Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Wiener Zeitung
01.07.2002
Warum in Klagenfurt keine Debütanten lasen

"Wiener Zeitung": Wie kommt ein Juror zu seinen Texten für Klagenfurt?
Konstanze Fliedl: Alle Juroren bekommen im Laufe des Jahres sehr viele Manuskripte zugesandt. Bei mir waren es - zu meinem großen Bedauern - zwischen 200 und 300 Stück.
Wieso zu Ihrem großen Bedauern?
Weil ich einerseits nicht die Zeit hatte mir alle anzusehen, und außerdem die zwei Nominierungen sehr bald gemacht habe. Mit Helga Glantschnig und Elfriede Kern schlug ich zwei Autorinnen vor, deren Werk ich schon sehr lange interessiert verfolge. Ich habe diesmal also nicht Texte ausgesucht, sondern Autorinnen vorgeschlagen, die mir die Texte dann später geschickt haben.
Man kann also in Ihrem Fall von einem Vorschuss-Vertrauen sprechen?
Ja. Wobei das nicht immer der Fall ist. Andererseits würde ich aber auch niemanden vorschlagen, der noch nichts publiziert hat. Wenn jemand keinen Verlag und keinen Lektor hat, also keine Begleitung, die negative Kritik - falls sie kommt - ein bisschen abfangen könnte, ist das doch ein sehr hohes Risiko, und wäre mir für jemanden, der am unmittelbaren Beginn seiner schriftstellerischen Karriere steht, zu gefährlich.
Generell fällt auf, dass beim diesjährigen Bachmann-Wettbewerb ausschließlich AutorInnen am Start waren, die bereits fest in der Verlagsbranche verankert sind. Zielt diese Entwicklung nicht an der Grundidee des Wettbewerbs vorbei?
Zu diesem Thema gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich glaube, dass auch die anderen Juroren dieses Risiko mit Debütanten nicht eingehen wollen.
Umgekehrt betrachtet geht ein Juror ja auch ein gewisses Risiko ein. Kann man sagen, dass ein Verriss eines vorgeschlagenen Textes auch ein Verriss des Jurors ist?
Selbstverständlich fühlt man mit den "eigenen" Autorinnen und Autoren mit und es gibt auch eine Loyalität, die manchmal ein bisschen schwierig ist, aber zu der ich unbedingt stehe.
Heuer waren weitaus mehr österreichische AutorInnen am Start als letztes Jahr.
Ich finde es gar nicht schlecht, wenn die nationalen Paritäten etwas berücksichtigt werden. Letztendlich ist und bleibt aber die literarische Qualität des vorgeschlagenen Textes das wichtigste Kriterium. Dass es darüber wiederum verschiedene subjektive Ansichten gibt, liegt in der Natur der Sache.
Bedeutet das, dass es vorab schon eine gewisse Absprache gibt?
Es gibt bestimmte Wünsche seitens der Organisatoren. Für mich persönlich ist das Nationalitäten-Kriterium nicht das ausschlaggebende, andererseits ist man auch gewissen Erwartungshaltungen ausgesetzt.
Robert Schindel hat im Rahmen der Diskussion den Umstand kritisiert, dass heuer inhaltliche Kriterien eine wichtigere Rolle spielen würden als sprachliche Brillanz. Sehen Sie das auch so?
Nein. Wenn man die Argumente ansieht, ist zu jedem Text auch zur Machart etwas gesagt worden.
War für Sie der grundsätzliche Umgangston innerhalb der Jurorenrunde in Ordnung?
Ja. Natürlich gibt es Meinungsdifferenzen, aber dazu sind wir ja da.
Gehen die Auseinandersetzungen auch nach den Lesungen weiter?
Unter Umständen. Und das finde ich auch sehr erhellend, weil es vor der Abstimmung immer noch eine Atempause gibt. Wobei meine Erfahrung diesbezüglich so aussieht, dass sich Urteile nicht fundamental ändern. Andererseits gibt es eine eiserne Regel, die besagt, dass wir uns nicht vorneweg über noch nicht gelesene Texte unterhalten dürfen, was ebenfalls gut ist, weil sich sonst Koalitionen bilden könnten, was absolut unprofessionell wäre.

 


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