"Wiener Zeitung": Wie kommt ein Juror
zu seinen Texten für Klagenfurt?
Konstanze Fliedl: Alle Juroren bekommen im Laufe des Jahres sehr viele
Manuskripte zugesandt. Bei mir waren es - zu meinem großen Bedauern
- zwischen 200 und 300 Stück.
Wieso zu Ihrem großen Bedauern?
Weil ich einerseits nicht die Zeit hatte mir alle anzusehen, und außerdem
die zwei Nominierungen sehr bald gemacht habe. Mit Helga Glantschnig und
Elfriede Kern schlug ich zwei Autorinnen vor, deren Werk ich schon sehr
lange interessiert verfolge. Ich habe diesmal also nicht Texte ausgesucht,
sondern Autorinnen vorgeschlagen, die mir die Texte dann später geschickt
haben.
Man kann also in Ihrem Fall von einem Vorschuss-Vertrauen sprechen?
Ja. Wobei das nicht immer der Fall ist. Andererseits würde ich aber
auch niemanden vorschlagen, der noch nichts publiziert hat. Wenn jemand
keinen Verlag und keinen Lektor hat, also keine Begleitung, die negative
Kritik - falls sie kommt - ein bisschen abfangen könnte, ist das
doch ein sehr hohes Risiko, und wäre mir für jemanden, der am
unmittelbaren Beginn seiner schriftstellerischen Karriere steht, zu gefährlich.
Generell fällt auf, dass beim diesjährigen Bachmann-Wettbewerb
ausschließlich AutorInnen am Start waren, die bereits fest in der
Verlagsbranche verankert sind. Zielt diese Entwicklung nicht an der Grundidee
des Wettbewerbs vorbei?
Zu diesem Thema gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich glaube, dass auch
die anderen Juroren dieses Risiko mit Debütanten nicht eingehen wollen.
Umgekehrt betrachtet geht ein Juror ja auch ein gewisses Risiko ein. Kann
man sagen, dass ein Verriss eines vorgeschlagenen Textes auch ein Verriss
des Jurors ist?
Selbstverständlich fühlt man mit den "eigenen" Autorinnen
und Autoren mit und es gibt auch eine Loyalität, die manchmal ein
bisschen schwierig ist, aber zu der ich unbedingt stehe.
Heuer waren weitaus mehr österreichische AutorInnen am Start als
letztes Jahr.
Ich finde es gar nicht schlecht, wenn die nationalen Paritäten etwas
berücksichtigt werden. Letztendlich ist und bleibt aber die literarische
Qualität des vorgeschlagenen Textes das wichtigste Kriterium. Dass
es darüber wiederum verschiedene subjektive Ansichten gibt, liegt
in der Natur der Sache.
Bedeutet das, dass es vorab schon eine gewisse Absprache gibt?
Es gibt bestimmte Wünsche seitens der Organisatoren. Für mich
persönlich ist das Nationalitäten-Kriterium nicht das ausschlaggebende,
andererseits ist man auch gewissen Erwartungshaltungen ausgesetzt.
Robert Schindel hat im Rahmen der Diskussion den Umstand kritisiert, dass
heuer inhaltliche Kriterien eine wichtigere Rolle spielen würden
als sprachliche Brillanz. Sehen Sie das auch so?
Nein. Wenn man die Argumente ansieht, ist zu jedem Text auch zur Machart
etwas gesagt worden.
War für Sie der grundsätzliche Umgangston innerhalb der Jurorenrunde
in Ordnung?
Ja. Natürlich gibt es Meinungsdifferenzen, aber dazu sind wir ja
da.
Gehen die Auseinandersetzungen auch nach den Lesungen weiter?
Unter Umständen. Und das finde ich auch sehr erhellend, weil es vor
der Abstimmung immer noch eine Atempause gibt. Wobei meine Erfahrung diesbezüglich
so aussieht, dass sich Urteile nicht fundamental ändern. Andererseits
gibt es eine eiserne Regel, die besagt, dass wir uns nicht vorneweg über
noch nicht gelesene Texte unterhalten dürfen, was ebenfalls gut ist,
weil sich sonst Koalitionen bilden könnten, was absolut unprofessionell
wäre.
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