Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt |
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Neue Kärntner Tageszeitung | |||
28.06.2002 | |||
Würden wir das alles auch freiwillig lesen? | |||
Eher glanzlos begannen gestern Vormittag die Lesungen der "Tage der deutschsprachigen Literatur". Auch bei den Jury-Diskussionen kamen keine literarischen Leidenschaften zum Durchbruch. Was ist das Einzige, das Literatur niemals, unter keinen Umständen, darf? Den Leser langweilen, das heißt, ihn um das Wertvollste zu bringen, das er besitzt, nämlich Lebenszeit. Das Gesetz hat auf jedem Niveau strikteste Gültigkeit, ohne Ausnahme: Donald Duck ist nicht langweilig und Homers Odyssee auch nicht. Wie also wäre es, zöge man den Faktor Spannung beziehungsweise Fadesse heran, um einen Text zu beurteilen, etwa bei den Jury-Diskussionen zum Ingeborg-Bachmann-Preis? Wenn man sich als Juror die Frage stellte: Würdest du das Textfragment das du da vor dir hast, auch freiwillig weiterlesen wollen? Wendet sich dieses Textfragment, an einen Leser - oder ist es unter Umgehung desselben gleich an ein germanistisches Seminar gerichtet? Oder, konkreter, wendet es sich zielstrebig an die Bachmann-Jury? Fragen, welche sich im Verlaufe des ersten Lesevormittags im ORF-Theater nicht verscheuchen lassen. Da ist einmal der Text "Schnitte" von Jörg Matheis: Ein Monument an Artigkeit, wie geschaffen für eine "fachgerechte" Analyse nach allen Regeln der Germanistenzunft. "Wie am Reißbrett gemacht", sagte Jurorin Konstanze Fliedl. "Am Reißbrett entworfen", bestätigte Pia Reinacher, Birgit Vanderbeke sprach von "Spannungslosigkeit" und "das bringt mir keinen Erkenntnisgewinn". Nur beinahe schaurig Dass man Bäume ja nicht umschneiden soll, wenn der Besitzer kränkelt,
ist alter Volksglaube. Nina Jäckle hatte eine (leider nur) beinahe
schaurige Geschichte daraus gemacht, der Robert Schindel konzidierte,
sie sei "ausgezeichnet"; bis auf eine "gewisse Putzigkeit".
Eben nur "beinahe" schaurig auch "Steinzeit" von Markus
Ramseier um einen im Mutterleib versteinerten Fötus. Streckenweise
eher spannend (und schaurig) Heinz D. Heisls Romanfragment. Aber Hand
aufs Herz: ob wir das alles wirklich freiwillig lesen wollten? |
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