Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Oberösterreichische Nachrichten
01.07.2002
Sich 21.800 Euro zum Geburtstag erlesen

"Ein schöneres Geburtstagsgeschenk als den Bachmann-Preis kann man sich nicht wünschen." Mit diesen Worten gratulierte Moderator Ernst A. Grandits dem frisch gebackenen Träger des mit 21.800 Euro dotierten Ingeborg Bachmann-Preises, Peter Glaser, am Sonntag im ORF-Theater in Klagenfurt. An seinem 45. Geburtstag durfte der in Graz geborene und in Berlin lebende Autor die begehrte Auszeichnung für seine "Geschichte von Nichts" entgegennehmen - damit gewann erstmals seit 1995 (Franzobel) wieder ein Österreicher den Hauptpreis bei den "Tagen der deutschsprachigen Literatur".

Spannung bei Stichwahl

Der Preis wird seit 1977 in Erinnerung an die in Klagenfurt geborene Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) verliehen. Seit Donnerstag hatten insgesamt 16 Autoren und Autorinnen - sechs aus Deutschland und je fünf aus Österreich und der Schweiz - ihre noch unveröffentlichten Texte vorgestellt.

Die Vergabe des Preises hatte sich äußerst spannend gestaltet. Nach der ersten Runde der Jury-Abstimmung waren Glaser und die deutsche Autorin Annette Pehnt ("Insel Vierunddreißig") mit je zwei Nennungen gleichauf gelegen. In der Stichwahl entschieden sich die sieben Juroren für Glaser.

In seiner "Geschichte von Nichts" verfolgt Glaser in den Abschnitten "Süden" und "Norden" einen Ich-Erzähler, der nach dem Tod eines Onkels seiner Tante Nelly im September 2001 durch Ägypten, Griechenland und Italien folgt und sie in Deutschland findet, wo sie im Spital liegt und kurz darauf stirbt. Die Juroren Denis Scheck und Thomas Widmer hatten bereits nach Glasers Lesung am Freitag die "sensationellen" Bilder des Textes , der für Burkhard Spinnen "einer der ersten Texte" ist, "die dem 11. September vielleicht auf angemessene Weise begegnen", gelobt.

Pehnt durfte sich mit dem mit 10.000 Euro dotierten Telekom-Preis der Jury trösten. Der Ernst-Willner-Preis im Wert von 8500 Euro ging an den Deutschen Mirko Bonne für "Auszeit". Den mit 7500 Euro dotierten 3sat-Preis nahm der Schweizer Raphael Urweider für seinen Text "Steine". Mit dem per Internet-Stimmabgabe vergebenen Kelag-Publikumspreis wurde der in Innsbruck lebende Kärntner Christoph W. Bauer ("Auf. Stummen") ausgezeichnet.

"Als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden" und "als Schreibprogramm in Berlin lebend" - so beschreibt sich Computer-Freak Glaser selbst. Die Preisvergabe kommentierte Glaser: "Literatur versucht, die Welt aus Fragmenten zusammenzusetzen", so der Autor, der nach dem 11. September die Erde in Scherben sieht. "Die Sprache ist das geeignetste und mächtigste Mittel, um alles zu betrachten, was an uns herangetragen wird."

Schindel gratulierte Linzerin

Der am Samstag gelesene Text der Linzerin Elfriede Kern ("Tabula Rasa") drehte sich um die Bewältigung der inneren Schuld der Ich-Erzählerin am Tod ihrer Schwester. "Sehr beeindruckt" zeigte sich Jurorin Pia Reinacher - sowohl von der "plastischen Bildkraft" als auch vom Bau der Geschichte. "Ausgezeichnet und gut gelungen, ich gratuliere" assistierte Jury-Vorsitzender Robert Schindel. Ebenso Konstanze Fliedl, für die "Tabula Rasa" eine "Hexengeschichte" darstellt: Kern sei eine Expertin für das Unheimliche aus dem Alltäglichen heraus. Weniger beeindruckt waren Scheck, Vanderbeke und Widmer.

 


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