Die Krähen behaupten, eine
einzige Krähe könne den Himmel zerstören; das
ist zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn
Himmel bedeutet eben: Unmöglichkeit von Krähen.
Das ist schön, sagt sie.
Ich nicke. Ist von Kafka, sage ich.
1
Hundert tote Insekten kleben zerquetscht
an der Windschutzscheibe, lange vor dem Erreichen der Landesgrenze.
Ich habe Ben Folds im Radio und im Rückspiegel eine schwarze
Rauchsäule, die zum Himmel empor steigt. Eine Fabrik
brennt. Auf der Gegenfahrbahn rast mit Blaulicht und Sirenengeheul
die Feuerwehr vorbei. Ich kurble die Scheibe runter, dass
der Wind mir durchs Haar fährt, und lächle, ohne
dass man es meinem Gesicht ansieht.
2
Entweder oder. Entweder man sucht
nicht und findet. Oder man sucht und findet nicht. Schreiben
heisst: sich entscheiden, Wort für Wort, immerfort. Das
Unwahrscheinliche. Sie stand am Strassenrand und winkte. Eine
Anhalterin eben. Ein Auto fuhr vorbei. Der Wind schlug ihr
das Haar ins Gesicht. Ich bremste und fuhr zurück. Ich
öffnete die Tür. Sie stieg ein und wir fuhren los.
Ich kann es mir selbst nicht mehr ganz glauben, im Nachhinein.
Schreiben heisst: Wahrheiten erfinden. Auch und gerade, wo
man die Wahrheit schreibt.
3
Kilometer um Kilometer spulen wir
ab auf dem langen grauen Band quer durch Frankreich. Die Landschaft
wird flacher, je weiter wir fahren, und unvertrauter. Nicht
nur, aber auch, weil das Feld nicht mehr länger Feld,
sondern champ heisst. Selbst der Geschmack der Zigaretten
ändert sich. Sie schmecken herber, würziger, je
kleiner die Entfernung wird zum Meer. Vieles zieht vorbei,
wenig bleibt haften. Weder Bäume noch Telefonmasten,
weder Verkehrstafeln noch die Bauten, die meistens Bruchbuden
sind. Hier wird nicht renoviert, hier überlässt
man die Dinge sich selbst. In einem gelbbraunen Feld stehen
weisse Kühe. Die Szene mutet ausserirdisch an. Mondkälber,
denke ich. Auch das Feld auf der anderen Seite der Strasse
ist nicht von dieser Welt. Unter Pastellfarben rollen Strohballen
wie schwarze Kugeln über eine endlose Tafel.
4
Warum Finistère? Ich zucke
die Achseln. Ich weiss nicht, sage ich und denke, dass die
eigentliche Frage lauten müsste: Warum nicht Prag? Dann
hätte ich immerhin eine Antwort. Weil es Prag nicht gibt.
Sie aber hält an ihrer Frage fest: Warum Finistère?
Ich zögere. Schliesslich sage ich ihr nicht, dass Vater
dort wartet. Weil es das Ende der Welt bedeutet. Sage ich.
Ich komm mit dir. Sagt sie.
5
Ich steuere uns in die Nacht hinein
und durch sie hindurch. Dabei suche ich nach einer Metapher
für mein Leben. Dabei fällt mir das Bild eines tropfenden
Wasserhahns ein. Dass ich existiere, merke ich, als ein Auto
in die Strasse fährt und ich eine Kollision gerade noch
vermeiden kann. Sie ist aufgewacht neben mir und macht grosse
Augen. Später halte ich am Strassenrand, damit sie hinter
ein Gebüsch kann. Ich steige ebenfalls aus und, als ginge
es keinen Schritt über den Rand der Selbstverständlichkeit
hinaus, folge ich ihr. Das ist kein guter Anfang, sagt sie.
Aber immerhin, sage ich, ein Anfang.
6
Schreiben, Wort für Wort das
Leben aufbrauchen. Wie ein Spaziergang, der zur totalen Ermüdung
des Körpers führt, Schritt für Schritt. Am
besten auf einem staubigen Kiesweg, dass es knirscht unter
den Schuhen. Wir verbringen den Nachmittag damit, in Schaufenster
zu blicken. Überall sind Bilder von Künstlern ausgestellt.
Später, als es eindunkelt, sehe ich unser gespiegeltes
Wir aufblitzen in einem der Fenster. Noch später würden
diese zwei Körper schutzlos zerschellen an der Nacht,
vielleicht. Wir gehören nicht zusammen, denke ich. Auch
von Pont-Aven bleibt nichts als eine Erinnerung, die verdächtig
der Ansichtskarte von Pont-Aven gleicht.
7
Die Leere des Schreibpults, nachdem
ich es als solches eingerichtet und ans Fenster gestellt habe,
ist eine Einladung. Ich setze mich hin, gönne mir eine
ausgedehnte Verschnaufpause. Mein Blick folgt den Lebenslinien
des Holzes, schneidet sich an den scharfen Schnitten im Furnier.
Landschaften sehe ich. Und in den Astorten verfratzte Gesichter.
Dann tauche ich ab hinter geschlossenen Augenlidern, lasse
mich einlullen vom Rauschen der Wellen. Meine Gedanken sind
geprägt von Bruchstückhaftigkeit, von Verschiedenartigem.
Mosaiksteine, die kein Ganzes ergeben. Nichts hängt zusammen.
Dieses Hotel ist kein Hotel. Dieses Zimmer ist kein Zimmer.
Ich bin ein Fels, der aus der Brandung ragt, das Meer schiesst
auf an meinem Stein.
8
Abenddämmerung, schreibe ich,
und immer unklarer nehme ich den Raum ein. Grenzen lösen
sich auf. Eine Sekunde lang halte ich es für möglich,
dass ich gleich verschwinden werde. Was dann bleibt, ist weisses
Papier. Schreibland. Sie kommt aus der Dusche und setzt sich
aufs Bett. Sie beginnt, in meinem Buch von Kafka zu blättern.
Ich schaue ihr zu dabei. Schaue ihre Nacktheit an. Ich sage
nichts, ich will sie nicht stören. Oder will mich selbst
nicht stören. Nach einer Weile blickt sie auf, lächelnd
und fragend. Ich zögere einen Augenblick. Schliesslich
sage ich nichts und lächle auch nicht zurück. Sie
legt das Buch weg und fängt an zu schluchzen. Ich weiss
nicht warum.
9
Ich schreibe, was ich sehe. Was
ich sehe, ist immer nur eine Oberfläche, sind Oberflächlichkeiten.
Hülle, sehe ich, und nie, was drin ist. Aber vieles,
was drin sein könnte. Ich setze mich zu ihr aufs Bett.
Mit der Spitze meines Zeigefingers fahre ich über ihre
Stirn, ihre Nase, ihren Mund. Meine Fingerkuppe, ein Zentimeter
Haut, der immer nur Aussenseiten berührt. Das Fassbare.
Andere Haut. Sie reibt sich die Tränen aus den Augen,
zieht den Rotz hoch in der Nase. Sie nimmt meine Hand in ihre.
Glaubst du, dass das Leben einen Sinn hat? Ich antworte nicht.
Sie betrachtet lange die Innenfläche meiner Hand. Deine
Schicksalslinie ist nur mangelhaft gezeichnet, sagt sie, ausserdem
fehlt der Saturnberg. Du kannst in der Hand lesen? Was liest
du ? Sie zuckt die Achseln. Bist du leer, innerlich? Sie fragt
das empfindungslos. Gleichzeitig dreht sie meine Hand um und,
ohne auf eine Antwort zu warten, sagt sie: Sieht ziemlich
schlimm aus, was du da gemacht hast mit deinen Fingernägeln.
Meine Nägel sind so kurz, dass kein Holzspleiss darunter
passte, aber das macht nichts, Fingernägel wachsen nach.
Nur wenn die Haut einwächst, tut es weh, manchmal. Fingernägelkauend,
sage ich, vergesse ich mich am leichtesten. Du bestrafst dich
für irgendwas, das ist alles. Sagt sie. Als kennte sie
mich.
10
Ich frage sie kaum etwas und schweige
über das, was ich irgendwo zurückgelassen habe:
ein Bild in den Augen anderer, eine Gestalt, die nicht ich,
sondern eine Zwangsjacke war, in die man mich gesteckt hatte.
Ich rede auch nie von den Bergen, die mir jahrelang die Aussicht
versperrten. Ich schweige beharrlich oder erzähle von
Kafka. Kafkas Verlobte, sage ich, äusserte einmal den
Wunsch, neben ihm zu sitzen nachts, wenn er schreibe. Daraufhin
machte er ihr in einem Brief klar, dass dies unmöglich
wäre: weil man nicht genug allein sein könne, wenn
man schreibt. Weil es nicht genug still sein könne um
einen, wenn man schreibt. Die Nacht ist noch zu wenig Nacht.
Schreibt Kafka. Sage ich. Und denke, dass auch ich zu meinem
Schreiben Abgeschiedenheit brauche.
11
Ich kritzle drauflos wie ein Verrückter,
eine Zigarette zwischen den Lippen, Tränen in den Augen.
Und nicht nur vom Qualm. Alles streiche ich sofort wieder.
Nur ein einziger Satz darf stehen bleiben. Nur derjenige,
der die ganze Geschichte erzählt. Zu Ende erzählt.
12
Atemnot. Ich habe von Vater geträumt und dass er mich
erwürgen wollte. Als ich aufwache, hockt die Erinnerung
da und grinst, während ich nach Luft schnappe. Ein Wintertag
voll Sonne. Alles funkelt, alles ist weiss. Ich folge seinen
Fussstapfen im Schnee von gestern. Sie führen weg vom
Haus, Richtung Wald. Um in sie zu treten, muss ich grosse
Sprünge machen. Ich bin sieben Jahre alt. Über mir
fliegt ein Bussard einen vollkommenen Kreis. Ich bleibe stehen
und sehe zu, wie der dunkle Vogel höher und höher
steigt im wolkenlosen Himmel, obschon er kaum die Flügel
bewegt, ganz still, immer höher. Ich habe sie geweckt.
Sie streicht mir mit der Hand durchs Haar, während ich
weine, mein Gesicht vergraben in ihrem Bauch.
13
Wenn ich mir die Faust blutig schlage
an der Wand, meine ich dich, Vater. Ich schlurfe hinaus auf
den Balkon. Dort stehe ich eine Weile reglos, einen Streifen
Bilder im Kopf, und jedes wirft einen langen Schatten. Sonst
verbindet sie nichts miteinander. Sie sind aneinander geklebt,
ohne eine Geschichte zu ergeben. Ich zünde mir eine Zigarette
an und blicke zu gleichgültigen Sternen empor. Die Hände
heben, sage ich leise zu mir und hebe die Hände, und
nach oben schauen, ist das tiefste Merkmal des Menschen.
14
Die Sonne brütet. Nichtstun
tut man am besten am Strand und auf dem Bauch. Die Mädchen
liegen da, aber auch sie verleihen dem Streifen Wüste
keinen Sinn. Die Männer spielen mit Bällen. Die
Kinder bauen Burgen aus Sand. Ich geh schwimmen, sagt sie,
kommst du auch? Ich gucke ihr nach und bin mir auf einmal
ganz sicher, dass sie schön ist. Gleichzeitig habe ich
das Gefühl, mich selbst nicht zu verstehen. Dann, umhüllt
vom Meer, dringe ich ein in sie, unter Wasser. Ja, sagt sie.
Salz auf den Lippen. Die Ebbe geht, die Flut kommt.
Warum ist auf einmal alles so einfach? Sie lacht. Weil wir
uns nicht lieben. Sagt sie.
15
Mir fällt zu allem nichts mehr
ein. Und nichts passiert. Fast nichts. Der Sommer verausgabt
sich und ein einmal gesetztes Ultimatum ist abgelaufen. Dennoch
atme ich ein und aus und bin so oder so Teil von dem, was
da an Leben durch die kopfsteingepflasterten Strassen und
Gassen flutet. Was spielt ein weiteres Versäumnis noch
für eine Rolle. St. Malo ist fast malerisch. Man denkt
daran, Postkarten zu verschicken, wenn man wüsste an
wen. Auch hier ist alles ganz auf die Bedürfnisse der
Touristen ausgerichtet. Beinahe gelassen erträgt man
das, erträgt man alles. Die flimmernde Luft. Den Geruch
von Parfum, Säcken, Schweiss, Fisch, Russ, Holz. Das
Gekreisch der Möwen. Strassencafés. Blumen. Ein
Flugzeug. Sonnenbrillen. Rucksäcke. Porträtmaler.
Ein Puppenspiel. Gedankenlose Blicke, die die Atmosphäre
durchlöchern. Und immer wieder ein Kleinkind, das schreit.
Es schreit mit seiner gesamten Existenz. Ein Bettler streckt
mir einen Plastikbecher entgegen. Ich denke: Ein Merkmal des
Menschen ist, dass er Lärm macht, selbst wo er schweigt.
16
Welchen Sinn haben Muttermale? Wir
sitzen auf der Sonnenterrasse, umgeben von Leuten auf Liegestühlen
und an Cafétischen, die unverschämt laut lachen
in verschiedenen Sprachen. Sie merkt nicht, dass sie mich
mit nichts zu überzeugen vermag. Sie kennt mich nicht.
Sie kennt ihre Lage nicht. Doch lebt man immer in Unkenntnis
seiner Lage. Vor allem ich. Einmal eine kleine wegwerfende
Geste mit der Hand. Ein Abreissen im scheinbar entscheidenden
Punkt des Satzes. Dazu ein Fragezeichenblick. Und ich habe
sie vernichtet, ohne Absicht, ganz nebenbei. Dann schaue ich
weg. Ich merke es nicht, als sie aufsteht und geht. Auch die
anderen Menschen nehme ich kaum noch wahr. Die Sonne blutet.
Ich sehe zu, wie sie tiefer sinkt und zuletzt den ganzen Horizont
mit sich reisst. Der totale Niedergang, sage ich halblaut
vor mich hin, lege ein paar Münzen auf den Tisch und
verlasse die Terrasse.
17
Der Mond ist ein Hundsknochen. Das
Meer schnarcht, ein dunkles, glitzerndes Tier. Aber der Versuch,
es zu skizzieren, scheitert. Ich weiss, jeder kennt es, jeder
liebt es. Und still ist meine Not, mein Entsetzen. Ich habe
nichts Grossartiges zu sagen. Doch, denke ich, was ich sage,
kann auf diese Weise niemand ausser mir sagen. Aber ich mache
mir etwas vor. Auch weil man immer sein Vorhaben hat. Man
will immer irgendeine Ecke erreichen, durch irgendeine Tür
treten. Um dann zurückzukehren. Jedoch, es gibt keinen
Ort, an den ich zurückkehren könnte. Ich schreibe
mich über das Ende der Welt hinaus, ins Bodenlose. Als
ob es darauf ankäme, dass irgendetwas meine Handschrift
trägt.
18
Ich träumte von der Zeit. Die
Zeit holt mich ein. Die Zeit läuft mir davon. Auf hohen
Absätzen und furchtbar schnell. Ich renne ihr nach, denn
zweifellos, sie ist schön. Schön in ihrem dunkelroten,
schlichten Trägerkleid. Schön mit dem langen, hochgesteckten
Haar. Schön von Kopf bis Fuss. Ich verfolge sie, bis
sie vor einer Wand steht und nicht mehr weiter kann. Dann.
Da. Ursache und Wirkung. Aber Fäden reissen, schon ist
man verirrt. Labyrinthisch, träume ich, und die Kausalkette,
die sie um ihren Hals trägt, reisst. Die Perlen segeln
durch die Luft, prasseln runter auf das Kopfsteinpflaster
wie Regentropfen, springen vielleicht nochmals hoch, rollen
dann in alle Richtungen, um in ungewisse Spalten zu versickern
und in Vergessenheit zu geraten. Als ich aufschaue, ist sie
verschwunden. Noch nähert sich mir irgendein Glaube aus
weiter Ferne, schleicht sich von hinten an, um mir den Blick
aus den Augen zu kratzen. Aber ich drehe mich um. Ich sehe
eine Ratte zwischen den Zähnen einer Katze und das offene
Ende der Sackgasse.
19
Als ich ins Hotel zurück komme,
flimmert der Fernseher im Zimmer und taucht den Raum in kaltes,
blaues Licht. Dabei ist es heiss. Sie ist auf dem Bett und
schläft. Decke und Kopfkissen liegen auf dem abgelaufenen
Teppich. Es riecht nach Mückenspray. Ich gehe ins Badezimmer,
huste einen Schleimpfropf ins Lavabo, hole mir müde einen
runter. Mein Spiegelbild schaut teilnahmslos zu. Nachher mache
ich den Fernseher aus, hebe das Kopfkissen auf und beuge mich
damit über sie. Ich drücke es ihr aufs Gesicht.
Sie strampelt nur wenig. Zuckt kurz. Lässt es dann geschehen.
20
Ich mache die Augen zu. Ich sehe
einen einsamen Gegenstand im Schnee: Vaters Hut. Fast gleichzeitig
entdecke ich auch ihn. Er liegt am Waldrand, rücklings.
Im dunklen Mantel und mit ausgebreiteten Armen. Im stillen
macht es mich betroffen, wie er in die Leere starrt, als kennte
er mich nicht. Sein Gesicht drückt freundliche, endgültige
Abwendung aus. Wohin schaut er? Wohin schaut er weg? Vater
schaute weg. Aber erst später dann, Jahre später,
zum ersten Mal das Gefühl des Erstickens beim Gedanken
an ihn, den doch keine Erinnerung mehr fasst. Ich zähle
bis tausend und wieder zurück, ehe ich ihr das Kissen
vom Gesicht ziehe.
21
Schreiben ist eine Daseinsform.
Dabei hat jeder Satz zum Ziel, den vorherigen vergessen zu
machen: was immer ich schreibe, es frisst das Geschriebene
sofort auf. Ich komme und komme nicht weiter. Ich lösche
das Licht. Und gehe und gehe auf und ab im Raum. Kafka kommt
mir in den Sinn. In seinem Nachlass hat sich kein Testament
vorgefunden. In seinem Schreibtisch lag aber unter vielem
andern Papier ein zusammengefalteter, mit Tinte beschriebener
Zettel, auf dem er seine letzte Bitte äusserte: dass
man alles an Tagebüchern, Manuskripten, Briefen, fremden
und eigenen, dass man restlos alles von ihm ungelesen verbrennen
solle.
22
Nichts braucht man dringender als
Worte, in der Dunkelheit. Um die Dinge zu erhellen. Weil es
gibt sonst keine Dinge, schlechthin keine Welt. Es überrascht
mich, wie glaubwürdig das klingt. Gleichzeitig frage
ich mich, wieso nicht alles, was ich denke, sich ins Gegenteil
verkehren sollte. Ich setze mich wieder ans Schreibpult, jedoch
ich habe die Sprache verloren. Später sehe ich zu, wie
die Nacht sich verwandelt in ein homogenes Grau, das heller
wird, und höre erste Möwen den Morgen ankreischen.
Dann erscheint langsam die Umgebung, das Hotelzimmer, ein
begrenzter, differenzierter Raum. Die Dinge erhalten ihre
Farben und Konturen, die Lampe, der Fernseher, der Schrank,
die Wände, und als ich schliesslich über meine Schulter
zum Bett schaue, tue ich es in der Gegenwart des vollen Tageslichts.
Der Mensch ist allein, im Grunde.
23
Ein Hotel brennt. Im Rückspiegel
sehe ich eine Rauchsäule zum Himmel empor steigen. Eine
schwarze Nabelschnur, die die Erde mit nichts verbindet. Und
endlich komme ich ganz vom Weg ab. Ich lenke das Auto auf
den Abgrund der Klippe zu, lächelnd, ohne dass man es
meinem Gesicht ansieht. Bussard oder Krähe. Ich halte
den Atem an. |