Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und mit freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Pressespiegel

Diskussion nach Lesung von Norbert Müller

Der Deutsche Autor Norbert Müller wurde vorgeschlagen von Josef Haslinger. Er las den satirischen Text "Huhn in der Suppe", aus dem Theatermilieu, er wurde vom Publikum mit Gelächter quittiert.

"Tolle Mischung zwischen Boulevard und Kindergarten"

Ursula März: "Formal ist es ein tolle Mischung zwischen Boulevardkomödie und Kindergarten. Man amüsiert sich gut, es liegt auf der Hand. Die ganze Geschichte liegt sehr auf der Hand. Sie gefällt mir gut, ich mag die Blödelei sehr. In der ersten Hälfte lacht man mehr als in der zweiten. Ich frage mich, ob die Blödelei nicht die Tendenz zur Sinnfälligkeit hat.

Die Positionen sind klar verteilt. Für österreichische Verhältnisse finde ich die Bösartigkeit des Textes fast mäßig."

"Beide Texte zeigen die Bandbreite der Literatur"

Josef Haslinger: Allein mit den ersten beiden Texten haben wir den großen Bogen gespannt, in dem Literatur sich bewegen kann. Ist es eine Blödelei? Das glaube ich nicht. Der Text ist auf Lacher angelegt, kommuniziert mit dem Publikum, man muss niemandem sagen, worum es geht. Trotzdem nistet sich der Text in einem Zirkus ein, den es gibt und den man sich nicht nennen traut:

Der Zirkus, der mit den ehemaligen Emigranten veranstaltet wird. Wenn man nach 50 Jahren die ganze Schuld abtragen will und die Leute einlädt und vorführt. Dieser Text zeigt eine zirkushafte Karikatur der Vergangenheitsbewältigung.

Vergleich mit Bernhard

Ilma Rakusa: "Es ist mir schnell Thomas Bernhard eingefallen, aber da vermisse ich bei aller Gekonntheit den letzten Furor - das Über-die-Grenze-Hinausgehen. Er ist mir etwas zu zahm. Beim zweiten Lesen hat er mich nicht mehr überrascht, er ist gut gemacht, hat Pointen, ist aber zu vorhersehbar."

"Satire wie Suppenhuhnschießen"

Thomas Steinfeld kam zurück auf die Genauigkeit. Blödelei würde er nicht unterschreiben, doch der Text habe satirische Elemente. "Bei der Satire darf man nur kleine Gegenstände wählen und genau treffen. Dieser Text hat etwas von Suppenhuhnschießen. Die Suppenhühner, die durch Bild zischen, haben die Größe von Truthähnen. Mir ist das zu gängig." An Haslinger: "Sie sagen, dieser Text spricht unpopuläre Themen an, ich weiß nicht, ob das so ist." Wenn man political correctness angreift, hat man die Lacher immer auf seiner Seite.

"Held scheitert"

Daniela Strigl bezog sich auf das TV-Porträt - Ein Held scheitert und hat sein Scheitern verdient. Eine Satire kann schon hoch hinaus wollen. "Hier gibt es eine kleine Perspektive auf eine kleine Theater-Szene mit einem großen Thema im Hintergrund. Das ist für mich eine gelungene Satire - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn eine Satire funktionieren soll, darf sie nur einen kleinen Dreh weitergehen, als die Wirklichkeit.

Zuviel Übertreibung schadet - die kleine Drehung scheint mir hier geglückt. Es gibt in Wien diesen Schauspieler - Leon Askin. Er ist das Vorzeigemodell, der seltene Fall einer geglückten Rückkehr. Er wird auch verwendet und eingesetzt, ein Zusammenprall von Auschwitz und Business."

"Das Lachen ist das stärkste Argument"

Für Iris Radisch war das stärkste Argument für den Text das Lachen. Es lasse an Bernhard denken, aber nicht nur. "Wir haben Jonke gestern gehört, das ist eben die österreichische Rhetorik, sie ist einfach gut. Der kauzige Rechthaber, der alles besser weiß und dabei sehr komisch ist. Die Figur hat mir gut gefallen. Eine Satire ist es, aber sie hat für mich nicht zu große Themen. Zur Komik gehört ein Gefälle, wenn Unvereinbares zusammenfällt und zusammenprallt.

Der mühsam um Fassung bemühte Amtston beschreibt etwas völlig Lächerliches. Das ist erstmal komisch. Komik, die nicht an den Rändern tragisch ist, wird schnell schal, das ist dieser Text gar nicht. Er hat auch noch eine Schlusspointe."

"Burkhard Spinnen war nicht amused"

Burkhard Spinnen fand den Text gar nicht lustig: "Es ist ein trauriges Unterfangen, dass ich Sie wieder kritisieren muss, Herr Müller. Wieder finde ich ihren Text nicht gut - es ist zum Heulen. Stellen Sie sich vor, jemand anderes als Lubitsch hätte diese Komödie dargestellt, das wäre ein Schrecken gewesen. Sie haben sich hier übernommen, gerade die Schlusspointe finde ich gar nicht gut. Es ist die Allmacht des Positionswechsels. Man blickt der Figur in den Kopf. Ich vermisse die Genauigkeit der Satire. Ich habe nicht gelacht."

Haslinger springt für seinen Autor in die Bresche

Josef Haslinger verteidigte seinen Autor: "Ich habe gelacht und scheue mich nicht, noch einmal darüber zu lachen." Er sehe auch keinen Positionswechsel, es sei ein sehr gut beherrschter Einsatz von vielen literarischen Mitteln und einer Schlusspointe. Das Ende sei doch in Ordnung, dass man dem Protagonisten in den Kopf schaue. "Der Protagonist denkt ständig darüber nach, was die anderen denken und erlebt dadurch eine Art von Positionswechseln". Es sei aber der Wechsel einer Stimmung, ein Wechsel der Gefühle. Das sei literarisch gut gemacht.

"Warum ist die Mutter nicht tot umgefallen?"

Friederike Kretzen hatte die Frage, warum die Mutter nicht tot umgefallen sei. Es sei für sie symptomatisch, wie den Worten geglaubt werde. Die Wörter stehen immunisiert da, es passiere nichts zwischen den Wörtern. Auch am Ende stehe die Frage, könne man die Nazis überleben?

Haslinger: "Es handelt sich um Rollenprosa. Der Autor erzählt uns ja nicht, was er von den Nazis etc. hält." Wir haben die Figur eines Regisseurs, die karikiert werde. Der Autor habe in der Figur ja nicht das letzte Wort. Es sei eine Satire über das Sich-wichtig-machen. Der Text vollführe vor, was er beschreibt.

Steinfeld sagte, außer Burkhard Spinnen habe doch jeder gelacht. Der Text sei Slapstick.

Radisch antwortete auf die Frage von Kretzen: "Warum die Mutter nicht tot umgefallen war - das ist ein Missverständnis des Textes." Die Rhetorik hat vielleicht noch nicht die letzte Raffinesse, aber sie funktioniert gut."

Zwischenruf von Ursula März in Richtung Burkhard Spinnen: "Die Satire kann durchaus in verschiedene Köpfe schauen."

"Miller: Jeder weiß was Satire ist, ich nicht"

Norbert Miller: "Ich weiß nicht genau, was Satire ist, jeder hier scheint das zu wissen. Ich glaube gerne an die erlebte Rede, ich habe zwei Mal sehr gelacht. Das alles funktioniert - daher meine ich, darüber muss man nicht streiten. Diese Frage ist aber heikler, warum überzeugt mich die Endführung am Schluss nicht? Die Schlusspointe liegt auf der Hand, im Rahmen von Roda-Roda-Prosa sehr gelungen. Aber das Problem ist, es ist nicht nur Rollenprosa, sondern wann wird das Thema jenseits der wunderbaren Ärgerlichkeit des Theatermannes unheimlich?

Es ist ja nicht so, dass irgendein Betrieb beschrieben wird, sondern man muss auch die Figuren Ernst nehmen. Es sei zwar pedantisch, aber für den Schluss sei die Pointe bloß in der rhetorischen Schusselligkeit."Es fehlt mir hier der Herr Karl. Der Text in seiner Weise als satirischer Monolog ist sehr lustig, die Frage ist, wie weit kann man ihn überziehen?"

Redaktion: Petra Haas


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