Preisermittlung und Siegerehrung

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Drei Tage lang war gelesen und diskutiert worden. Die Juroren hatten dabei die Stärken und Schwächen der 16 Texte gesucht und gefunden - sie hatten für Kindheits-, Dreiecks-, Anlagen- Medienwelten-, Universitäts-, Heimat- und Herzgeschichten Lob und Tadel verteilt. Und auch über die Frage diskutiert, was denn das Zeitgenössische in der Literatur sein solle und könne. Sonntag am späten Vormittag wurden dann die Preisträger ermittelt.

Groteske Räume und ein heruntergekommenes Hallenbad
Der Ingeborg-Bachmann-Preis ging gleich im ersten Wahlgang an Georg Klein. Seine mit unverwechselbarer Stimme erzählte romantische Negativgeschichte voll brennendem Interesse an der Gegenwart, das Darstellen jeder menschlichen Existenz als das Durchqueren grotesker Räume und spielerische Anordnung von Zufällen und Unfällen, die unheimliche Odyssee durch die letzte Kontore der Menschheit, habe überzeugt - so vier der sieben Juroren. Georg Klein hatte einen Auszug seines Romans über einen Mann, den ein Alptraum artiger Auftrag in ein heruntergekommenes Hallenbad führt, und der schließlich einen Blick auf den Mond erheischt, gelesen.

Pilze rufen und Glückskäfer winken
Für eine hoffnungslose Telefonliebesgeschichte, in der für zehn Minuten die Zeit stillsteht, in der Pilze rufen, und die Glückskäfer winken, für ihre tollkühne Andeutung der Hoffnung, dass Literatur in unserer äußerst banalen Welt noch Identität und Gemeinsamkeit geben kann, erhielt Susanne Riedel den Preis der Jury. Susanne Riedel war mit einer Geschichte über die Medienwelt, in der eine Fernseh- Quizsendung und ein Pilze sammelnden Dichter als Kandidat die Hauptrollen spielen, angetreten.

Hitlergruß und neuer Schwejk
Den von 28 Verlagen gestifteten Ernst-Willner-Preis erhielt nach einer Stichwahl Andreas Maier für seinen beherzten Helden, der - an Herzinsuffizienz leidend - in einer Bäckerei mit dem Hitlergruß grüßt. Ein Text gegen die Verdrängung der Geschichte, ein Text , der einen neuen Schwejk beschreibe, der die Unerträglichkeiten der deutschen Geschichte anklage ,so die Juroren.

Sex, Liebe und Verrat
Der 3sat - Preis 2000 ging danach an Julia Franck. Die Jury beurteilte ihre Dreiecksgeschichte "Mir nichts, dir nichts" als einen Text, der in schöner Ambivalenz von Liebe und Hass erzähle. "Das Triangel von Sex, Liebe und Verrat führt Zeitgeschichte auf neue Art vor, und zeigt, dass selbst die coolen Zeitgenossinnen tief im Herzen doch romantisch sind, und wozu wir in der Liebe fähig sind", so die Begründung der Autoren.

Viel Wasser, Federn und Kaninchen
Die 2 Stipendien, von der Plattform kulturintessierter Kärntner und Kärntnerinnen gestiftet, erhielten David Wagner und Malin Schwertfeger. Wagner hatte eine mit viel Wasser garnierte Suche nach den Gründen eines Selbstmordes vorgelegt, und Malin Schwertfeger von einer polnischen Kindheit voller Federn und Kaninchen erzählt.

Lebendige Totgeburt
In seiner Schlussrede bat dann Jurysprecher Robert Schindel all jene Autoren, die leer ausgegangen waren, nicht zu verzagen, ihr Abschneiden sollten sie nicht als Werturteil nehmen und weiter schreiben. Zum Bewerb selber betonte er - in Anspielung auf Jörg Haiders Begründung zum Rückzug des Landes aus dem Bewerb - " diese Totgeburt hat sich als lebendig herausgestellt, diese Sterilität hat sehr viele Viren in sich", und zollte auch dem Publikum seinen Respekt, nicht nur für das intensive Interesse, sondern auch, weil das "Hierherkommen und Zuhören in diesem Jahr mehr gewesen ist, als nur das Interesse an Literatur zu zeigen". Das Herkommen sei gleichzeitig eine Art Manifestation gewesen, dass es jenseits des Kulturkahlschlages und Einstellen von Subventionen ein kritisches und kulturinteressiertes Publikum im Land gibt, schloss Schindel.


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© 02.07.2000