Eine Veranstaltung der Landeshauptstadt Klagenfurt und des ORF Landesstudios Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und mit freundlicher Unterstützung der Telekom Austria.

Chat mit Jurorin Daniela Strigl
Am Freitagabend stand Jurorin Daniela Strigl für Fragen zur Verfügung. Diskutiert wurde über Trends und Qualität der diesjährigen Texte, die Entscheidungsfindung der Juroren und die Apokalypse.
Ein persönlicher Favorit?

Frau Strigl, wer ist ihr persönlicher Favorit?
Antwort Fr. Strigl: Darf ich nicht sagen!

Und wer, denken sie, hat gute Chancen auf einen der Preise
Antwort Fr. Strigl: Sehr raffiniert, aber nicht raffiniert genug :-))

Das stelle ich mir hart vor: Zwölf Stunden Unfug anhören und dann noch chatten.
Antwort Frau Strigl: Mich hält die Hoffnung am Leben, dass ab jetzt kein Unfug mehr kommt.

Wie hält man zwölf Stunden Unfug überhaupt aus? Ich mein, ich konnte zwischendurch ja einschlafen... aber als Juror.. Antwort Fr. Strigl: Es waren nur sieben Stunden und es gab spannende Text

Spannend? Meistens sind die Diskussion der Juroren das spannende Antwort
Fr. Strigl: "Dankeschön!"

Textauswahl und Nominierungen

Wurden ihnen sehr viele Texte zugeschickt? Und wie ist die Qualität der zugeschickten Texte?
Antwort Fr. Strigl: Ca. 400 Texte, 20 sehr gut, 20 sehr schlechte, der Rest mittel

Kann man 400 Einsendungen überhaupt in angemessener Zeit lesen und bewerten?
Antwort Fr. Strigl: Ich habe nicht alle von A bis Z gelesen

Wie wählt man aus den 20 guten Texten den Lieblingstext aus? Wonach sind sie da gegangen?
Antwort Fr. Strigl: Nicht nach nationalen Kriterien, doch nach persönlichem Geschmack

Die Qualität der Texte ist schlecht. Hatten sie keine besseren zur Auswahl? Oder haben ihnen die Verlage/Sponsoren diese Texte vorgeschlagen?
Antwort Fr. Strigl: Bin nicht so streng wie Sie, ich habe 380 schlechtere Texte gelesen

In welchem Verhältnis standen die österreichischen Einsendungen zu denen aus Deutschland bzw. der Schweiz?
Antwort Fr. Strigl: Ich schätze etwa 20 bis 25 %

Inwiefern wird darauf geachtet, dass aus allen drei Ländern Autoren eingeladen werden oder ist das reiner Zufall?
Antwort Fr. Strigl: Naja, es kommen ja auch die Juroren aus allen drei Ländern

Wie oft trifft sich die Jury für die Auswahl der TTexte? Oder kommt jeder mit zwei Vorschlägen im Gepäck?
Antwort Fr. Strigl: Man trifft sich gar nicht, gibt die Vorschläge schriftlich ab

Wird über die Vorschläge diskutiert?
Antwort Fr. Strigl: Nein, was liegt, das pickt

Apropos - wie kommt man überhaupt an die Adresse von Juroren, um Texte schicken zu können?
Antwort Fr. Strigl: Adressen stehen im Internet unter bachmannpreis.orf.at

Ist ein Literaturstudium eine Voraussetzung ausgewählt zu werden?
Antwort Fr. Strigl: Nein!

Ein deutscher Schriftsteller kann sich aber doch auch bei einem österreichischen Juror bewerben, bzw. bei allen, oder?
Antwort Fr. Strigl: Selbstverständlich, ich habe z. B. eine Schweizerin nominiert

Glauben sie, dass einige Juroren bei der Auswahl Angst vor emotionalen Texten haben? Antwort Fr. Strigl: Ja, das glaube ich

Ab wann macht es Sinn Texte an die Juroren zu schicken? Februar, März...?
Antwort Fr. Strigl: Dezember, Jänner

Inwiefern spielen Publikationslisten, Verlage etc. bei der Nominierung eine Rolle - oder etwas anders formuliert: Könnte auch eine anonyme Einreichung nominiert werden?
Antwort Fr. Strigl: Zumindest in einer zweiten Runde müsste die Anonymität gelüftet werden
Anonym lesen stell ich mir auch nett vor :-)

Qualität und Trends

Frau Strigl, wie beurteilen sie die Qualität der diesjährigen Beiträge im allgemeinen?
Antwort Fr. Strigl: Überdurchschnittlich

Ist die Qualität der Texte in den letzten Jahren gestiegen oder gefallen?
Antwort Fr. Strigl: Ich glaube, heuer ist es besser. Weniger autobiographische Tagebuch-Prosa.

Noch etwas (bin halt Purist): Warum sagt man immer "Text". Ein Text ist auch eine Waschmaschinen-Anleitung. Hier handelt es sich um Literatur (Versuche): Erzählung; Novelle, Litanei
Antwort Fr. Strigl: Sehr wahr, wir versuchen, zu variieren

Lassen sich thematische Veränderungen in den Texten im Unterschied zum letzten Jahr, (den letzten) Jahren ausmachen - das "Waldthema", das Dorfthema - und wie ist das zu beurteilen?
Antwort Fr. Strigl: Die Apokalypse ist im Kommen - Jahrhundertwende, 9/11, Angst

Warum dann soviel Dörflichkeit und das Aufatmen um einen Zeitgeisttext "120 tage von Berlin"
Antwort Fr. Strigl: Die Apokalypse findet auch im Dorf statt. Ich habe nicht aufgeatmet

Repräsentieren die Einsendungen die heutige Literatur? Querschnitt?
Antwort Fr. Strigl: Gewisse Trends
Welche, z.B.? Unterwäsche :-) ?
Antwort Fr. Strigl: Unterwäsche im Wald :-))

Inwiefern kann man bei den diesmal gelesenen Texten von einer Repräsentativität der "jungen" Literatur sprechen - die Tendenz geht doch zu knappen, unterhaltungs- und plotorientierten Texten, wie mir scheint. Und gerade solche sind in Klagenfurt (traditionell) nicht gern gesehen - ist das Absicht bzw. warum werden schwierigere und sperrigere Texte bevorzugt?
Antwort Fr. Strigl: Es gab bisher hier gar nicht so viele sperrige Texte

Frau Strigl, kann man das mit schlechter/besser so abhandeln? Oder waren einige nicht lediglich unfertiger?
Antwort Fr. Strigl: Es war genug Zeit, zum Fertigmachen

Was gibt es für beobachtbare Trends in der Literatur? Weniger (mut zu) Experimentellem?
Antwort Fr. Strigl: Ja, vielleicht

Organsiation der Verantstaltung

Würde sich die Qualität der Veranstaltung verbessern lassen, wenn alle Vorleser rote Nasen trügen?
Antwort Fr. Strigl: "Ausprobieren! Oder besser, die Juroren?"

Apropos Vorleser! Sicher leidet die Qualität mancher Texte unter dem nicht vorhanden Talent packend zu lesen. Wär's da nicht sinnvoller eventuell Profis lesen zu lassen?
Antwort Fr. Strigl: Bei diesem Wettbewerb wohl nicht, da muss man seine Haut selbst zu Markte tragen

Wäre es nicht sinnvoll, jeden Tag sechs Lesungen zu haben, anstatt den Samstag gefühlsmäßig "anzuhängen"?
Antwort Fr. Strigl: Für mich ist der Samstag ein Werktag!

Zu Auszügen aus längeren Texten - wär's nicht besser, nur Kurzformen zuzulassen? Antwort Fr. Strigl: Manchmal im Sinne der Autoren, ja

Diskussion über diesjährige Texte

Zum Text von Gregor Hens: Warum ist niemand von der Jury informiert, dass das historische Ereignis des Kennedybesuchs in Costa Rica und der Vulkanausbruch tatsächlich stattgefunden hat und nicht ein Kunstgriff des Autors ist?
Antwort Fr. Strigl: "Frau März hat das erwähnt"

In der Diskussion wurde moniert, dass diese Koinzidenz gesetzt wurde, aber sie war nicht gesetzt, es war Realität, Frau Strigl
Antwort von Fr. Strigl: Ich weiß das! Trotzdem danke

Frau Striegl, was um aller Welt war am Kennedy-Text gut erzählt, ganz davon abgesehen, dass gar nichts wirklich erzählt worden ist. Der Titel war doch schon die Erzählung, mehr war da nicht. Trotzdem scheint es den Juroren allgemein gefallen zu haben. Bitte um Aufklärung.
Antwort Fr. Strigl: Ich stehe eher auf Ihrer Seite

Ich fand den Aspekt des "eigenen Tons" interessant - ist das nicht unabhängig von eigenem Geschmack?
Antwort Fr. Strigl: Ja, ist auch für mich ein objektives Kriterium

Zum Text von Michael Stauffer, in der von einem männlichen Autor aus einer weiblichen Perspektive erzählt wird - warum ist das so unerhört (nach Spinnen). Ein Einfühlen, konstruieren ist doch bei jedem Protagonisten notwendig, wird hier die Geschlechterdifferenz nicht völlig überbewertet?
Antwort Fr. Strigl: Sie sprechen mir aus der Seele - Madame Bovary!

Ich hab's nur blöd gefunden, dass es unerhört sein soll, als Mann eine weibliche Perspektive zu probieren, dann ist ja alles was nicht autobiographisch ist unerhört (was es ja auch ist ...)
Antwort Fr. Strigl: Das habe ich ja mit meinem Hinweis auf Flaubert gemeint!

Warum macht es nichts, wenn gar nicht erzählt, sondern nur ein Bewusstseins-Strom geboten wird?
Antwort Fr. Strigl: Wem macht das nichts?

Wie entscheidet die Jury?

Inwieweit beeinflusst das Outfit der Autoren die Juryentscheidung?
Antwort Fr. Strigl: Ganz ehrlich: gar nicht!

Was machen die Juroren eigentlich nach der Arbeit heute. Weiter diskutieren oder Teilnehmer trösten?
Antwort Fr. Strigl: Beides

Frau Jurorin, gibt es innerhalb der Jury Koalitionen, evtl. länderspezifisch?
Antwort Fr. Strigl: Da mag etwas dran sein, z. B. im Punkto Humor

Woran liegt es, dass die deutschen, weiblichen Juroren eher formelle, sprachtheoretische Aspekte honorieren?
Antwort Fr. Strigl: Mir ist die Form auch wichtig

Mir ist die Form nur zweitrangig.
Antwort Fr. Strigl: Das Thema ohne Form funktioniert leider überhaupt nicht in der Literatur

Wie dankbar ist ein Juror, nicht anfangen zu müssen?
Antwort Fr. Strigl: Je nachdem, ob ihm schon was auf der Zunge liegt

Kann angenommen werden, dass sich die Jury im nächsten Jahr aus den selben Personen wie heuer zusammensetzen wird?
Antwort Fr. Strigl: Bitte die Behörde fragen

User "litfink": Im Plenum fand ich Sie besser!
Antwort Fr. Strigl: ....sagte "litfink" der Marathon-Läuferin, als sie in Marathon ankam

Wie lange vorher bekommen die Juroren die Texte?
Antwort Fr. Strigl: Ca. eine Woche

Ist es wichtig, dass die Juroren die Texte schon vor der Lesung haben?
Antwort Fr. Strigl: Ja, unbedingt, man wird ihnen so eher gerecht

Finden Textdiskussionen unter den Juroren auch außerhalb der öffentlichen 30 Minuten in größerem Maß statt ?
Antwort Fr. Strigl: Wird eher vermieden. Es soll nichts vorweggenommen werden, damit die Spontanität erhalten bleibt

Warum stellt man der armen Frau so sinnentleerte Fragen?
Antwort Fr. Strigl: Sie verstehen mich :-))

Die Stimmung wechselt, wer zuerst liest, hat es schlecht.
Antwort Fr. Strigl: So ist das mit der Gruppendynamik. Da kann man nur versuchen, manchmal gegenzusteuern

Fanden sie Texte in der Diskussion falsch angepackt? Wie verhält sich das zum "End"-Urteil?
Antwort Fr. Strigl: Kann nicht schaden, wenn man sie vor dem Endurteil noch einmal liest

Werden die Texte ein öfter oder selten falsch angepackt?
Antwort Fr. Strigl: Ein paar Mal schon

Lesen sie die Texte nochmals oder wissen sie bereits, für wen sie votieren wollen? Antwort Fr. Strigl: Ich bin noch nicht sicher

Also mir tut keiner von denen leid. Letztendlich profitiert doch jeder ungemein, der es auf diesen Sessel geschafft hat.
Antwort Fr. Strigl: Setzen Sie sich einmal in die Mitte und lassen Sie sich zerpflücken

Ziehen sie sich zur Beratung wie die Geschworenen zurück? Oder ist es eher wie beim Schlittschuhlaufen?
Antwort Fr. Strigl: Die Abstimmung ist öffentlich, aber auch für mich eine Premiere

Welche Art von Text würden sie selbst hier einreichen oder gerne gewinnen sehen?
Antwort Fr. Strigl: Meine poetische Phase habe ich hinter mir. Gewinnen sollte ein Text, der nicht mit der Lesergunst spekuliert

Sollte nicht gerade das ein wichtiges Kriterium sein?
Antwort Fr. Strigl: letzte Antwort: Dann ist er für mich nicht authentisch

Fr. Strigl: "Frau Strigl sagt Danke, und geht jetzt Abendessen!"

Gut geschlagen Frau Strigl und Danke

Antwort Fr. Strigl: "Bin schon weg."

Alle Fotos: Johannes Puch


Im Vorjahr gab es an zwei Abenden erstmals einen Chat, der vom Publikum gut angenommen wurde:

 

Robert Schindel (links) und Burkhard Spinnen (rechts) mit ORF-Redakteurin Petra Haas beim Chat. Fotos: Janesch

Im vergangenen Jahr waren Robert Schindel und Burhart Spinnen Gäste im "Kärnten-Room". Die Fragen reichten von "wer hat Ihnen das gestreifte Shirt herausgelegt" bis zu Ernst gemeinten Literaturthemen.


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