Dem Schweizer Autor Hugo Loetscher war es in diesem
Jahr vorbehalten, mit der Klagenfurter Rede zur Literatur Mittwochabend
im ORF-Theater das Wettlesen um den Bachmann-Preis 2002 zu eröffnen.
Eine Laudatio, die unter dem Titel "Falls die Geschichte erst beginnt
. . ." ein Gedankenexperiment rund um Mystifizierung und Demystifizierung
von Sprache - im Kontext der Vergangenheit betrachtet - beschrieb. Weltgeschichte
als Fiktion, bzw. im Spiegel der Prähistorie der Literatur betrachtet.
Was das zeitgenössische Schreiben betrifft, sorgte Jörg Matheis
gestern Donnerstag für einen - wie Juror Denis Scheck es formulierte
- "gelungenen Auftakt". Allerdings mit Einschränkungen,
denn sein Text "Schnitt" erinnerte Jurorin Konstanze Fliedl
eher an "die neuen Leiden des jungen Werthers", womit der hohe
Anteil an Selbstmitleid des Titelhelden, der sein angehimmeltes Basketball-"Opfer"
fotographisch festzuhalten sucht, angesprochen wurde.
Noch weniger positives Feedback erfuhr die Berlinerin Nina Jäckle,
die aus der Position eines Kindes die Geschichte "Buchenhofstaffel"
vorstellte. Obgleich mit viel Einfühlungsvermögen und Humor
erzählt wurde, befand die Jury den Text - überspitzt formuliert
- als "infantile Regressionsgeschichte". Eine Spur ambivalenter
klang der Kritiker-Kanon nach "Steinzeit" vom Schweizer Autor
Markus Ramseier.
Aus österreichischer Sicht interessant die letzte Lesung des ersten
Vormittags: Heinz D. Heisl (lebt in Hall in Tirol und Zürich) stellte
Auszüge aus einem Roman vor. "Die Rechtfertigung des Alltäglichen
oder drei Wohnhäuser in der Straße des jungen Er" stellte
die
siebenköpfige Jurorenrunde (Konstanze Fliedl, Pia Reinacher, Denis
Scheck, Robert Schindel, Burkhard Spinnen, Birgit Vanderbeke, Thomas Widmer)
allerdings vor ein altes Problem: Wie soll man über einen Text sprechen,
der in einem weitaus größeren Kontext steht? Oder anders formuliert:
Was sagen Splitter eines Romans über das (nicht vorgetragene) Gesamtbild
des Textes aus? Thomas Widmer fehlte jegliche Stringenz, Birgit Vanderbeke
sah höchstens "vage Zusammenhänge". Obgleich Denis
Scheck "das Risiko des Textes" imponierte, schien das Ganze
"unterinstrumentiert". Einzig Robert Schindel, der Heisl nach
Klagenfurt einlud, sprach von einer faszinierenden "Mischung aus
Prosa und Lyrik".
Ob sich einer der ersten vier AutorInnen unter den zukünftigen PreisträgerInnen
befindet, scheint zwar zweifelhaft, ist aber angesichts der Klagenfurter
Überraschungsfreudigkeit nicht auszuschließen.
Einen detaillierten Bericht über den dreitägigen Lese-Marathon
(Preisverleihung am kommenden Sonntag ab 11 Uhr "live" auf 3sat)
lesen Sie in der Montag-Ausgabe der "Wiener Zeitung".
Programmvorschau: Österreichische AutorInnen "live" auf
3sat: Peter Glaser (Freitag, 9 Uhr), Christoph W. Bauer (Freitag, 10 Uhr),
Elfriede Kern (Samstag, 9 Uhr), Helga Glantschnig (Samstag, 10 Uhr)
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