Keine Frage, der Text hat es nicht anders verdient.
Dennoch regte sich beim Zusehen, wie der Wahlzürcher Lukas Bärfuss,
31, unter der vernichtenden Kritik für seinen Wettbewerbsbeitrag
«Die toten Männer» immer kleiner und elender wurde, ein
zunächst unbestimmtes Ungerechtigkeitsempfinden. Und, wie immer,
wenn in Klagenfurt Autorenköpfe rollen, zudem etwas Scham für
den ortsüblichen Voyeurismus.
«Schlampig geschrieben», «sterbenslangweilig»
und «unverständlich» sei der Auszug aus Bärfuss´
neuer, im Juli bei Suhrkamp erscheinender Novelle, lautete das Podiumsurteil.
Einzig der Wiener Schriftsteller und Juryvorsitzende Robert Schindel relativierte:
«Vermutlich ist einfach der Ausschnitt schlecht gewählt.»
Dafür ist nun allerdings nicht alleine der Verfasser, sondern auch
der Juror, welcher ihn eingeladen hat, verantwortlich.
Der heisst in diesem Fall Thomas Widmer, ist «Kulturreporter»
bei «Facts» und die wohl eklatanteste Fehlbesetzung einer
intellektuell wie rhetorisch generell unterdotierten Jury. Scharfkantige
Analysen und geistreiche Aperçus lieferten am ersten Tag des Wettlesens
jedenfalls nur der zumeist anwaltschaftlich argumentierende Schindel,
der deutsche Essayist Burkhard Spinnen und gelegentlich noch Denis Scheck,
der - neben der bis zur Unkenntlichkeit blassen Ex-Zürcher «Tagesanzeiger»-Literaturchefin
Pia Reinacher - einzige professionelle Literaturkritiker des siebenköpfigen
Gremiums. Unter dieser Uninspiriertheit litten nebst den zahlreichen Schaulustigen
im Kärtner ORF-Theater vor allem die um ein Preisgeld von insgesamt
immerhin 50 000 Euro kämpfenden Autorinnen und Autoren. Kein Wunder,
beklagten sich manche im Nachhinein (und hinter vorgehaltener Hand, schliesslich
will man sichs mit den Preisrichtern nicht verderben) über «die
mangelnde Sorgfaltspflicht» ihrer Geschmacksrichter.
Schlecht begründet waren sie tatsächlich, die Verdikte über
grösstenteils allerdings kreuzbrave Texte, deren kleinster gemeinsamer
Nenner laut Scheck in ihrer «erzählerischen Risikovermeidungsstrategie»
bestand. Und zudem ziemlich übellaunig.
Der erste, eine textuelle Fotomontage von Jörg Matheis, war «zu
offensichtlich konstruiert», der zweite, eine Kindheitserinnerung
der Berlinerin Nina Jäckle, erfüllte gar den Tatbestand eines
«klischeetriefenden Schüleraufsatzes» (Spinnen). Da kam
Markus Ramseier, der zweite Schweizer Schriftsteller des ersten Tages
beziehungsweise dessen Stakkato-Prosa «Steinzeit» mit dem
Prädikat «prätentiöses Wortgeklimper» noch
vergleichsweise glimpflich davon.
Klarer Etappensieger aber wurde der Hamburger Übersetzer und Lyriker
Mirko Bonné, 37, der seit einigen Jahren auch Prosa schreibt. Und
zwar eine an Subtilität und Präzision kaum zu überbietende.
Seine «Auszeit» betitelte Erzählung urbaner Einsamkeit
und geschwisterlicher Symbiotik erntete denn auch zu Recht einiges, zum
Teil gar euphorisches Lob. Von Juroren notabene, die selber weniger als
keinen Anlass für Begeisterungsausbrüche gaben.
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