Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Der Standard
27.05.2002
Erstes Erzählplätschern am Ufer der Juroren

Klagenfurt - Unspektakulär, geradezu leise starteten am Mittwochabend die Klagen-furter Tage der deutschsprachigen Literatur in das 26. Jahr ihres Bestehens. Nach dem Medienrummel der zwei vergangenen Jahre - vor zwei Jahren ausgelöst durch die Umbenennung der Ingeborg-Bachmann-Tage, denen die Erben aus Protest gegen die schwarz-blaue Regierung in Österreich ihren Namen entzogen hatten, letztes Mal in Anbetracht des Jubiläums von Bachmanns 75. Geburtstag - scheint diesmal die Organisatoren das Bemühen um Korrektheit bewegt zu haben.
Korrekt und ausgewogen wie stets die Jury, die mit der Schweizer Journalistin Pia Reinacher (sie folgt der Philosophin Elisabeth Bronfen nach) ein einziges neues Gesicht enthält. Ausgewogen nach Geschlechtern (drei Frauen, vier Männer), nach Herkunft (zwei Österreicher, zwei Schweizer, drei Deutsche), nach Position (drei Autoren, drei Journalisten, eine Wissenschafterin).

Korrekt und ausgewogen ist diesmal die Liste der eingeladenen Autoren: Nicht länger stehen, wie im Vorjahr, dreizehn deutschen Autoren nur zwei aus der Schweiz, nur einer gar aus Österreich gegenüber; mit sechs deutschen und je fünf Lesenden aus der Schweiz und Österreich wurden diesmal gewissenhaft nationale Empfindlichkeiten berücksichtigt.

Korrekt war dann auch die Eröffnungsrede des Schweizer Schriftstellers Hugo Loetscher, die solche nationale Rücksichten jedoch implizit prähistorischer Rückständigkeit zieh. "Falls die Geschichte erst beginnt", die globalisierte Geschichte weltumgreifender Interdependenzen, so Loetschers Motto in feiner Ironie, so hätte die Welt bisher in der Vorgeschichte, in einer "Regional- und Lokalgeschichte" gelebt. Grenzüberschreitung auf einem Erdball, "wo es wegen der Kuppelform schwer ist, Anfang und Ende auszumachen", hebe die Bedeutung von Zentren und Rändern auf und mache auch die "Vorstellung von Weltmacht prähistorisch".

Das "welthaltige" Bewusstsein der Literatur im Zeitalter staatlicher Entgrenzungen wollte sich allerdings bei Anhörung der ersten Lesungen am Donnerstag noch nicht recht einstellen. Vielmehr zeigte sich eine höchst gegenläufige Tendenz: Wollte man den Versuch unternehmen, die Texte in Loetschers Sinn als unbewusste Antwort auf die Globalisierung zu lesen, offenbaren sie einen ängstlichen Rückzug ins schützende Schneckenhaus konservativer Formen und Inhalte.

In geradezu erschreckender Konventionalität beschworen die Texte von Jörg Matheis, Nina Jäckle, Markus Ramseier und Heinz D. Heisl unter Aufbietung üppiger Natur-Metaphorik (Bäume für Leben, Steine für Tod), Kindheit, Geburt, erste Todeserfahrungen und enttäuschte Liebe.

Die Vorliebe für erzählerische Beschaulichkeit und artige Konvention war in den ersten Stunden des Wettbewerbs der einzige Hinweis auf die weltumspannende Globalisierung: Vor dem blauen Hintergrund des Kärntner Weichbilds, das die Studiodekoration adrett bespiegelte, einte sie die Autoren über Geschlecht, Nation und Alter hinweg.

Wie hatte es der frischgebackene Informationsintendant des ORF, Gerhard Draxler, am Vorabend doch so hübsch formuliert: "Klagenfurt zeigt, wie Denken aussieht." Man wird die Augen offen halten müssen.

 


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