Deutschsprachiger Gesang
"Die Berliner Autorin Inka Parei
hat den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewonnen. Doch in diesem Jahr
war die Debatte glanzvoller als die meisten Texte", berichtet
der Tagesspiegel am 30. Juni 2003. "Schon zum 27. Mal traf
sich „heuer“, wie in Klagenfurt auch Nicht-Österreicher
gerne sagen, der Literaturbetrieb im pittoresken Städtchen,
das wenige Kilometer von der italienischen und slowenischen Grenze
entfernt am Wörthersee paradiesisch lässig vor sich hin
dümpelt. 1977 von Marcel Reich-Ranicki im Geburtsort der vier
Jahre zuvor gestorbenen Ingeborg Bachmann ins Leben gerufen (auch
weil nach dem qualvollen Siechtum der Gruppe 47 endlich wieder etwas
Kontur gewinnen sollte im wabernden deutschen Sprachraum), hatte
der Wettbewerb von Anfang die bis heute gültige Liturgie: Eine
Jury von Kritikern, Literaturwissenschaftlern und Autoren reagiert
mit Spontananalysen und -wertungen auf halbstündige Lesungen
der schreibenden Blüte der deutschsprachigen Jugend. Jedes
Jahr wird natürlich ein bisschen nachjustiert an den Stellschrauben
dieses eigentümlich robusten Apparats: Mal mehr, mal weniger
Juroren, mal durften die Kunstrichter Texte vor dem Wettbewerb nicht
lesen, mal doch, seit 1989 wird die viertägige Veranstaltung
live im Fernsehen übertragen. Und natürlich gibt es auch
einen Inflationsausgleich der Preisgelder (heuer insgesamt 50000
Euro). Aber an der Struktur des „Bewerbs“, wie man in
Österreich sagt, änderte sich nichts: Die Texte sollten
der Kritik möglichst nah auf die Pelle rücken und andersrum." |