Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Neues Volksblatt
30.06.2002
Bachmann-Preis für„Schreibprogramm“ Glaser

Als erster Österreicher seit Franzobel 1995 wurde bei den „Tagen der deutschsprachigen Literatur“ in Klagenfurt der Grazer Peter Glaser mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. An seinem 45. Geburtstag durfte der in Berlin Lebende den mit 21.800 ¢ dotierten, bedeutendsten Literatur-Preis im deutschen Sprachraum für seine „Geschichte von Nichts“ entgegennehmen. - - Seit Donnerstag hatten 16 Autoren — sechs aus Deutschland, je fünf aus Österreich und der Schweiz — ihre unveröffentlichten Texte vorgestellt. Die Preisvergabe gestaltete sich dabei äußerst spannend. Nach derersten Runde der Jury-Abstimmung lagen Glaser (apa-Foto) und die Deutsche Annette Pehnt („Insel Vierunddreißig“) mit je zwei Nennungen gleichauf. In der Stichwahl entschieden sich die sieben Juroren mit vier zu drei für Glaser. - In der „Geschichte von Nichts“ verfolgt Glaser einen Ich-Erzähler, der nach dem Tod des Onkels seiner Tante Nelly im September 2001 durch Ägypten, Griechenland und Italien folgt. Er findet sie in Deutschland, wo sie im Spital liegt und kurz darauf stirbt. Einige Juroren hatten nach Glasers Lesung die „sensationellen“ Bilder des Textes — „einer der ersten, die dem 11. September vielleicht auf angemessene Weise begegnen“ — gelobt. - „1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden“ und „als Schreibprogramm (seit 1980) in Berlin lebend“ — so beschreibt sich der Computer-Freak Glaser selbst. Zu den literarischen Veröffentlichungen des Rollstuhlfahrers zählen der Roman „Der große Hirnriß“ (1983), „Vorliebe. Journal einer erotischen Arbeit“ (1986, beide Rowohlt), die Geschichtensammlung „Schönheit in Waffen“ (1987) sowie die Kolumnen- und Essay-Sammlung „Neues im Westen“ (1988, beides Kiepenheuer & Witsch). 1988 wurde Glasers Stück „Die Osiris Legende“ beim „steirischen herbst“ uraufgeführt. - Mit dem Preis der Jury (10.000 ¢) durfte sich Annette Pehnt trösten, mit dem Ernst-Willner-Preis (8500 ¢) der Deutsche Mirko Bonne für „Auszeit“, mit dem 3sat-Preis (7500 ¢) der Schweizer Raphael Urweider für „Steine“. Den erstmals per Internet vergebenen Publikumspreis erhielt der in Innsbruck lebende Kärntner Christoph W. Bauer („Auf. Stummen“). - Auf geteilte Meinungen war der Text der Linzerin Elfriede Kern gestoßen. „Tabula Rasa“ dreht sich um die Bewältigung der inneren Schuld der Ich-Erzählerin am Tod ihrer Schwes-ter. „Sehr beeindruckt“ zeigte sich neben Juryvorsitzendem Robert Schindel und Konstanze Fliedl etwa Jurorin Pia Reinacher — sowohl von der „plastischen Bildkraft“ als auch vom Bau der Geschichte.

 


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