Was bedeutet der Gewinn des Bachmann-Preises für
Sie?
PETER GLASER: Eine starke Motivation als Autor weiterzumachen und eine
finanzielle Absicherung im Hintergrund für die künftige Arbeit.
Wie haben Sie die vier Tage hier in Klagenfurt erlebt?
GLASER: Es war ein großes Gemeinschaftserlebnis. Ein Saal voller
Menschen, die alle über Literatur reden. Und zwar über dieselbe
Literatur, denn alle kennen die gleichen Texte. Außerdem gab es
eine große Solidarität unter den Autoren.
Sie haben es also genossen?
GLASER: Ja, denn eigentlich ist die Literatur eine umständliche Art,
miteinander zu reden. Da schreibt einer, dann wird irgendwann veröffentlicht,
dann reagiert Monate später das Feuilleton. Hier ist das anders:
Hier wird nicht in Räume hineingeschwiegen und ich schweige nicht
zurück. Hier geht alles direkt.
Manchem vielleicht sogar zu direkt. Wie fanden Sie die Jury?
GLASER: Unterschiedlich. Aber das war zu erwarten. Es ist hier wie in
einem Spielcasino, man wartet, ob Fortuna Glück oder Unglück
ausschüttet. Manche Urteile waren sehr ungerecht. Zum Beispiel, dass
Raphael Urweiler nicht "sortenrein" schreibt. Ich sortiere höchstens
meinen Müll. Manche Ansätze sind sehr germanistisch, vor allem
eben dann, wenn gefordert wird, dass man für bestimmte Schubladen
schreibt und was nicht hineinpasst, passt nicht hierher. Natürlich
weiß man auch, dass auch die Juroren nicht ohne Profilierungswunsch
nach Klagenfurt kommen. Verrisse haben außerdem einen hohen Unterhaltungswert.
Manchmal bekommen die Jurydiskussionen dadurch den Unterhaltungswert eines
Boxkampfes.
Obwohl das alles nichts Neues ist, gehen immer wieder Autoren das Risiko
eines öffentlichen Verrisses ein. Was hat Sie hierher gelockt?
GLASER: Denis Scheck hat mich mit bewundernswerter Regelmäßigkeit
eingeladen. Schon im letzten Jahr wollte er, dass ich lese. Aber ich hatte
nichts Passendes fertig und habe abgelehnt. Dabei weiß ich natürlich,
dass Autoren ihre Großmutter verkaufen würden, um hier zu lesen
(er stockt, lächelt). Andere würden allerdings ihre Großmutter
verkaufen, um hier nicht lesen zu müssen.
Also warum?
GLASER: Ich habe in letzter Zeit viel für das Feuilleton geschrieben,
habe auch viel über Computer gearbeitet und die ganze Zeit gedacht:
Aber eigentlich bin ich Schriftsteller. Ich bin hier, um dieses "eigentlich"
wieder loszuwerden. Es ist ein Schritt zurück in den Literaturbetrieb.
Woran arbeiten Sie gerade?
GLASER: Schon seit zehn Jahren an einem Roman. Klagenfurt ist für
mich ein Anreiz, wieder verstärkt weiterzumachen und mein Verlag
(Kiepenheuer & Witsch) wird auch dankbar sein. Es geht darin um Wiedervereinigungen.
Unter anderem darum, dass die Nase der Sphinx wieder in deren Gesicht
zurückkehrt. Ich möchte sozusagen das Antlitz des Geheimnisses
- denn dafür steht die Sphinx ja - wieder herstellen.
Ägypten scheint Sie zu interessie
ren. Ihre "Geschichte von Nichts" startet in Kairo und es kommen
unter anderem die Pyramiden vor.
GLASER: Ich habe mich in letzter Zeit viel mit Ägyptologie beschäftigt.
Und man kann sogar einen ironischen Schlenker zur deutschen Wiedervereinigung
machen. In Berlin gab es ein ägyptisches Museum mit Figuren von Nofretete
und ihrem Ehemann Echnaton. Nach der Teilung blieb Nofretete im Westen,
Echnaton kam in den Osten. Nun, nach der deutschen Wiedervereinigung,
sind auch sie wieder vereint.
Bis wann soll der Roman in den Handel kommen?
GLASER: In etwa zwei Jahren möchte ich fertig sein. Ich habe in den
letzten zehn Jahren so viele Informationen zusammengetragen, ich muss
jetzt aufpassen, dass es nicht ein Bildungsroman wird.
Was stört Sie am Bildungsroman?
GLASER: Eigentlich nichts. Ich möchte nur nicht langweilige Literatur
machen.
Sie sind gebürtiger Grazer, kommen damit aus einer der Literaturhauptstädte
Österreichs. Warum sind Sie nach Berlin gegangen?
GLASER: Graz ist so klein, dass nur jede zweite Schriftstellergeneration
dort leben kann. Das Forum Stadtpark ist der Adlerhorst der deutschsprachigen
Gegenwartsliteratur. Aber ich hatte keine Perspektive, in Graz mit Schreiben
meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bin immer wieder am Arbeitsamt
gelandet und habe Jobs in Druckereien oder als Lagerarbeiter annehmen
müssen. 1979 bin ich dann also nach Deutschland gegangen und da hat
sofort alles funktioniert.
Woran liegt das?
GLASER: Es gibt viel mehr Zeitungen und Verlage, viel mehr Möglichkeiten,
Literatur unterzubringen. Und die neudeutsche Welle, das war faszinierend.
Damals wollte jeder Popstar werden und es war merkwürdig, Schriftsteller
sein zu wollen. Vielleicht auch deshalb, weil damals die Musiker die besseren
Lyriker waren. Ich wollte aber trotzdem auf jeden Fall schreiben. Und
plötzlich konnte ich in Deutschland damit auch Geld verdienen.
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