Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Wiener Zeitung
28.06.2002
Auftakt zum Lese-Marathon der Überraschungsfreudigkeit

Dem Schweizer Autor Hugo Loetscher war es in diesem Jahr vorbehalten, mit der Klagenfurter Rede zur Literatur Mittwochabend im ORF-Theater das Wettlesen um den Bachmann-Preis 2002 zu eröffnen. Eine Laudatio, die unter dem Titel "Falls die Geschichte erst beginnt . . ." ein Gedankenexperiment rund um Mystifizierung und Demystifizierung von Sprache - im Kontext der Vergangenheit betrachtet - beschrieb. Weltgeschichte als Fiktion, bzw. im Spiegel der Prähistorie der Literatur betrachtet.
Was das zeitgenössische Schreiben betrifft, sorgte Jörg Matheis gestern Donnerstag für einen - wie Juror Denis Scheck es formulierte - "gelungenen Auftakt". Allerdings mit Einschränkungen, denn sein Text "Schnitt" erinnerte Jurorin Konstanze Fliedl eher an "die neuen Leiden des jungen Werthers", womit der hohe Anteil an Selbstmitleid des Titelhelden, der sein angehimmeltes Basketball-"Opfer" fotographisch festzuhalten sucht, angesprochen wurde.
Noch weniger positives Feedback erfuhr die Berlinerin Nina Jäckle, die aus der Position eines Kindes die Geschichte "Buchenhofstaffel" vorstellte. Obgleich mit viel Einfühlungsvermögen und Humor erzählt wurde, befand die Jury den Text - überspitzt formuliert - als "infantile Regressionsgeschichte". Eine Spur ambivalenter klang der Kritiker-Kanon nach "Steinzeit" vom Schweizer Autor Markus Ramseier.
Aus österreichischer Sicht interessant die letzte Lesung des ersten Vormittags: Heinz D. Heisl (lebt in Hall in Tirol und Zürich) stellte Auszüge aus einem Roman vor. "Die Rechtfertigung des Alltäglichen oder drei Wohnhäuser in der Straße des jungen Er" stellte die
siebenköpfige Jurorenrunde (Konstanze Fliedl, Pia Reinacher, Denis Scheck, Robert Schindel, Burkhard Spinnen, Birgit Vanderbeke, Thomas Widmer) allerdings vor ein altes Problem: Wie soll man über einen Text sprechen, der in einem weitaus größeren Kontext steht? Oder anders formuliert: Was sagen Splitter eines Romans über das (nicht vorgetragene) Gesamtbild des Textes aus? Thomas Widmer fehlte jegliche Stringenz, Birgit Vanderbeke sah höchstens "vage Zusammenhänge". Obgleich Denis Scheck "das Risiko des Textes" imponierte, schien das Ganze "unterinstrumentiert". Einzig Robert Schindel, der Heisl nach Klagenfurt einlud, sprach von einer faszinierenden "Mischung aus Prosa und Lyrik".
Ob sich einer der ersten vier AutorInnen unter den zukünftigen PreisträgerInnen befindet, scheint zwar zweifelhaft, ist aber angesichts der Klagenfurter Überraschungsfreudigkeit nicht auszuschließen.
Einen detaillierten Bericht über den dreitägigen Lese-Marathon (Preisverleihung am kommenden Sonntag ab 11 Uhr "live" auf 3sat) lesen Sie in der Montag-Ausgabe der "Wiener Zeitung".
Programmvorschau: Österreichische AutorInnen "live" auf 3sat: Peter Glaser (Freitag, 9 Uhr), Christoph W. Bauer (Freitag, 10 Uhr), Elfriede Kern (Samstag, 9 Uhr), Helga Glantschnig (Samstag, 10 Uhr)

 


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