Der beliebteste Sprechakt in Klagenfurt, beim Wettlesen
um den Bachmann-Preis, ist seit je die närrische Rede. Vor den Augen
der 3sat-Kameras müssen die Juroren zwar unablässig intellektuell
tragfähige Deutungsleistungen erbringen. Jenseits des Podiums aber
erhebt sich im Tross der Journalisten, Agenten und Verlagsleute der Rumor
aus gehässigen kleinen Anekdoten, Sarkasmen und übler Nachrede,
die jedem literaturkritischen Urteil vorgängig sind. Nach langen
Debatten mehren sich aber auch unter den Juroren die geistigen Kontrollverluste
und sie schleudern einem Text Wertungen entgegen, die nicht aus der Analyse
des Textes, sondern aus biografischen Obsessionen gewonnen werden.
So glaubte die Jurorin Birgit Vanderbeke, gegen die Erzählung des
Basler Autors Daniel Zahno ihre südfranzösische Lebenserfahrung
aufbieten zu müssen. Zahno hatte in seiner Erzählung «Deauville»
die Liebesleiden eines empfindsamen Mannes beschrieben, der von seiner
Geliebten verlassen wird und dadurch völlig aus der Lebensbahn gerät.
In ästhetizistischer Manier hat Zahno die Schmerzen seines Liebenden
mit schweren symbolischen Zeichen aufgeladen, mit Bildern von gefangenen
und einsamen Tieren. Auf ein solches Tier-Motiv, einen lebenden Hummer,
der in einem normannischen Spezialitätenladen erworben wird, reagierte
Vanderbeke mit der Bemerkung, dass ein in Deauville gekaufter Hummer nicht
wie bei Zahno 300 Franc, sondern ganz lebensecht nur 80 Franc koste. Das
ist ebenso meilenweit von jeder literarischen Diskutierbarkeit entfernt
wie Robert Schindels Bekenntnis angesichts der Textprobe des Basler Schriftstellers
und Sängers Roger Monnerat, er, Schindel, sei in seinen wilden Jahren
Maoist gewesen.
Monnerat präsentierte einen Helden, der sich selbst ausdrücklich
zur «närrischen Rede» bekennt und ein sehr kühnes
Projekt verfolgt: nämlich den Versuch, eine Chronik der lin-
ken Intelligenz von 1949 bis 1989
zu schreiben, gewissermassen eine
exemplarische Lebensbilanz eines Angehörigen der 68er-Generation
in Form einer sinnlich-phantastischen Erzählung. Während Monnerat
immerhin einiger Respekt angesichts seines «grossen Roman-Versprechens»
(K. Fliedl) entgegengebracht wurde, fiel Zahno glatt durch, die «närrische
Rede» der Kritik hat sich indes andere Favoriten ausgesucht: Peter
Glaser mit seiner «Geschichte von nichts». Nur das «Nichts»
hat eben literarische Zukunft.
Michael Braun
Joseph-Breitbach-Preis
Burkart geehrt
Die Aargauer Autorin Erika Burkart erhält den Joseph-Breitbach-Preis
2002. Sie teilt sich die mit insgesamt 120 000 Euro höchstdotierte
deutschsprachige Literaturauszeichnung mit Elazar Benyoëtz aus Jerusalem
und Robert Menasse aus Wien. Eine «Meisterin der Wahrnehmung und
Dichterin einer Welt, die zu versinken droht und zugleich strahlend gegenwärtig
ist», nannte die Jury in ihrer Begründung die gerade 80 Jahre
gewordene Lyrikerin aus Mittelhäusern. sda
Theater St. Gallen
Schweiger geht
Der Schauspieldirektor des Theaters St. Gallen, Peter Schweiger (63),
gibt 2004 nach dann elf Jahren die Leitung des Sprechtheaters ab. Schweiger
hatte die Leitung des Sprechtheaters 1993 übernommen, nachdem der
bisherige Leiter des damaligen Stadttheaters St. Gallen mitten in der
Spielzeit entlassen worden war. Der 1939 in Wien geborene Peter Schweiger
kam 1965 in die Schweiz. Er arbeitete bei der «Claque» in
Baden und der Innerstadtbühne Aarau, am Theater an der Winkelwiese
und am Schauspielhaus Zürich. Sechs Jahre lang leitete er das Neumarkt-Theater.
Seit 1994 ist Schweiger Mitglied der
Direktion am Theater St. Gallen. 2001 wurde ihm der Hans-Reinhardt-Ring
verliehen. Der Vertrag mit Operndirektorin Franziska Severin wird bis
2007 verlängert.
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