Tim Staffel. Geb. 1965 in Kassel, lebt in Berlin.

Hüttenkäse

Streetballplatz. Wir spielen drei gegen drei. Ich ziehe zum Korb, täusche an und Moritz blockt mich trotzdem. Der Monsterblocker. Er gibt mir Fünf und grinst sein Grinsen. Philipp kommt und will mit Moritz reden, aber der ist noch mit mir beschäftigt. Ich checke, ob Philipp neue Narben hat. Tyree will den Ball und versucht wieder einen seiner lächerlichen Dunks. Ich kann ihn nicht ausstehen, den schwarzen Gott mit der kaputten Schulter. Ich ziehe mich zurück, und Philipp kann endlich mit Moritz reden. Ich warte auf Oktai, der sich seit zwei Wochen ausklinkt, und als er endlich auftaucht, fragt er nur: - He Alter, wie geht's? - Alles bestens. Wie läuft's bei dir? - Ich bin voll fett, man. Vor zwei Jahren hätte ich geschworen, daß Oktai das Zeug nicht anrührt. Er gibt mir seine Packung OCB und setzt voraus, daß ich den Rest selbst dabei habe, und natürlich habe ich Bock auf einen Shot mit Oktai. Daß ich danach keinen Ball mehr treffe, ist mir egal. Sie kennen das; ich darf mir das erlauben. Oktai schiebt sich den Joint verkehrtrum in den Mund, und wie immer habe ich Angst um seine Zunge. Unsere Hände formen den Trichter, sein Mund an der einen , mein Mund an der anderen Seite, er atmet aus und ich atme ein. - Alter, du bist ein Huhn! - Ein Huhn? - Ein Huhn. Ich bin ein Huhn, daran habe ich mich gewöhnt. Moritz erzählt mir, daß Tyree jetzt bei ihm wohnt, wiel er nicht zurück in seine Wohnung kann. Seine Aufenthaltsgenehmigung ist abgelaufen. ich habe keine Ahnung, was das mit der Wohnung zu tun hat. - Tyree fotografiert gern, okay, und er mag Kinder. Und die Kleine, die über ihm wohnt, also, die ist vielleicht elf oder so und auf die paßt er manchmal auf, und neulich hat er sie fotografiert.Und die Kleine erzählt jetzt, daß Tyree sie fotografiert hat und daß sie sich ausgezogen hat, weil Tyree das so wollte. Ich sage, daß das voll daneben ist, weil ich keinen Bock habe, zu widersprechen. - Und jetzt? - Jetzt schicken sie sie zum Psychiater, weil die Mutter ihr auch nicht glaubt. Die Kleine ist verknallt in Tyree, deshalb erzählt sie den Scheiß, aber Tyree braucht jetzt 'n Job oder muß heiraten, wegen der ufenthaltsgenehmigung. Aber seine Alte macht voll Streß wegen der Kleinen. Keine Ahnung, wie Oktai es schafft, die Hook-shots zu versenken. Moritz wartet auf irgendwas und, ich kapiere nicht, daß er auf mich wartet, daß ich was unternehme. - Also, was ist, hast du 'n Job? Ich habe einen Job, aber keinen Job für Tyree. Für mich sitzt Tyree schon im Flugzeug. Philipp zieht sein T-Shirt aus und ich starre auf die Narbe, fünfzehn Zentimeter, rechts neben dem Nabel. - Was ist jetzt? - Was soll schon sein? - Wegen Tyree. - Die Kleine muß zum Psychologen. - Ja, hab ich doch gemeint. Ich versuche seine Augen zu fixieren, und natürlich weicht er aus. - Ist doch okay, wenn er erst mal bei dir wohnt. - Klar, man. Aber er braucht den Job. - Kann er fotographieren? - Idiot! - Ich hör mich um. Er gibt mir Fünf, der Monsterblocker, und ich fange wieder an, Philipps Narben zu zählen, während Oktai in der Luft eine Pirouette dreht und trotzdem noch den Ball ins Netz bringt. Wir gehen zu Moritz, weil seine Mutter um die Zeit immer Abendessen macht. Ihre Haut hat die Farbe der blondierten Haare. Sie zieht an ihrer Zigarette und hat nur Augen für Moritz. Deswegen bin ich mitgekommen. Tyree, Philipp und Oktai lassen sich sofort bedienen, und ich frage, ob ich erstmal duschen kann. Ich seife mich gerade ein, als die Tür aus dem Rahmen getreten wird und irgendein Idiot den Vorhang zur Seite reißt. Ich starre in die Fresse von dem Feldjäger, der mir seine Knarre an die Schläfe drückt, die aber abrutscht, wegen der Seife. Er hält mich immer noch für den Richtigen, packt mich am Handgelenk, das schmal genug ist um dran hängen zu bleiben. Tyree steht in der tür und sagt: - You've got the wrong man, Sir! Der Feldjäger greift sich ein Handtuch und versucht, mich zu enttarnen. Keine Chance. Ich bin es nicht. Die Mutter bleibt ganz ruhig und erklärt ihm, daß sie keine Ahnung hat, wo Moritz ist. Ich trete dem Fucker nicht in seine Eier, und Feldjäger zwei kapiert endlich, daß sie's versaut haben. Philipp holt Moritz aus dem Bettkasten raus, und es ist klar, daß die Mutter jetzt gern mit ihm allein wäre, ihn endlich ausgiebig beschützen will.

Oktai baut ein paar Tüten auf Vorrat. Vor zwei Jahren sah er noch aus wie ein Junge. Ich sitze neben Philipp, der was vom Ficken erzählt. Moritz tapet sich sein Knie. Der Arzt hat ihm Basketball verboten, weil eine Muskelfaser gerissen ist und ich sage: - Halt dich dran, sonst spielst du Rollstuhlbasketball. - Sag mir, ich soll aufhören zu ficken, und ich höre auf zu ficken. Sag mir, ich soll aufhören Basketball zu spielen, und ich piß dir ins Gesicht. - Wann immer du willst. denke ich mir. Wir machen, daß wir rauskommen. Die Mutter zählt jetzt schon die Stunden. Es wird eine lange Tour, so viel ist klar, und ich habe keine Ahnung, ob ich das überlebe. Tyree erzählt mir was von einem schwarzen Jungen aus Südafrika, den sie aus einem Ghetto retten und nach Deutschland verschicken, wo er auch nicht glücklich wird und sich die Kohle zusammensucht, um wieder zurückzukommen. Ich kann kein Englisch und weiß nicht, wie die Geschichte aus geht. Ich erinnere mich daran, daß Philipp was am Laufen hat und frage ihn, was läuft, aber er behauptet, daß mich das nicht angeht, und ich lasse ihn in Ruhe. Wir nehmen die U-Bahn. Der Schweiß tropft von meinen Augenbrauen aufs T-Shirt, und Oktai erklärt mir, daß Türkisch eine einfach Sprach ist, aber er keinen Bock, sie mir beizubringen. Der Security-officer übersieht Tyrees Dealerblick, und sein Köter ist auch nicht darauf getrimmt. Er sabbert durch seinen Maulkorb, und ich stelle mir vor, wie ich den durch einen gezielten Tritt zwischen seine Zähne bekommenen kann. Draußen ist es noch heißer als im Zug, nur daß sich hier die Guardian Angels gegenseitig nach Drogen und Waffen abklopfen. Berufsethos. Philipp klaut einem seine rote Mütze und spielt Frisbee mit Oktai. Der Typ schreit rum, aber die Guardians haben andere Probleme, wiel sie bei einem ihrer Engel ein Messer finden. Ich bilde mir ein, daß es Philipp gehört, zünde mir eine Kippe an und setze den Serienkillerblick auf. Der schützt immer. Wir ziehen in Richtung DOG-FOOD, aber es gibt einfach zu wenig Sauerstoff, um in den Schuppen reinzugehen. Ich hole ein paar Bier und Cola für Moritz. - Leg ein Stück Fleisch in Cola und am nächsten Morgen ist nichts mehr da. - Ich weiß, aber Alkoholiker war ich schon, danke. Die Jungen fangen an, den Mädels hinterherzugucken. Häuptling Tyree wirft die Fangarmaugen aus. Die ersten Idioten fallen darauf rein und dealen den verzuckerten Schnee in einer Nebenstraße an, während ich Schmiere stehe. - Okay, Tyree. Ich stehe Schmiere; ich bin dein Engel und behüte dich. Ich breite meine Flügen aus und winke dir die Bullen ran. Dir haben sie schon vor langer Zeit das Hirn weggekickt, Tyree, ich bin dein Engel. ich habe keinen Job für dich, ich buche dir den Rückflug, gratis, und aus der Geschichte kannst du dann endlich deinen Film machen. Ich gebe Tyree das Zeichen, und der Verarschte zieht Leine. Tyree gibt mir Fünf. Ich kann kein Englisch. Er kapierts und hält sein Maul. Oktai und Moritz bemüen sich um zwei Girls, die nicht interessiert sind. Philipp wartet auf seine Königin. Ich wette, sie kommt nicht. Ich kann von der Seite durch sein Lakers- Trikot sehen und denke, daß eine weitere kleine Narbe über seiner linken Brustwarze nicht schlecht wäre. Vielleicht leihe ich mir sein Messer und bemühe mich selbst, irgendwann. Moritz stellt mir Maik vor und ich frage, ob sie nach ihrer Geschlechtsumwandlung vergessen hat, ihren namen zu ändern. Moritz lacht, aber diese Maik holt aus. Ich fange den Schlag ab und entschuldigen mich. Moritz zieht mich zur Seite und will wissen, was eigentlich mein Typ ist. Ich muß aufpassen. Moritz ist meine Bank in dieser Posse. Vor zwei Jahren dachte ich, Oktai ist die Bank. - Was ist los mit dir? - Kein Interesse. - Bist du schwul, oder was? - Sicher. Moritz Faust auf meiner und sein Grinsen. Ich bin witzig, heute abend. Philipp vergißt, das er was mit einer Königen am Laufen hat, bringt mir ein Bier und will reingehen. Oktai steht schon beim DJ und quatscht ihn voll. Ich brauche einen Moment, um mich an das Seventies-Licht zu gewöhnen und lasse mich unter der Discokugel mit Tupac ein, wahrscheinlich, weil ich kein Englisch verstehe. Am hinteren Tresen steht Eric. Man sieht nicht, daß ich rot werde. Wenn er hier aufreißt, hat er sich den falschen Laden ausgesucht. Vielleicht will er sich umbringen. Mittlerweile hängt meine ganze Posse am Rand der Tanzfläche und zeigt allen, daß wir eine Posse sind.
Ich wechsle ein paar Worte mit einer Esther, um mir Freiraum zu verschaffen. Sie fragt, ob ich öfter hier bin. - Kommt darauf an. - Ich hab dich hier noch nie gesehen. - Ich bin unsichtbar. - Aber anfassen kann man dich? - Kommt drauf an. - Bist ziemlich kompliziert, oder? - Nein. Ich dachte du könntest mir gefallen. - Und, gefalle ich dir? - Weiß nicht. - Bist du blind? - Wahrscheinlich, ja. Ich habe meinen Hund verloren. - Ich hol uns was zu trinken. - Sicher. - Bist du dann noch hier? - Riskier es einfach. Sie lächelt mich an, und es wirkt weniger blöd, als ich dachte. Moritz gibt Philipp Fünf, und sie zeigen mir ihre Daumen. Oktai tanzt seinen drive-by-shooting-Tanz für Notorious B.I.G. Vor zwei Jahren hat er sich vielleicht noch überlegt, ob er Anwalt werden soll. Von hintenlegt sich ein Arm um meine Hüfte, und ich erwarte Esthers Geruch, aber als ich meinen Kopf zu ihr drehe, sehe ich Eric und gegen sein Lächeln hat Esther einfach keine Chance. Ich sage: - Hi und will ihn abfahren lassen, habe den Serienkillerblick wegen meiner Posse, aber Eric behauptet: Gut, dich zu sehen. - Was solls, du redest sonst auch nicht mit mir. - Sonst bringe ich dir deine Drinks an den Tisch. Das ist was anderes. - Ich glaub, du hast dich verirrt. - Anscheinend nicht. - Ich bin nicht alleine hier. - Schon gesehen. Laß uns rausgehen. - Du hast es nicht kapiert, man. Sein beschisssener Arm liegt noch immer auf meinem Rücken. Moritz stellt sich neben mich und will irgendwas. Weil ich bescheuert bin, stelle ich ihm Eric vor, und Esther drängt sich mit zwei Wodka Lime dazwischen. Philipp hat sich mittlerweile mit Tyrees Freundeskoks vollgepumt und läuft mit seiner Hand im Hosenbund rum, das Stroboskoplicht auf seinen Calvins. Die Hip-Hop-Beats entspannt nicht wirklich; ich werde also in den nächsten fünf minuten die Kontrolle verlieren. Ich weiß nicht, welche Hand sich gerage auf meinem Arsch ausruht, wie Moritz seine Zunge in das Ohr der schwarzen Schönheit bekommen hat, was die kahle Fratze von Tyree will, warum Oktai und Philipp schon in ihrem Rücken stehen. Ich verdrücke mich aufs Klo, weil ich überlegen muß, wie ich hier aussteigen kann. Eric fängt mich ab und fragt, ob ich mit ihm auf eine Reise gehen will. Er zeigt mir seine Woody Woodpeckers, und es ist klar, daß ich nicht nein sagen kann. Eine halbe Stunde reicht, um uns dahinzubringen, aber ich kann nicht einfach dreißig Minuten vor dem Pißbecken stehen bleiben. Tyree, Oktai und Philipp stecken die Köpfe zusammen, und Moritz holt endlich seine Zunge aus dem Ohr, erklärt mir, daß das Venessa aus Detroit ist. Ich kann kein Englisch, begnüge mich mit einem: - Hi, Vanessa. Esther drückt sich mit ihren Titten gegen mich und Eric grinst, den nötigen Vorrat an Wasser schon unterm Arm. Tyree singnalisiert uns den Abgang. Draußen steht die Luft still. Esther und Vanessa wollen wissen, was jetzt so läuft, und in meinen Händen fängt langsam das Kribbeln an. Wir bleiben in Bewegung und mischen uns unter die Leute auf der Straße. Eric weicht nicht von meiner Seite, aber er kümmert sich jetzt um Esther. Moritz läßt seine Finger nicht von Vanessa, die cool bleibt und ihn auf Abstand hält, obwohl er ihr erzählt, daß er der Monsterblocker ist. Ich wachse in den Himmel, bin ungefähr drei Meter groß. Ich kann jetzt meinen Arm um Philipps Schulter legen, und obwohl ich nur die Narbe von der Pockenimpfung erwische, greife ich viel tiefer in ihn rein. Er will wissen, was abgeht, und natürlich grinse ich ihn an, erzähle ihm was von Esther: - Es gibt nicht nur eine Königin, mein Lieber. Sie laufen immer wieder rum, man muß sie nur entdecken. Ich weiß, du hältst mich für nen Freak, aber das ist völlig ungefährlich. Für dich, meine ich. Du kannst dich drauf verlassen, auf mich, und ich sage dir, ich habe keine Ahnung, was du am Laufen hast, aber Esther ist die Königin, na gut, eine Prinzessin. Sie ist eine Prinzessin und du bist der Prinz, kapiert? Also ich bin einfach klein Prinz, ich bin mehr der Minister oder so was, also absolut kein Prinz, weil der Prinz bist du. Esther, das Prinzesschen, die will natürlich den Prinzen und du bist der einzige, der hier ein Prinz ist, verlaß dich drauf. - Alter, was ist los mit dir? - Ich denke, daß ich dir jetzt Esther zeige. - Fick die Fotze selbst, man. Kein Interesse. Ich grinse immer noch und bleibe am Rot der Sparkasse hängen. Meine Bank heißt jetzt Sparkasse und die ist wirklich überall. Eric gibt mir die Wasserflasche, und er ist genauso schön wie Phillip, eigentlich noch schöner, so neben mir, und während ich ihn trotzdem nicht umarme, sehe ich Oktai mit Esther. Die beiden lachen und er mit seiner Hand in ihren Haaren. Vor zwei Jahren war er der Prinz. - Wie habe ich das gemacht? fragt Eric. Ich bin fünf Jahre alt und entdecke die Welt. Bevor ich mit dem Finger daraufzeigen kann, sieht Eric schon dasselbe. Wir geben uns Fünf und natürlich bleiben unsere Hände ineinanderhängen. Wir sind die Nachhut, und es ist mir egal, wenn sich einer umdreht. Tyree lotst seinen Zug in die Raumstation Mc Donald´s. Ich bleibe mit Eric vor dem Aquarium auf dem Bürgersteig sitzen. - Das ist echt eine putzige Posse, mit der du da rumziehst, Lars. -Putzig, schön, schön. Keine Ahnung, was du meinst. Ich meine, daß das hier ein Wunder ist und sie keine Ahnung davon haben, von gar nichts. - Es ist ein Wunder, daß du hier bist. - Das hättest du viel früher haben können. - Vergiß es. Du bist auf einem anderen Stern, für den bekomme ich kein Ticket. Er guckt zu den übereinandergeschichteten Leuchtreklamen hoch und sagt: - Yeah. KONICA! - TOGAL! - ALLIANZ. - Ich glaube es nicht. - Ich stelle mir das Licht in Las Vegas vor. - Das hält man nicht aus. - Glaub ich auch nicht. - Es wäre absolut schön. - Yeah. - Fahren wir hin. - Fahren wir hin. Esther setzt sich neben mich, und ich denke, daß sie in den Rinnstein kotzt, aber sie berührt mich nur mit ihrem Oberschenkel und es ist mir egal, weil ich mit Eric nach Las Vegas fahre. Sie erzählt, daß sie mit nem Briefchen Koks von Tyree auf dem Klo war, aber das noch nie gemacht hat. - Ich war so aufgeregt, Scheiße und hab alles vergessen, was Oktai mir gesagt hat, mit dem Röhrchen und so und da hab ich einfach meine Nase reingehalten, in dieses Tütchen und hab voll reingezogen. Zweimal oder so, und da war immer noch was in dem Tütchen und ich denk, ich hab alles falsch gemacht und gehe wieder raus und sage Oktai, daß ichs nicht geschafft habe und er guckt nach und lacht sich tot. Der lacht sich einfach tot, weil ich aus Versehen vier dicke Lines verdrückt hab, weil ich keine Ahnung hatte, man, und die sagen mir einfach nicht, ob ich jetzt sterbe, ob das gefährlich ist oder was. Scheiße, man, krepier ich jetzt? Sagst du mir das mal? Mir ist voll schlecht, vier Lines, oh man, was passiert denn jetzt mit mir? Hilf mir doch, du mußt mir doch helfen, Lars! - Hüttenkäse. Das ist voll Hüttenkäse. Eric meint, es ist Hüttenkäse und Esther fängt das Heulen an. Also nehme ich sie in den Arm und erkläre ihr, das Hüttenkäse voll in Ordnung ist und Oktai sowieso und daß sie was mit ihm rauchen soll, weil das immer hilft. Sie fragt: - Echt? und ich sage: Klar. Oktai macht das schon. Der will dich, also kümmert er sich eh um dich. - Eigentlich wollte ich ja dich. - Ja, schon, aber Oktai, ich meine, es ist viel besser mit Oktai, ich schwörs´s. - Ich geh also wieder rein, ja? - Sicher. Sie fragt noch, was das mit dem Hüttenkäse bedeuten soll, weil sie keine Ahnung hat, das jetzt ihr Gehirn aussieht, als ich endlich diese Araber bemerkte, die die Köpfe zusammenstecken, um ihre Verabredung zu treffen. Das ist nicht unser Terrain. Das gibt Ärger. Eric zeigt mir gerade einen Turm aus Spiegelglas, mit der leuchtenden Schrift darin, aber ich sage ihm, er soll sich verpissen. Philipp steht neben ihm und fummelt mit den Fingern an seinen Ohren rum, weil er nicht versteht, weil er sein Messer ziehen will, weil er eine Königin zu rächen hat. Tyree hält ihn zurück und erklärt den Arabern, daß es kein Problem gibt, weil alles cool ist. Der Araber-Boß ist nicht sicher, aber er verzieht sich mit Tyree, um das auszuchecken. Erhöhter Pulsschlag. Eine falsche Bewegung, ein Wort von Philipp und es bricht was los. Vanessa findet das nicht lustig und will von Moritz nach Hause gebracht werden, aber Esther fängt doch noch an zu kotzen und sie bekommt was zu tun. Wir haben unsichtbares Publikum. Jeder, der vorbeikommt, will stehenbleiben, aber sie verlangsamen nur ihre Bewegungen. Keiner will da reingezogen werden. Ich merke, daß ich auf der falschen Seite stehe, daß ich auf einmal mitten unter den Arabern stehe und ihnen Zigarette anbiete. Wir rauchen zusammen, und einer will wissen, was meine Hose gekostet hat, wo ich diese geile Reebok herhabe. Vielleicht müssen wir uns jetzt die Fressen einschlagen, weil sie meine Hose haben wollen, aber als ich sage: - Second-Hand, zwanzig Mark grinst er nur und hält mich für nen Freak. Ich weiß nicht, wie ich da rauskommen soll, also erkläre ich ihm, was für ein Schwachsinn das ist, wenn wir uns hier gegenseitig anmachen, weil ich einfach keinen Bock auf so eine Scheiße habe. Und er erzählt mir, daß sie nur nervös sind, weil sie wegen der Bullen ihren Stoff in irgendeinen Blumenkasten werfen mußten und vergessen haben, in welchen, daß sie ihren Stoff nicht finden können und außerdem so ein paar Glatzen in der Gegend rumlaufen, die sich in ihr Geschäft einmischen und daß wir mit dem ganzen Mist sowieso nichts zu tun haben, aber sicher ist eben sicher. Es ist offensichtlich, daß ich verdammt vertrauenswürdig bin, und selbst Philipp kapiert, was für ein guter Minister ich bin. Als Tyree zurückkommt, interessiert sich kein Mensch mehr für sein Verhandlungsergebnis, und ich rauche noch eine mit dem Araber-Boß, bevor klar ist, daß wir jetzt in die eine Richtung und die Araber in die andere Richtung abziehen. Philipp will zurück ins DOG-FOOD, und den anderen ist das egal, also gehen wir zurück, wo wir natürlich die Araber treffen, und Tyree muß seinen Puderzucker in Moritz Cola schütten, wenn er unseren Frieden nicht gefährden will. - Wird Zeit, daß wir uns ausklinken, Kleiner. Eric. Ich erinnere mich an ihn, weiß aber immer noch nicht, wie ich mich ausklinken soll. Ich frage ihn, ob er noch Woodys hat. Kelly singt: I believe I can fly, was ich nicht peinlich finde, also tanze ich mit Eric und er umarmt mich und alle können das sehen. Es sind zirka 25 Glatzen, die den Laden stürmen und die Türsteher einfach über den Haufen rennen. I believe I can fly. Ich sehe die Araber. Ich sehe meine Posse. Ich sehe Glatzen. Ich bin unsichtbar. Eric manövriert mich unter einen Tisch und legt sich über mich. Bässe und Augen. Ein anderer Sound. Scratchen mit Baseballschlägern. Der Beat der Schreie und der Beat der Scherben. Ein flüssiger Körper und immer wieder Augen. Erics Augen und Knochen. Neben mir die Faust auf einer Nase, die bricht. Lichtorgel. Kein Wasser, aber Spucke und Erics Zunge. Keine Narben. Araber und Glatzen. Tyree und Philipp. Shot. I believe I can fly und Esther kotzt. Erics Handüber meine Augen und sein Kopf auf meinem Kopf. Sirenen. Das Martinshorn und Mannschaftswagen. Neuer Beat, neues Spiel. Unter dem Tisch raus und ausweichen. Fliegende Arme. Die grünen Männer mit Knüppeln und Helmen. Die Lichtorgel spielt verrückt. Las Vegas wäre zuviel. Eric kennt den Hinterausgang. Meine Posse kennt keinen Hinterausgang. Der Bullenbeat. Alle tanzen mit. Ich bin drei Meter groß und zeige meiner Posse die Hintertür. Wir gehören nicht dazu. Wir erwischen den Bus nach draußen, die Achterbahn. Eric hat das voll im Griff. Wir sind zwei ganz normale Fucker, die am Samstagabend durch die Stadt laufen. Zwei Touristen, die sich mit ihren Wasserflaschen an jeder Sehenswürdigkeit erfreuen. Alles, was sich an Krankenwagen und Ordnugskräften zusammenzieht, mißachtet uns. Wir kommen über die Grenze, und niemand ist verletzt. Ineiner Seitenstraße haben sie für uns zwei Kinosessel vor ein Haus gestellt, mit Ausblick auf ein Lampengeschäft. Eric zündet die Kippen an und wir können endlich in Ruhe rauchen und uns die Lampen angucken. - Ist mit dir alles in Ordnung, Lars? - Alles bestens. - Sicher? - Ja. - Siehst du die blaue Lampe da? - Blau, absolut blau. - Hast du schon mal Sex mit Woody gehabt? - Nein. Und mit dir habe überhaupt noch keinen Sex gehabt, weil ich einfach nicht weiß, wie ich das anstellen soll. Also ich hab keine Ahnung, wie ich dich überhaupt ansprechen soll, weil ich immer nur in dieser Bar sitze und dich anstarre und dir dann Trinkgeld gebe und dabei fast im Boden versinke, weil ich dir wahrscheinlich scheißegal bin, weil da tausend andere sind, die du haben kannst, und das hat nichts mit mir zu tun. Also was soll der Scheiß, nein, ich hatte noch keinen Sex mit Woody, was völlig absurd ist, weil klar ist, wie geil das wäre und wenn ich jetzt mit dir ficken würde, fahren wir bestimmt nie nach Las Vegas, was wir sowieso nie machen, aber so erst recht nicht. Ich habe überhaupt keinen Bock mich zu entscheiden, weil ich hier einfach sitze und mir diese Lampen angucke. - Ich frag mich immer, warum dieser Typ so bescheuert ist und es nicht mal schafft seine Fresse zu einem Lächeln zu verziehen, wenn er mir das Trinkgeld gibt, weil ganz klar ist, daß er anders als die tausend Fucker ist, und ich scheiß drauf, wenn er sich trotzdem so dämlich anstellt. Wenn er mich ficken will, braucht er keinen Woody dafür, weil das eine ganz andere Geschichte ist, auf einem anderen Planeten, und du bekommst jedes Ticket, das du willst. - Ich frage mich, wie Siegfried und Roy das machen. Ficken die sich selbst oder ihre Silbertiger? - Die binden sich ihre Schwänze mit Schnürsenkeln ab, damit sie überhaupt einen hochkriegen, und dann sind sie so erschöpft vom Abbinden, daß sie sich nicht mehr erinnern können, was sie jetzt damit anfangen sollen. - Glaubst du wirklich? - Ich bin mir sicher. - Wow. - Das ist nichts im Vergleich zu den Flußaalen. Das kann zwölf Jahre dauern, bis die geschlechtsreif sind, und dann schwimmen sie fünftausend Kilometer in die Saragossasee, und erst dann kriegen sie wirklich ihre Geschlechtsteile, und dann laichen sie und sterben. Und die Larven wandern dann wieder drei Jahre lang bis nach Europa oder Nordafrika, und dann sind sie irgendwann Aale und werden geschlechtsreif und schwimmen wieder zurück und laichen und sterben. Alle Aale werden in der Saragossasee geboren und sterben da, und kein Mensch weiß, warum.
Wahnsinn. - Vielleicht. - Ich meine, das ist Wahnsinn, daß man was tut, weil man das tun muß und es nichts gibt, was einen daran hindert. - Bei den Aalen ist das so. - Wahnsinn. - Hüttenkäse. - Die ficken nur ein einziges Mal in ihrem Leben. - Wieviel Kilometer sind es bis nach Las Vegas? - Ich glaube nicht, daß man da hinschwimmen kann. - In einem Haifischkäfig vielleicht. - Nevada. Da ist überall Wüste. - Die Wüste ist nicht das Problem. Die Haie sind das Problem. - Haie fressen keine Aale. - Haie fressen Hüttenkäse. Wenn mich keiner abholt, werde ich für den Rest meines Lebens auf diesem Kinosessel sitzen und mir das Schaufenster ansehen. Eric fängt an zu lachen, und als unsere Zungen aneinandergeraten, geht das durch den Körper. Es ist gut, weil er nicht sabbert und überhaupt ist dieser Kuß groß, weil Eric jetzt auf mir sitzt und meine Hände unter seinem T-Shirt durch die Haut fahren und seine Hände jeden meiner Wirbel mit Strom versorgen, der durch die Blutbahn jagt. Wir brechen auf. Ich muß die Posse finden, um zu checken, ob noch andere leben. Wir treffen Oktai, Esther und Vanessa vor unserem Laden. Oktais rechte Hand ist geschwollen und Vanessas Fingernägel sind abgebrochen. Eric holt Kaffee und Oktai sagt: - He, Alter, wo bist du gewesen. - Ich hab den Überblick verloren. Was ist mit deiner Hand? - Die ist an einem Helm hängengeblieben. Ich hab dich nirgendwo gesehen. Und Esther sagt: - Er lag unter einem Tisch, aber er hat uns den Ausgang gezeigt. Sie versucht, mich anzupissen. Oktay ist das egal. Er ist froh, mich zu sehen und ich bekomme wieder Luft. Vanessa fragt, ob ich Geld für ein Taxi habe, aber ich will wissen, was mit Moritz, Philipp und Tyree los ist. - Wir können nur warten. Vanessa sieht mich an und ich habe kein gutes Gefühl dabei, weil dieser Blick nichts anderes bedeutet, als: warum. Warum machst du bei dieser Scheiße mit, warum bin ich hier, was bist du für ein Typ mit nem Knutschfleck am Hals nach so einer Schlägerei. Ich setze mich neben sie und sie erzählt mir was von Detroit und House, wovon ich höchstens ein Drittel verstehe, aber es bruhigt mich. Eric reicht mir den Kaffee von hinten und flüstert mir ins Ohr. Er will hier weg, weil wir auf einem anderen Trip sind. Er versteht nichts, weil ichs selbst nicht verstehe, aber ich kann hier nicht weg, weil das vielleicht was mit Überleben zu tun hat. Zumindest bilde ich mir das ein. Ich erwarte ein Lachen und seinen Abgang, aber er schmatzt mir ins Ohr und bleibt. Oktai fragt: - Bist du schwul, oder was? und Eric sagt: - Möglich. Warum nicht. und Esther sagt: - Von wegen: möglich. Vor zwei jahren hätte Oktai es vielleicht geglaubt. Jetzt hält er's für nen schlechten Witz. Vanessa ist mit ihren Nägeln beschäftigt. Ich drehe Oktai einen Joint, weil er seine Hand kaum noch bewegen kann. Eric halbiert einen Woodpecker. Die Überdosis, aber was solls. Endlich tauchen die Drei auf und lassen sich feiern. Tyrees linke Augenbraue ist geplatzt, und irgendetwas stimmt nicht mit Moritz Knie, aber sie finden, daß die Sache verdammt gut gelaufen ist, weil sie so cool drauf waren und wir alle rausgekommen sind. Philipp erzählt, wie er der einen Glatze mit dem Messer durchs Gesicht gefahren ist, und ich sehe die Narben vor mir, frage, ob er was abgekriegt hat. Er zieht sein Lakers-Trikot hoch und zeigt uns einen kleinen Schnitt unter seiner Brustwarze, über dem Herz und macht uns seine moves vor, die wir vom Streetball kennen: - Ich bin zu gut, man. Zu schnell. Alles klar? Alles klar. Oktai holt ein paar Sixpacks von der Tankstelle. Moritz versucht Vanessa zu beruhigen, die sich den Abend anders vorgestellt hat. Wir machen uns auf den Weg zum park, um den Sonnenaufgang abzuwarten. Wir sitzen und liegen in dem Krater bei den alten U-Bahn-Ausgängen. Die Jungs sind immer noch mit ihren Geschichten beschäftigt und schaukeln sich hoch. Ich frage mich, was Vanessa und Esther sich von ihnen erwarten, was ich von ihnen will. Philipp sieht die beiden Typen als erster. Sie müssen sich verirrt haben. Und sie sind zu besoffen, um uns rechtzeitig zu bemerken. Oktai lädt die zwei auf ein Bier ein. Sie erzählen was von einer geilen Schlägerei im DOG-FOOD, bei der sie mitgemischt haben wollen. Tyree, Moritz und Philipp geben sich Zeichen, die ich nicht verstehe. Moritz verpißt sich in Richtung Tankstelle. Alle klicken mit ihren Flaschen zusammen und ich warte darauf, daß sich der Himmel vor mir verfärbt. Philipp sitzt neben einem der Typen und spielt mit seinem Messer rum. Sie wollen wissen, was für ne ausgeflippte Posse wir sind, mit Negern und Türken und so. Tyree grinst nur und fragt, ob sie vielleicht nen bißchen Koks wollen. Er macht ihnen ein paar Lines zurecht. Moritz kommt zurück und hat einen Kanister dabei,k den er neben sich und Vanessa stellt. Die zwei Typen hängen über dem Koks und ziehen sich die Lines rein, als Tyree und Philipp aufspringen und jeweils einem der beiden die Arme nach hinten verdrehen. Sie haben keine Zeit zu schreien, weil Oktai ihnen mit der gesunden Faust aufs Maul gibt. Moritz verschnürt ihre Hände auf dem Rücken und stopft ihnen die Pappe vom Sixpack in die Fressen. Dann kümmert er sich um ihre Füße. Tyree und Philipp halten sie noch immer fest. Sie geben sich Fünf und Esther sagt: - Hört auf. Tyree drückt einem den Kopf zurück und Philipp schlitzt mit dem Messer sein T-Shirt in der Mitte durch. Moritz reißt den Stoff in Streifen. Oktai bringt den Kanister und öffnet den Verschluß. Moritz hält die einzelnen Stoffetzen, und Oktai tränkt sie mit Benzin. Philipp und Tyree wickeln die Benzinlappen um den Kopf von dem Typ ohne T-Shirt. Einen nach dem anderen, bis der ganze Kopf umwickelt ist. Vanessa schreit: - Moritz! Niemand kümmert sich um sie. Tyree zerrt den Benzinkopf hoch, stellt ihn auf seine Füße. Der pißt sich in die Hose. Alle stehen vor ihm,nur Eric und ich und der andere Typ, dem die Tänen durchs Gesicht laufen, wir sitzen noch. Esther fragt: - Das wars jetzt, oder? oktai legt seinen Arm um ihre Schulter. Die blaue Stunde. Alles blau. Oktai übergießt den Rest Stoff mit Benzin. Philipp geht mit Tyree ein paar Meter zurück, Freiwurflinie, und hält die Flasche hoch. Tyree nimmt das Feuerzeug und dreht mit seinem Daumen das Rädchen gegen den Zündstein. Tyree entflammt den heraushängenden Lappen. Philipp holt aus und fragt: - Treff ich,oder treff ich nicht? Ich schließe mein Augen. Esther, die "Nein!" ruft. Ich höre den Aufprall des Cocktails, Oktai, der "Scheiße!" brüllt. Sich schnell entfernende Schritte. Ich öffne die Augen und sehe einen roten Feuerball im blauen Himmel. Vanessa bringt ihre Jacke über seinen Kopf, wirft ihn zu Boden. Philipp, Oktai, Tyree und Moritz verschwindet hinter der Kuppe des Kraters. Esther bei Vanessa. Vanessa versucht den Stoff aus seinem Gesicht, von seinem Kopf zu entfernen. An der Stelle klebt er im Fleisch fest. Ich krieche zu dem anderen und binde ihn los. Esther muß sich wieder übergeben. Vanessa sagt ihm, daß es nicht so schlimm ist. Daß er Glück gehabt hat. Vanessa und Esther helfen den beiden hoch und bringen sie aus dem Park raus. Eric liegt auf einer Bank und starrt in Richtung Sonnenaufgang. Das Ende der blauen Stunde. Ich setze mich zu ihm, ohne ihn zu berühren.

Im Blut der Flußaale ist ziemlich starkes Nervengift. Deswegen werden sie geräuchert und gekocht. Damit das Nervengift zerstört wird. Hast du das gewußt, Lars? Ich habe es nicht gewußt. Ich sage ihm, daß ich nach Hause gehe. Von der Brücke aus kann ich den Streetballplatz sehen. Moritz und Philipp. Tyree, der einen Dunk versucht. Oktai. Vor zwei Jahren hat er um diese Zeit noch geschlafen.