "Punk war für mich immer feine Ironie", meint Glaser, noch immer fasziniert von der affirmativen Kraft der NDW: "Wir sagten: Beton ist schön. Großstadt ist schön. Wirklichkeit ist schön. Etwas zu sehen ist schön." Daß darin immer auch das Gegenteil steckte - klar hörbar etwa in "Maschinenland" der Hamburger Band "Abwärts" - machte diese Art des Pop, der sich niemals "Rock" nennen wollte, so subtil.


"Zurück ins Büro"

NDW war wohl die letzte Popströmung, die - wenige Jahre vor der die Produktionsprozesse beschleunigenden Umstellung auf CD - nicht gleich von der Industrie übernommen wurde. Die Verweigerung, auch des Handwerks - man bestand darauf, einfach nicht wissen zu wollen, wie man eine Gitarre stimmt - war zu unverblümt.


Abgesehen von der Formation DAF ("Deutsch-amerikanische Freundschaft"), die mit dem genialen Song "Kebabträume" begann und dann ihr Spiel mit totalitärer Ästhetik, auch zum Mißfallen einiger Kollegen, auf die Spitze trieb, war keiner frühen NDW-Band großer Erfolg beschieden. (Der Naivitätskult von Ideal, Nena, Markus etc. hatte mit der "Computerwelt" von Mittagspause, Abwärts, Fehlfarben etc. wenig zu tun.) Allerdings: "Monarchie und Alltag" von Fehlfarben gilt bis heute als Klassiker.


"Zurück ins Büro": Mit diesem Satz verließ Mastermind Peter Hein 1981 seine Fehlfarben, um ganztags bei Rank Xerox zu arbeiten, wo er heute noch ist. Peter Glaser blieb dem, was man damals "Zeitgeist" nannte, als "Flaneur rapide", treu, lenkte seine Begeisterung für Maschinen auf Computer um, gründete den "Chaos Computer Club", hielt multimediale Lesungen. Sein erster Roman "Der große Hirnriß" feierte das metropolitane Lebensgefühl - wie einst die NDW-Bands, nur ein bißchen epischer.


"Mein Ideal von einem Text ist ein Song - ein Intro, das einen sinnlich in die Thematik reinzieht", sagte er einmal: ein Pop-Poet im besten Sinn, der schon als "Veteran" abgefeiert worden ist, bevor er nun mit dem Bachmann-Preis geehrt wurde. Auch in "Verschwende deine Jugend" schildert der durch eine Kinderlähmung auf den Rollstuhl angewiesene, heute 45jährige Peter Glaser seinen Schriftsteller-Traum: "Im Grunde hatte ein romantisches Bild mein Leben bereits vorbestimmt. Ich hatte immer die Vorstellung von einem Balkon und einer alten Villa, wo ich sitze und über die Stadt blicke, mit einem Glas Wein und einer Schreibmaschine." Immerhin: Das klingt nicht ganz nach den urbanen Manifesten, nach der Fußgängerzonenromantik der Neuen Deutschen Welle. Aber Ironie ist überall.

 


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