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Gold Uns die Stadt: B, denn wir, sagen wir hier, sind nicht ängstlich, und das Schönste am Krieg ist ja die Nachkriegszeit. Das ist in jedem Fall klar, immer, natürlich. Da wird alles gut, wie wir wissen, das ist sicher, wir sind uns sicher, es wird besser, sicher ist sicher, okay, alles geht vorwärts und dann, am Ende: Es wird Gold. Und glänzt, ja, wir befinden uns jetzt halt in solch einer lockeren Situation, die historisch ohne Beispiel ist: Einmalig sind die Möglichkeiten, die erwachsen und die wir nicht leichtfertig verspielen werden. Wir sind gelassen, und bloß Hans Zork hat simultan ganz andere Probleme zur Zeit. Er ist der erste aus einer Handvoll künstlich mißratener Heldinnen und Helden und steht in seinem Zimmer in der B-Stadt, wo er nicht weiß, was er tut. Er weiß es nicht. Schuld an diesem Zustand ist vor allem Anna Plech, die nächste aus jener Gruppe an unserem Rand. Anna ist Zorks Partnerin und sie hat, sagen wir, einen Stricher geknallt, einen bezahlten Jungen genommen, d.h. mit einem Profi geschlafen. Das sagt sie, die Sau, und Hans Zork, verletzt, patzt sofort grob, denn er denkt: Blöde Votze ficken. Bei Leuten wie Zork und Plech (eigentlich: Plechatsch, Johanna Plechatsch, so steht sie im Telefonbuch) und auch ihrer Freundin oder Bekannten Lotte Müller (eigentlich: Charlotte Müller) samt deren türkischen Geliebten mit Namen: Dorado, bei denen also, da kommen Schweinereien vor und Betrug, wie man leicht sieht. Es ist dann kein Wunder, wenn es da nicht voran geht: bei denen, die zu nichts kommen. Im Zimmer nebenan, von Zork aus gesehen, steht nun diese Anna Plech wie verwurzelt, und es ist offensichtlich, daß die üblichen Verflechtungen vorherrschen wollen, und wir sind es, die da umgehend handeln könnten, von vornherein besser saubere Ordnung halten. Klar. Wir haben ein Programm, in dem für solche Leute wenig Platz ist. Das tut uns leid. Wir, so ist das, bauen D-Land, Berlin, wir machen uns breit. Gut, Kräne schauen oben heraus aus der Stadt und weisen uns unsere spannende Zukunft. Sie weisen uns aus, und Anna Plech in ihrem Zimmer überlegt nun, immerhin, während wir beschäftigt sind, und Zork weiß nicht, was er tut, wie gesagt, nicht wirklich was er denkt, wie ein jeder, der solche haltlose Vulgarität herausblasen muß. Aber wir wollen das nicht entschuldigen und machen statt dessen uns nichts vor und verbringen unsere Freizeit sinnvoll: mit Vater Zork zum Beispiel, dem ganz natürlich und rundum gelungenen Vater von Hans Zork, der das Leben schon vollständig kennt als die Tragik, die es ist. Er winkt nämlich meistens schnell ab, Vater Zork, der neunzehnzwanziger Jahrgang, und wir können ihm glauben. Gelassen flößt er uns den Respekt ein, den er verdient. Er lebt nicht wie sein Sohn in Berlin, ist aber nach dort momentan unterwegs: Es geht heute rein zufällig auf den Heiligen Abend zu. Vater Zork ist zum Sohn unterwegs und zwar, na klar, mit dem Auto (plus Frau) und wurde, soviel nebenbei, aufgrund einer Panne verschleppt und mußte erst zahlen und zwar horrend, bevor man ihn (plus seiner Frau) wieder fahren ließ. Zork senior hat aber schon ganz anderes bewältigt, als er so alt war, wie Hans es jetzt ist. Na also: Da hat der Vater so manche Polin genommen, das ging damals umsonst. Jetzt sagt er, da kannste nix machen. Mit Durchreisenden, sagt er, da machen sie, was sie wollen. Er ist ja der Vater und sagt: Da kannste nix machen. Die paar hundert Mark, sagt er, scheiße. Er hat seine Frau mit dabei und fliegt, an das Fest anschließend, in Urlaub. D.h. er hat Stil, und wer hat den nicht? Hans! Aber kurz noch zum Vater: Der schwört, seit der Krieg aus war, auf unsere ureigenste Erfindung, unser ideelles Gebäude, genannt: DOM. Mit sich schleppt der Vater dies rum immer und hat mit der Zeit, ja also, er hat schon etwas mitgemacht und was erlebt, nicht lediglich Frauen, und sicher hat er für all das fortlaufend bezahlt. Das haben ja wir eben nicht und wollen es selbst redend alles auch nicht, und nur Vater Zork züchtet Wünsche, die groß sind. Sie wachsen und unterliegen der Inflation. Das weiß auch die Mutter: Ihr Mann arbeitet hart, genau wie sein Vorstand: Merton. Der wird den Roman der Gesellschaft kaum überleben. Und sitzt, kurioserweise oder für dieses Stück jedenfalls mal, im fiktiven Dom, der unseren klassischen Trostspender darstellt, und zu Recht sitze ich hier, sagt er, der Vorstand, als Vorstand, denn ich arbeitete hart und erkannte eines schon früh: Die erste Variante der Instabilität. In Zeitdingen versteht Merton keinen Spaß. Klar. Es hängt auch alles davon ab, ja. Der Vorstand heißt Robert Merton und ist echt. Er hadert mit der Zeit zu Recht. Er verspricht die Blüten schon fürs kommende Geschäftsjahr, denn heute sind wir uns sicher, wie es sonst nur der Tod ist: Super. Kritik, sagt der Vorstand! Wenn wir mit wenigen Opfern, z.B. 200, sagt er im Zweifelsfall, Stabilität schaffen können, Zeit, sagen wir 20 Jahre, da spricht unser Vorstand: Dann werden wir Opfer bringen. Gut geht es Merton, gerade wie Vater. Der schläft zwar meist schlecht, sagt die Mutter vertraulich: Unter uns, unter vier Augen. Er schreckt im Schlaf hoch und schwitzt fürchterlich. Unter vier Augen. Wir kucken von weitem zu, und er schreit, unter vier Augen, er war ja dabei, heult jetzt die Mutter. Sie jammert (und ist eigentlich durch und durch jämmerlich, aber wir geben das zu) unter vier Augen. Sagt sie, bei allem dabei. Ist ja schon gut. Ihr stellt euch nicht vor, was wir mitgemacht haben. Damals die Bomben, alle Häuser kaputt. Und jetzt gehts allen so gut. Stimmt, das haben wir geschafft, unser Gott, das lassen wir uns sicher nicht wieder nehmen so leicht. Alle denkbaren Methoden. Wir haben! sagt der Vorstand. Den Glauben begründet, den Dom: Baugruppen fügen wir zügig zu Bauten zusammen und Kunstwerke kotzen uns an. Nur Hans ist jetzt zu Hause und empfängt seine Eltern (siehe oben) und die Zeit, wie immer, Ende Dezember, ist kalt und jetzt nimmt alles den Gang, den es geht: Hans Zorks Mutter (Mutter Zork) winkt schon von der Straße und ruft zum leeren kleinen Balkon hoch: Haaahns! Sie sagt zum Vater, d.h. ihrem Mann, hier muß es doch sein, sagt sie zum Vater und kuckt auf einen Zettel und kuckt wieder hoch zum Balkon und dann wieder zum Auto und sagt, hier muß es doch sein, sagt sie zu ihrem Ehemann, Vater Zork. Der parkt grade ein. Fein: Gott, Golgatha, Gold.
Mut, Schwere, Gewicht. Da gehen wir scharf mit (einer derartigen
Situation) ins Gericht: Von uns aus soll Hans nämlich schmoren
in den Verdrehungen, in denen er lebt, denn wir haben uns lange
schon abgeseilt von der Familie zur Freiheit und gut, machen
wir, daß wir auch wegkommen von Hans. Er sieht eh immer
bloß eng in alles hinein und ist als Held einer Burleske
sowieso kaum zu gebrauchen. Das finden auch seine Eltern: Daß
wir da keinen Axbruch erlitten, ruft hell und bescheuert die
Mutter in bezug auf die Fahrt nach Berlin. Sie setzt die Erfindung
vom neuen Auto und wies gleich kaputt ging, d.h. wie ihr Traum
(puff!) zerplatzte, mit zahllosen Wörtern im nachhinein
nochmals zusammen. Sie malt das Zerplatzen des Traums (wie
der Wagen abgeschleppt wird) noch ein weiteres Mal aus. Sie
verwendet ausschließlich Bilder, die schräg sind,
wir grinsen da dumm. Mutter Zork bemerkt aber nix und erzählt
unvollständig in allen Schattierungen, in fast allen
Ausführungen und in allen Details. Sie hat eine Leitung,
die lang ist, und lange wortlos ist auch ihr Sohn, unser Hans.
Was hat denn das Auto gekostet, fragt er kurz drauf, während
sein Vater einfach bloß lacht. Er nimmt den Sohn in
den Arm und dreht sich zum Haus. Mit Hans zusammen herum
und herum. Der Vater dreht sich und dreht sich. Wir stehen
und sehen. Vater lacht, das hat wahrlich er verdient und nicht
Hans, und wir haben damit schon mal einen drastischen Unterschied
herausgearbeitet. Die Schere ist also gut auf, und der Vater
sagt: über Geld spricht man doch nicht, Hans, Junge,
lacht er. Der Vater: Der Gute. Er lacht Hans an, das ist sein
Sohn. Jetzt haut mit der flachen Hand der Vater dem Sohn auf
den Rücken. Sowas haben wir schon mal gesehen. Das ist
abstrakt, Abstraktion. Sie täuscht nicht, und lachend haut
noch immer der Vater, der Hund. Er sagt: Mensch, Junge, Hans,
da spricht man nicht drüber, sagt er z.B., Geld, Junge,
sagt er zum Hans: Das hat man. Vater Zork grinst, und seine
Züge entgleisen kein bißchen. Er befindet sich auf
dem Weg in die Sonne, dem häßlichen Winter im D-Land
entfliehend: Die paar tausend Mark, sagt er, scheiße,
und Mutter Zork ist auch da. Sie steht in der Küche,
hat Proviant ausgepackt, sie will helfen und brennt schon vor
Eifer. Sie schaufelt im Innern grob Lust und Hans beginnt mit
dem Kochen. Vater kuckt fern. Und Hans kocht nun also Pasta.
Was, fragt die Mutter, ja mein Gott: Nudeln, sagt Hans schon
wieder unlustig und schneidet diverses Gemüse und Knoblauch.
Muß das sein mit dem Knoblauch, fragt Mutter und Hansi
sagt, ja. Die Wohnung ist blöde, finden Zorks Eltern.
Lange hatte Anna nach einer gesucht. Die Suche war hart und
alt ist das Haus. Bei Zorks Eltern kommt gleich beides nicht
an. Dazu sagt Hans nichts. Zork Mutter tröstet ihn dennoch
sehr lieb: Im nächsten Jahr könnt ihr vielleicht in
ein besseres Viertel. Hans, ruft Mutter zu Hans, der weghört.
Wir haben doch alle mal anfangen müssen, brüllt
sie. Hans, alle ganz klein! Ein besseres Viertel, wiederholt
sich die Mutter und niemand hört zu. Ein goldiges Viertel,
Hans, sagt sie, ein teureres, Mensch! Hans! Eines, das glänzt.
Tja. Dies Viertel ist nicht so recht passend, nicht recht ansprechend
und anders wärs besser schon besser und auch Mutters Augen
tragen jetzt Glanz. Sie zieht sich ins Bad zurück und
Anna befindet sich gleichzeitig, also: heut abend, in ihrer
Heimat kurz hinter der Stadtgrenze: Bernau. Und Hans ist oft
bloß abwesend. Lieber hält er sich in Fantasien
auf, wie zum Beispiel in Anna, und zieht sich aber auch dort
gleich wieder zurück, was einen leichten, tauben, abscheulich-gräßlichen
Geschmack in uns hinterläßt. Aber zurück zum
Vater. Er raucht eine Zigarre, was wahrlich er wieder
verdient hat und wieder nicht Hans. Die Unterschiede sind
also erstaunlich stabil und Vater liest nun, erst im Straßenatlas
von D-Land, dann im Stadtplan von B. Alles gehört uns. Zork
Vater hat Größe, wie D-Land, das tut ihm nicht
weh. Mutter im Bad, die rollt Deo, ins Haar sprüht
sie Schpreh. Wir kommen langsam in Stimmung, in Wallung, da
zerfällt die Musik. Hans denkt an Anna. Er kocht. Im Fernsehen
kommen Bilder der B-Stadt. Sie flimmern. Der Vorstand sitzt
schlicht im Dom. Zork Vater erregt sich. Alles ist alt: Es erinnert.
Jetzt kommt der Vorstand, Zork Vater kuckt, in der Zeit nach
ganz vorne orientiert, gebannt ins Tehfau. Meine lieben Mitbürger,
sagt der Vorstand, und Mitbürgerinnen. Unser D-Land, sagt
er, der Vorstand und lächelt. Es steht jetzt viel besser
da, sagt der Vorstand. Die Wirtschaft zieht an, sagt er, das
ist alles ganz klasse und prall. Sie wächst kräftig
spürbar. Das ist alles ganz super und toll. Ich ganz allein
habs gemacht, alles, denkt er: Der Vorstand und Zork Vater denkt
mit. Zwar ist die Krise noch da, sagt er, Vorstand Merton,
und andere Regionen und sogar Asien und so holen auf. Meine
lieben Mitbürgerinnen, sagt er, der Vorstand, und Mitbürger.
Die Kamera fährt an den Vorstand heran und es entsteht
Nähe. Die Mutter tritt aus dem Bad, duftend, und trifft
in der Küche auf Hans. Ich, sagt Merton, meine lieben
Mitbürger und Mitbürgerinnen. Das D-Land steht da.
Kochduft knallt in der Küche an Deoduft und Haarschpreh
knallt wieder an Kochduft zurück: Anschließend kam ein Schpott mit dem Modell der Eltern. D.h. dem Nachfolgemodell. Es hat einen Doppelährbäck zum gleichen Preis wie das einfache Modell der Eltern (mit nur einem ährbäck) und einen adretten Schriftzug wie von echter Hand seitlich hinten am Heck: Gold. Das ist der zusätzliche Name des neuen Sondermodells zum Preis des alten Einfachmodells. Weitere Extras kommen dazu. Wir tun was in D-Land für neue und alte Zielgruppen und sprengen Märkte. Selbst in Berlin. Zorks Eltern setzten sich nach dem Schpott zum Essen an den Tisch, aber die Laune war allgemein versaut wegen dem Angebot. Schade. Aber nicht zu ändern. Zu lachen gab es also wenig. Hans dachte an Anna. Wir erinnern uns langsam, wir sehn in die Zukunft. Ewig ist nur Gott und der Tod. Wir ahnen sacht und laufen schon hin. Und Hans denkt jetzt zum Beispiel an Anna. Und an ein paar Tote von gestern im Fluß Oder, von denen Anna und er kurz gesprochen hatten, und ratlos. Er, Hans, ahnt nicht, daß es heute noch schlimmer, noch weit schlimmer als unlustig, also viel schlimmer kommen kann. Der Heilige Abend wird bei Zorks in der Tat katastrophal, zum Eklat, weil das Auto der Eltern, das neu ist, herabgesetzt wird. D.h. daß, was grade noch neu war, es jetzt nicht mehr ist. So eine Panne (Katastrophe) war nicht geplant, und auch der Held Hans ist jetzt hilflos. Die Zukunft jedenfalls verliert für die Eltern den Sinn. Sie wird eine Farße. Sie verliert für die Eltern den Sinn, diese Zukunft, solange das Auto nicht neu ist, d.h. das letzte neue noch nicht gekauft ist. (Wir biegen uns krumm!) Hans macht sich deshalb vom Acker. Er verschwindet zu Recht in die Nacht des Nachkriegs Berlins. Er trifft im Mollie verabredet auf seinen Freund Dorado Tumbaga. (Was für ein Name?) Am Tresen steht Doro, als Hans eintritt, mit Zigarette und Glas steht er da und hebt eine Hand und sagt so lachend wie langezogen: Hee Hansi, sagt Dorado und schließt mit erhobener Hand: Zork! Tumba schlägt seine Hand in die Hand von Hans Zork, wie wir es bei Doppelpartnern im Fernsehen schon eintausend bis zweitausend Mal beobachtet haben: Alle 10 Finger zeigen nach oben, die Handballen prallen zusammen, die Daumen fassen umeinander herum. Alle 8 anderen Finger knicken jetzt ein und greifen um den jeweils anderen Handballen in Richtung der Handfessel, d.h. also jeweils 4 zusammen einander entgegengesetzt, herum. Aha! Eine gelöste Stimmung entsteht für uns sichtbar. Hans lächelt, kuhl. Er haßt seine Eltern, wenn auch nicht richtig. Ist doch kühl, daß die mal da sind, will Tumba den Saufkumpel beruhigen, aber der macht eine wegwerfende Bewegung mit seiner bevorzugten Hand. Kotzt mich an, sagt Hans, und uns kotzen sie auch an, diese Eltern von Hans. Die hier absolut nichts verloren haben außer halt jenen Krieg früher und jetzt ihren Hans, den sie schon lange verloren haben und ganz: Vor stocksteifer Dummheit starren monströs die Eltern von Hans. So: Fehlen tun von den eingangs erwähnten sozial schwachen 5 jetzt, neben Hans, Anna und Doro, dem Scheiß\-türken, ein Witz, noch zweie: Das sind Lotte, eigentlich: Charlotte Müller, die Lebensgefährtin von Doro, sowie abschließend das Mädchen Sismene, das die Tochter Mertons darstellt. (Sie würde folgerichtig zur Vatermörderin, wären wir für ein ausgewachsenes Drama bloß selber ausgewachsen genug!) Am Heiligen Abend jedenfalls kam Sismene sich nah mit Dorado und hat Kosungen im Dunkel geflüstert, erdacht. Es wurden Arme um Rücken, um Rümpfe und Beugen geschlungen, Düfte gekostet, Liebe gemacht. Die beiden haben geschwitzt und gelacht. Was es in Berlin alles gibt:
geil! Für Romantik fehlt uns dann letzten Endes aber auch
wieder was, z.B. die Zeit, die uns hier abgeht. Dafür sind
wir immerhin viele, sind mehr. Das ergibt sich von selbst eigentlich
und alles andere dann anschließend auch: Vorwärts
geht es, mit Hans. Die Unfigur (unsere Marionette) mußte
nach dem Festessen also, wie grade gesagt, noch rausgehen
unbedingt. Er hielt das nicht aus, obwohl es doch bloß
seine Eltern waren, von denen er eine Menge hätte lernen
können ein Leben lang und im Prinzip. Wir legen auf
beides Wert. Dann ist es beschwert, aber Hans Zork ging
um Ecken herum und an Blöcken entlang. An jenem Abend
am Ende des 20. Jahrhunderts, dem Festabend. Wir, avanciert
und prädestiniert, wetten, er bekam Unterstützung.
Allein jedenfalls trug sich das nicht. Irgendwie fühlte
man doch, daß Geschichte in der Luft lag, schwanger
schien alles. Es lag wohl am Datum oder am Krieg, der aus war,
oder am nächsten, der uns irgendwie zuwinkte, aber das
merkwürdig lächelnd, sehr überlegen, oder es
lag daran, daß wir dies Winken gerade nicht sehen konnten,
sondern bloß spürten wie einen verstohlenen Blick
in unserem Rücken in der vollständig weißen
Ebene, die vor uns lag ohne denkbare Behausung. Oder es lag
an all diesen Randbedingungen, die auf die Stimmung zu drücken
sich anmaßten oder so. Und am Vorstand Merton lag es durchaus
nicht. Wir spürten ganz klar die Weite!! D.h. uns wurde
eng: auch wegen Hans. Der kommt zum Mollie, einem düsteren
Ort, wo nichts neu ist und alles nur alt: eine Unterstadt
fast, die wir rund ablehnen zwar und dann angesichts anderer,
halt existentiellerer Fragen doch tolerant übergehn.
Hans Zork tritt also ein, und an der Theke steht Doro. Der hebt
wie kodiert eine Hand und fragt, und, und Hans sagt trotz alledem:
Scheiß. Doro macht diese wegwerfende Bewegung der bevorzugten
Hand, wie wir sie bei diesem großen Schauspieler doch
schon mal haben beobachten können. Er, Doro, meint, es
sei kühl, daß die mal da wären: So fürn
Tag. Hans nickt, und dann trinken die beiden ein paar Biere,
zwei Whiskys und gehen anschließend ins Donats. Ob die
zwei Whiskys im Mollie jetzt zusammen getrunken haben oder
jeder für sich ist nicht gesagt, aber das Donats ist
ein Berlin-Treff, wie er typisch ist für junge Leute und
wir, elaboriert und informiert, horchen bei Vokabeln immer gleich
auf. D.h. Filme laufen ab und wir gaffen. Z.B. Doro: Er
trifft dann wirklich die Tochter vom Vorstand, Sismene,
wenn es nicht erfunden wäre, und vögelt sie, die
Sau, was mit Doros Rausschmiß bei Lotte endet, was
ihm recht geschieht. Sowas kennen wir ja. Wir sind beruhigt,
vorgegeben, wir sind eine Menge. Die Majorität. Die Majestät
ist Merton, mit seinen Kommandanten, den Adjudanten, mit
den Agenten, den Präsidenten. Sie bauen Berlin richtig,
auch das ergibt sich von selbst. Nebenbei flogen Zorks Eltern
dann ab, am nächsten Tag, das war der 25. Dezember, die
Zeit floß dahin in Berlin und floß am Ende ab, so
daß sie weg war dann. Und weg waren auch die Eltern.
Sie flogen fort von der Großstadt, direkt in die Sonne,
wo sie ausspannen wollten und lustige Ausflüge machen
sowie ein paar Kontakte. In der Tat ist Gott müde, denn dies war uns, die wir immer schon Antworten parat halten und das Ende glücklich erahnen, auf das wir seit jeher reduziert gewesen sein wollten, ganz klar nichts auf Dauer. Das war Prostitution. Oder halt, nein, einen Moment noch: Das war Kapitalismus: Prostitution! Und: Ich bin ja strunzhetero,
würde Hansi, bevor die Nachricht über das Schicksal
der Eltern einträfe, wäre er echt, vielleicht zum
Schluß gesagt haben: kann auch nix dafür. Bloß
wir, ja-nö, finden sterben ganz albern, unser Gott: Daß
wir nicht lachen. |