Pressetexte zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Basler Zeitung
29.06.2002
Von Hummern und Maoisten

Der beliebteste Sprechakt in Klagenfurt, beim Wettlesen um den Bachmann-Preis, ist seit je die närrische Rede. Vor den Augen der 3sat-Kameras müssen die Juroren zwar unablässig intellektuell tragfähige Deutungsleistungen erbringen. Jenseits des Podiums aber erhebt sich im Tross der Journalisten, Agenten und Verlagsleute der Rumor aus gehässigen kleinen Anekdoten, Sarkasmen und übler Nachrede, die jedem literaturkritischen Urteil vorgängig sind. Nach langen Debatten mehren sich aber auch unter den Juroren die geistigen Kontrollverluste und sie schleudern einem Text Wertungen entgegen, die nicht aus der Analyse des Textes, sondern aus biografischen Obsessionen gewonnen werden.


So glaubte die Jurorin Birgit Vanderbeke, gegen die Erzählung des Basler Autors Daniel Zahno ihre südfranzösische Lebenserfahrung aufbieten zu müssen. Zahno hatte in seiner Erzählung «Deauville» die Liebesleiden eines empfindsamen Mannes beschrieben, der von seiner Geliebten verlassen wird und dadurch völlig aus der Lebensbahn gerät. In ästhetizistischer Manier hat Zahno die Schmerzen seines Liebenden mit schweren symbolischen Zeichen aufgeladen, mit Bildern von gefangenen und einsamen Tieren. Auf ein solches Tier-Motiv, einen lebenden Hummer, der in einem normannischen Spezialitätenladen erworben wird, reagierte Vanderbeke mit der Bemerkung, dass ein in Deauville gekaufter Hummer nicht wie bei Zahno 300 Franc, sondern ganz lebensecht nur 80 Franc koste. Das ist ebenso meilenweit von jeder literarischen Diskutierbarkeit entfernt wie Robert Schindels Bekenntnis angesichts der Textprobe des Basler Schriftstellers und Sängers Roger Monnerat, er, Schindel, sei in seinen wilden Jahren Maoist gewesen.
Monnerat präsentierte einen Helden, der sich selbst ausdrücklich zur «närrischen Rede» bekennt und ein sehr kühnes Projekt verfolgt: nämlich den Versuch, eine Chronik der lin-
ken Intelligenz von 1949 bis 1989
zu schreiben, gewissermassen eine
exemplarische Lebensbilanz eines Angehörigen der 68er-Generation in Form einer sinnlich-phantastischen Erzählung. Während Monnerat immerhin einiger Respekt angesichts seines «grossen Roman-Versprechens» (K. Fliedl) entgegengebracht wurde, fiel Zahno glatt durch, die «närrische Rede» der Kritik hat sich indes andere Favoriten ausgesucht: Peter Glaser mit seiner «Geschichte von nichts». Nur das «Nichts» hat eben literarische Zukunft.
Michael Braun

Joseph-Breitbach-Preis


Burkart geehrt


Die Aargauer Autorin Erika Burkart erhält den Joseph-Breitbach-Preis 2002. Sie teilt sich die mit insgesamt 120 000 Euro höchstdotierte deutschsprachige Literaturauszeichnung mit Elazar Benyoëtz aus Jerusalem und Robert Menasse aus Wien. Eine «Meisterin der Wahrnehmung und Dichterin einer Welt, die zu versinken droht und zugleich strahlend gegenwärtig ist», nannte die Jury in ihrer Begründung die gerade 80 Jahre gewordene Lyrikerin aus Mittelhäusern. sda

Theater St. Gallen


Schweiger geht


Der Schauspieldirektor des Theaters St. Gallen, Peter Schweiger (63), gibt 2004 nach dann elf Jahren die Leitung des Sprechtheaters ab. Schweiger hatte die Leitung des Sprechtheaters 1993 übernommen, nachdem der bisherige Leiter des damaligen Stadttheaters St. Gallen mitten in der Spielzeit entlassen worden war. Der 1939 in Wien geborene Peter Schweiger kam 1965 in die Schweiz. Er arbeitete bei der «Claque» in Baden und der Innerstadtbühne Aarau, am Theater an der Winkelwiese und am Schauspielhaus Zürich. Sechs Jahre lang leitete er das Neumarkt-Theater. Seit 1994 ist Schweiger Mitglied der
Direktion am Theater St. Gallen. 2001 wurde ihm der Hans-Reinhardt-Ring verliehen. Der Vertrag mit Operndirektorin Franziska Severin wird bis 2007 verlängert.

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