Birgit Kempker
geb. 1956 in Wuppertal, D
lebt in Basel, CH

Studium der Kunst und Literatur. Dozentin für Wort und Bild. Hörspiele, Installationen, Essays, Theaterstücke, Texte zur Kunst.

Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt:

  • Liebe Kunst. Reihe Essay 32. Droschl, 1997.

  • Ich will ein Buch mit dir. (Kein Fleisch. Stücke). Prosa plus Hörstück. Studio Togo, Urs Engeler, 1997.

  • Ich ist ein Zoo. Anleitung fürs Blut. Compact Disc und Booklet. Radio DRS2. Urs Engeler, 1997.

  • Als ich das erste Mal mit einem Jungen im Bett lag. Droschl, 1998.

  • Das Wiepersdorfer Gefühl. Theaterstück. Theater Basel 1997 (Mai 2000 Winterthur).

  • Bertie Brab. Ein Stück für jedes Alter. UA Kinder- und Jugendtheater Braunschweig, 1999.

  • Übung im Ertrinken. Iwan steht auf. Prosa plus zwei Hörstücke. Studio Togo und Radio DRS2. Urs Engeler, 1999.

  • Übung im Ertrinken. Akustische Installation mit Studio Togo, Berlin (Katalog: "Where is your rupture", New York, Swiss Institute 1998).

  • Die Wurzel des freien Radicalen ist Herz. Hörstück DRS 2. ArtOrt-Live, Museum für Gegenwartskunst, Basel, 2000.

  • Schrei nicht fliege. Hörstück. Theater am Neumarkt, 2000.

  • Arbeiten im Internet: http://www.xcult.ch

Foto: Gezelt


Die in Basel lebende Birgit Kempker ließ in "Was hab ich in Meppen zu suchen" eine Ich-Erzählerin, die auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung ist, mit ihrer Jugend, aber auch der Gegenwart, abrechnen und sich auf die Suche nach dem eigenen Ich machen.

Textmaschine mit Angstschrei
Ulrike Längle merkte an, dass ihr der Text gut gefallen habe, sie sei aber mit einer gewissen Ratlosigkeit zurückgeblieben. Es sei eine Art Textmaschine, in der sich eine Geschichte, ein Kriminalfall, durchzieh. Am Schluss bekomme diese etwas forciert lustige Textmaschine etwas Ernstes, da höre man einen Angstschrei. Es sei eine große Verrätselung, es werde nicht linear erzählt, man stehe am Anfang wie vor einer Wand und fühlt sich herausgefordert, Weg und roten Faden zu suchen. Sie sehe das Aufbrechen von Üblichem und war fasziniert beim Zuhören.

Poetischer Rap als Retourkutsche
Denis Scheck hatte den Vortrag letztendlich genossen, er habe diesen poetischen Rap als Retourkutsche, als Autogenese einer Autorin gelesen, das habe ihn beeindruckt. Der Text habe aber auch in sich so eine Einwandmaschinerie, dass er alle Einwände gegen sich vorwegnehme. Schlussendlich habe er den roten Faden des Bildprogrammes nicht gefunden, ihm erschien der Text überinstrumentalisiert, es stecke so wahnsinnig viel drin, da scheine ihm der Text nicht fertig, so Scheck. Er sei wie die Carollsche Katze am Schluss bleibe ein Grinsen übrig.

Text weiß zu sehr was er will
Elisabeth Bronfen teilte die Freude beim Hören, beim Lesen fielen ihr aber die Doppelungen auf, es gehe wohl um eine Genese der Worte. Ihr Interesse wäre aber nicht aufrecht erhalten worden, vielleicht sei das ein zu selbstbewusster Text , der zu sehr sage und wisse was er wolle, vermutete Bronfen, die Figur gleite zur sehr unter die prätiose Inszenierung der Sprache und so habe der Text ihr Interesse nicht lang genug wach halten können.

Passagen wie Marienlitaneien
Das sei einer der Texte, deretwegen wir die Texte vorher zum Lesen bekommen, so Hardy Ruoss. Das sei ein Text, der täusche. Er habe zwei Gründe, warum ihm der Text gefalle: das hier sei Literatur der Gegenwart, für ihn Parabel, aber auch eine Selbstreflexion. Manche Passagen erinnerten ihn an Marienlitaneien. Ruoss würde den Text nicht nur an der dominanten Oberfläche sehen, der innere Verlauf des Ich sei das Wichtige, für ihn wäre der Text der Besuch der alten Dame auf neue Weise. Er wehre sich aber gegen die Vereinnahmung durch den Gerichtsfall und wies darauf hin, dass man den Text auch als Geschichte eines Ich lesen könne, das an großem Herzeleid laboriere.

Plädoyer gegen kleinliche Phantasieräuber
Robert Schindel sprach an, dass er ein großes Problem mit den außerliterarischen Ereignissen, die um den Text kreisen. hätte. (Birgit Kempker war von einem ehemaligen Partner geklagt worden, weil dieser sich durch einen ihrer Texte verunglimpft sah). Man weiß um den Fall und so werde er in diesem Text auf eine bestimme Weise vereinnahmt, er höre viel Gekränktheit, viel Denunziation, er sehe so nur eine Seite, einen automatischen Text mit sehr viel autobiografischen Elementen, die offen gekennzeichnet seien. Er sei deshalb in einer Pattsituation, denn er persönlich halte Persönlichkeitsrede von Privatpersonen für ein Menschenrecht und glaube, dass man Namen nicht in Text verwenden dürfe. Als Text sehe er hier ein Plädoyer gegen kleinliche Leute, die einem die Phantasie wegnehmen wollen, ein bestechendes Plädoyer, aber weil sich beide übereinanderlege, habe er damit Probleme, so Schindel.

Auch Burkhard Spinnen hatte Schwierigkeiten, den Text ohne den realen Subtext zu lesen, ansonsten sei es eine große, pathologische Verteidigungsrede der Phantasie, aber er "stehe doof da und könne nicht darüber hinaus".

Hilflos vor dem Text
Iris Radisch hatte sich gar nicht zu Wort melden wollen. sie habe den Text nicht verstanden, wolle das aber nicht raustrompeten, sie sehe, dass hier mit Deckworten gearbeitet werde, und ahne, dass eine tiefe Geschichte verpackt sei. Aber letztlich bleibe ihr alles völlig dunkel. Sie verstehe auch den Reimdrang nicht und stehe hilflos vor dem Text, so Radischs Outing. (Hibler)


© 17.11.2009