Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und mit freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Pressespiegel

Diskussion nach Lesung von Henning Ahrens

Der deutsche Autor Henning Ahrens wurde von Thomas Steinfeld vorgeschlagen und las einen Auszug aus einem Romanmanuskript mit dem Arbeitstitel "Commander Coeursledge"

"Verbindung zwischen Archaik und Technik"

Daniela Strigl: "Ich möchte mit etwas Allgemeinen beginnen. Mir kommt vor, dass sich die Apokalyptik eine Bahn bricht in der Literatur. Diese Apokalypse geht eine Verbindung zwischen Archaik und hochmoderner Technik ein. Hier sind es die Parkautomaten im Wald. Das zweite fällt mir auf, die triumphale Rückkehr des deutschen Waldes. Hier sogar die deutsche Eiche. Alles Wesentliche spielt sich im Wald ab."

"Versuch, eine Welt zu erfinden"

Josef Haslinger: "Diese Geschichte versucht, eine Welt zu konstituieren. Ich frage mich, warum ich so weit außen bleibe. Es sind Menschen, die ein unerfreuliches Schicksal haben, um ihr Leben laufen in einer gefährlichen zerstörten Winterlandschaft. Ich lese das, als hätte es keine besondere Bedeutung. Ein Grund ist der auktoriale Erzähler. Der kann alles mit mir machen.

Wenn man sich dieser Stimme anvertraut, ist man einem fremden Welthersteller ausgeliefert, der mir alles nach seiner Beliebigkeit und Projektionswünschen vorsetzen und wieder entziehen kann. Er weiß, was jeder denkt, wechselt die Perspektiven der Wahrnehmung. Die Formulierung "der geneigte Leser" kommt in der Mitte vor. Das Problem ist eine narrative Instanz, von der man ein Gefühl bekommt, woher sie kommt. Dieses Kommentieren nimmt man nur an, wenn man sich der Stimme anvertrauen kann."

"Muster stammen aus dem Kino"

Norbert Miller: Das Problem des Textes, den ich an sich farbig und vielfältig finde, ist ein anderes als das der anderen. Die Muster, gegen die hier angeschrieben wird, sind Muster, die aus anderen Medien wie der Matrix stammen. Für die Literatur ist das schwierig und herausfordernd. Man kann versuchen, ein halb ironisierendes Gegenmuster dazu aufzubauen. Die Schwierigkeiten sind aus dem Ausschnitt des Textes nicht herauszukriegen. Es wird davon ausgegangen, dass man weiß, was das für Figuren sind. Man reimt sich alles zusammen, die Auflösbarkeit ist erzählerisch nicht da. Aber sie ist partiell faszinierend. Ich kann es mir nicht recht vorstellen. Es ist ein deutsches Problem, dass wir keine Handlung erklären können."

"Kino, Comic, Heftchen"

Thomas Steinfeld: "Dieser Text kommt nicht genügend aus der Literatur, er kommt aus Kino, Comic, aus Heftchen. Diese Welt ist zehntausend Mal größer, als das, was wir uns als Literatur vorstellen. Es ist unerhört gelungen, wie es Henning Ahrens gelingt, selbstbewusst gegen diese Welt aufzutreten. Es ist kühn und mutig. Er macht es nicht kokett, das wäre deutsch. Es gelingt ihm, etwas zu tun, was man mit den eigentlichen Mitteln dieser Sphäre nicht erreichen kann - wie wäre es, wenn man in eine solche Haut schlüpft.

"Ich kann nicht in die Haut schlüpfen"

Ilma Rakusa: "Ich sehe das anders. Das in die Haut schlüpfen gelingt mir überhaupt nicht. Es ist eine sehr eklektische Welt, die hier geschaffen wird, man wird mit ihr nicht warm. Vielleicht wird es im Roman handlungsmäßig noch sehr spannend. Die Figuren werden aber nicht plastisch. Sie bleiben wie im Kino und in den Videogames, sehr stereotyp.

Friederike Kretzen: "Was ist erstaunlich finde ist die gute Laune und die Gemütlichkeit in diesem Film (Versprecher statt Text)."

"Bin mir unsicher"

Ursula März: Ich bin mir unsicher. Ich stimme Herrn Steinfeld ganz zu, dass es eine Kunstwelt ist, die in eine Zeit hineinreicht in der Zukunft. Ich bin aber neugierig, obwohl ich viele Begriffe nicht verstehe und kenne. Es hat mich an den Film erinnert Soweit die Füße tragen über einen Sibirien-Heimkehrer. Damals dachte ich, es sei Erfindung, es war aber Realität. Hier stört mich ein Zug - ich habe den Eindruck, die Kunstwelt wird abgearbeitet. Begriff kommt nach Begriff, Element nach Element.

"Männer schreiben anders"

Iris Radisch: "Es gibt ja immer diese Sammelbände, schreiben Frauen anders. Wenn man den Spieß umdreht und fragt, schreiben Männer anders, muss ich sagen, ja." Ohne ein minimales Interesse an Action und Kriegsspiele kommt man in den Text nicht hinein. Es ist Literatur für große Jungs.

Einwurf von Steinfeld: "Man soll sich nicht dümmer machen, als man ist. Jeder weiß doch, was ein Tomahawk oder ein Hummer ist." Es ist Quatsch zu sagen, es ist männlich oder weiblich. Es ist eine Auseinandersetzung mit einem Genre, einer Phantasierealität.

Radisch: "Es vermag mich nicht reinzuziehen. Was mir fehlt, ist der Ernst hinter dem Pumpgun-Ballett."

"Keine Ahnung, was ein Hummer ist"

Daniela Strigl: "Ich habe keine Ahnung, was ein Hummer ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir nicht bei der Nato sind, aber das spricht nicht gegen den Text. Man merkt, dass den Text ein Lyriker geschrieben hat. Nachsatz zur Gemütlichkeit - sie wird thematisiert. Der Text geht damit nicht naiv um. So einfach ist das nicht."

"Genre ist übermächtig"

Burkhard Spinnnen: "Herr Steinfeld sagte, das Genre sei übermächtig. Die Computerspiele sind eine Mischung aus Archaik und Zukunftsvorstellungen. Herr Ahrens weiß, was er tut, aber es erweist sich als sehr mächtig. Das ist die Gemütlichkeit der Science Fiction. Es ist eine schwierige Angelegenheit. Auch die Science Fiction könnte im Stande sein, alle Aufwertungen wieder mit der eigenen Trivialität zu ersticken."

Spannende Nudelfrage

Norbert Miller fragte den Autor nach 27 Stunden Vorbereitung von Papardelle, die dann noch al dente sein sollen? Henning Ahrens erklärte, er habe das mit einem Kochbuch an der Seite geschrieben.

"Gothik-Novel"

Ilma Rakusa: "Es kam mir vor wie eine postmoderne Gothik-Novel. Ich spüre, sagte sie zum Autor gewandt, Sie können sehr viel. Es ist mir klar, dass das Projekt schwierig ist. Ich habe mit Science Fiction immer Probleme, weil ich die Figuren immer sehr stereotyp finde." Sie hoffe, der viele Aufwand sei nicht für wenig getrieben.

Thomas Steinfeld: "Man darf nicht vergessen, das Buch ist erkennbar von einem Lyriker geschrieben. Man sollte dem Kriegerischen nicht zu sehr auf den Leim gehen.

Josef Haslinger: Ich wollte auch das Bild des sterbenden Blicks aufgreifen. Das ist eine Technik, die mir gefallen hat. Davon würde ich mir in diesem Text mehr wünschen. Dass der Erzähler etwas mehr wagt. Er macht ja auch ein Spiel, siedelt sich in vielen anderen Formen des kulturellen Lebens an. Er soll die Techniken, die es gibt, dass man von einem Erzähler zu einer Figur wieder zu einem Erzähler kommt, verstärken.

Redaktion: Petra Haas
Fotos: Johannes Puch, ORF


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