Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und mit freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Pressespiegel

Diskussion nach Lesung von Susanne Fischer

Die deutsche Autorin Susanne Fischer las den Text "Zuckerwatte und Gesang"

"Quälend spannungsloser Text"

Iris Radisch: "Ich finde, hier marschieren nicht nur Heldinnen im Gleichschritt, sondern auch der Text und seine Motive. Es ist ein quälend spannungsloser Text. Eben hatten wir einen Text mit zuviel Geheimnis, hier haben wir klar zu wenig Geheimnis. Die Fahrerflucht scheint nach der Unterwäsche ein beliebtes Thema zu sein. Wir haben die dubiose Seite, die Schausteller, die Heulweiber, den dubiosen Onkel mit Ausschlag, also alles was ekelhaft ist. Andererseits haben wir die uniformierte Seite, die ordentliche Welt. Es ist sauber gebaut, mit kleiner Nadel genäht. Die Spannung ist aber bald raus, denn man entschlüsselt alles gleich."

"Man kommt nach und nach drauf"

Daniela Strigl: "Ich würde meinen, man kommt nach und nach drauf. Ich dachte, es handelt sich bei dem Wesen um einen Mann, dann kommt man drauf, es ist eine Frau. Auch andere Dinge erschließen sich nach und nach, z.B. dass es sich um kein freiwilliges Couch Potatoe handelt. Dass die Feuerwehr in diesem Fall als Mörderbande auftritt ist eine alte Geschichte, wird aber hier interessant abgehandelt. Dass die Motive alle an seinem Platz sind, ist für eine Geschichte ja gut. Es ist durchdacht."

"Gleichschritt macht das Tempo"

Friederike Kretzen: "Ich würde beim Gleichschritt einhaken. Er gibt die Erzählweise vor, das Tempo. Darunter geschieht etwas völlig Chaotisches, das ich nicht entschlüsseln kann, der Zustand dieser Frauen. Man weiß gar nicht, welche Geschichten sie erzählen. Die sind aus Klatsch und Tratsch gemacht und für mich ist das Gewalt, die verbreitet wird. Die Frauenfeuerwehr, das Leben auf dem Dorf zu fassen, das ist wunderbar."

"Umgekehrt wäre besser"

Ursula März: "Hier haben wir eine Innenwelt und eine Außenwelt. Die Innenwelt ist klassisch literarisch, eine Urszene. Diese drei Sirenen von der Feuerwehr kommen aber zu oft zu Besuch zum weiblichen Odysseus. Hier wird das Absurde vom Realisitischen unterwandert. Umgekehrt würde es mich mehr interessieren - wenn das Leben der Dicken immer mehr vom Absurden unterwandert würde."

"Die Frau tickt nicht richtig"

Thomas Steinfeld: "Ich habe Bedenken bei der Schilderung der Gewalt. In dieser Geschichte gibt es eine Unterströmung von Gewalt, eine blasenwerfende Giftsuppe - das würde mich interessieren. Der Kontrast ist das Wahnhafte in der Figur selbst. Man sagt, die Frau tickt nicht richtig. Hier löst sich der Effekt auf."

"Krimilesen ist Verschwendung von Lebenszeit"

Burkhard Spinnen: "Als Autor hat man ja Eigendogmen, was man darf oder nicht. Das taugt nicht als literaturkritische Maßstäbe, aber ich tue es trotzdem: Die Figur sagt, "was ist mit meinen Beinen, der Arzt war so lange nicht mehr da"..es wird elf Seiten lang ein Bewusstsein vorgeführt, die Person weiß nicht, warum sie was tut. Das ist ein Trick. Der Text weiß etwas und rückt später damit heraus. Wenn das von vorneherein da wäre, dann wäre es ganz anders. Das Ende gibt es in jedem dritten Tatort - Mord auf dem Nil ist die älteste Version. Man kommt drauf, alle haben ein Motiv und alle waren es dann auch. Das kann nur realisiert werden, wenn man vorher was verschweigt. Das stört mich."

Iris Radisch warf ein, dass es sich für eine Kriminalgeschichte so gehört, dass der Leser auf falsche Fährten kommt.

Burkhard Spinnen gab dann zu, er lese keine Krimis, das sei für ihn vergeudete Lebenszeit. Gelächter im Publikum.

"Text lebt von Gerüchten"

Thomas Steinfeld: "Es könnte aber auch umgekehrt sein, dass sich der Wahn verstärkt und alles Spukgestalten sind."

Josef Haslinger: "Die Dinge sind für mich nicht so klar. Die Situation ist die, wir haben es mit einer Ich-Erzählerin zu tun, deren Weltwarnehmung auf Gerüchte angewiesen ist. Das einzige was sie erfährt ist das, was die drei Frauen erzählen. Aber ihnen ist nicht zu trauen. Die Welt ist eine, die nicht überprüft werden kann. Es gibt dann die Geschichte mit der Feuerwehrübung. In Österreich wird die Sirene nur angeworfen, wenn es brennt, nicht zur Übung. Das mag in der Geschichte anders sein, aber man ist auch hier auf Gerüchte angewiesen. Gibt es das tote Kind überhaupt - das weiß auch die Erzählerin nicht. Die Gewalt hält sich versteckt. Dieses Bild bietet sich und ich will das nicht reduzieren auf eine Auflösung. Der Text löst sich für mich nicht auf.

"Leser wird krank"

Norbert Miller: "Ich sehe das ähnlich, aber die Schlusswendung wird sortiert. Das Ganze ist so einleuchtend und Schritt für Schritt in die Nicht-Auflösung geführt, dass am Schluss, wenn die Figur gesund wird, der Leser krank wird. Bis dahin fand ich es subtil und genau gemacht."

Daniela Stridl: "Technische Anmerkungen - das mit dem Voodoo sagt eine Figur und die Vorstellung mit dem Traum ist offenkundig kein Anzeichen des Wahnsinns."

"Onkel aß zuviel Zuckerwatte"

Ilma Rakusa: "Ich finde die Rolle des Onkels interessant. Er hat zuviel Zuckerwatte gegessen und Hautprobleme bekommen. Der Text spielt absichtlich mit dem Verschweigen und wieder aufschlüsseln. Der letzte Satz hat ein Moment des Überhandnehmens mit dem Versuch der Klärung. Die Widersprüche sind miteinander verzahnt. Der Titel ist sehr schön und bleibt im Schweben."

März zu Rakusa: "Ich hatte gehofft, Sie würden wieder sagen, es mangelt an Wahnsinn. Es ist eine Autorin mit einer imponierend großen Fantasie. Ich habe aber den Eindruck, dass Sie unter deren Möglichkeiten bleiben", sagte sie zur Autorin gewandt.

Friederike Kretzen: "Ich finde diese Phantasiekraft ist eine Geführte, aber nicht realistisch geführt. Das Ende ist ja nur die nächste Schlaufe. Der Text erzählt subtil und sehr schön, wie erzählen geht. Es gibt auch einen Moment des Unfassbaren."

"Bewusste Verweigerung des Textes"

Josef Haslinger: "Was mich irritiert ist die Blässe der Figuren, das Nicht-Wissen über die Figuren. Die Außenwelt wird gut geschildert, aber wir wissen nicht, wie sie aussehen, wie alt die Damen sind. Das ist ein Merkmal des Textes, eine bewusste Verweigerung. Darin ist ein Schlüssel zum Verständnis."

Ilma Rakusa: "Es geht nicht darum, dass wir die Figuren kennen lernen. Wichtiger ist es, wie sie heißen. Die Aura besteht in den Namen, so funktioniert das eher."

Redaktion: Petra Haas


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