Katrin Askan

Katrin Askan schilderte in der ersten Lesung Samstagfrüh ein Paar, bei dem im Urlaub in Fuerteventura die im Alltag überdeckten Differenzen aufbrechen. Die Unterschiede zeigen sich auch wegen der unterschiedlichen Vergangenheit in Ost und West.

Thomas Widmer las den Beginn eines blockierenden Schlosses als Blockade eines Paares. Wie hier die Beziehungsgeschichte eines geschildert werde, fand er gut gelungen. Störend fand er allerdings, dass nur aus der Perspektive der Frau geschildert werde. Es sei zu plakativ, der Mann als Rülpser, als infantiles Kind als den Frauen-die-Hand-aufs-Knie-Leger, Schnellfahrer, Egofixierter - das seien alles Klischees. Auch die Natur wird kompromisslos in den Dienst dieser Perspektive gestellt.

Birgit Vanderbeke fand, die Geschichte eines Unglücks von Max Frisch werde umgedreht. Hier werde das Unglück weggelassen, es sei eine Skizze schlechter Laune. Alle Paare seien im Urlaub schlecht gelaunt. Ein erzählerisches Talent werde verschenkt. Es sei ein Schnappschuss dessen, was konventionellerweise empirisch häufig zwischen Männern und Frauen im Urlaub vorkommt.

Die "well made" Story, lasse er sich so früh am Morgen gerne erzählen, meinte Denis Scheck. Ihm gefiel die Psychologisierung der Figuren gut, auch die Vermenschlichung der Natur fand er angemessen. Aber durch die Suche nach der Doppelbödigkeit liefen die Figuren Gefahr, zu "Wessi-Ossi-Typen" zu werden. Als Mann habe er das Gefühl, die Zeichnung der Figuren sei ein bisschen ungerecht, aber das könne auch eine Qualität der Geschichte sein.

Hinter vordergründigen Geschichte eines schlecht gelaunten Paares stehe natürlich doch eine West Ostgeschichte, glaubt Robert Schindel. Natürlich könne man die Einzelheiten als Klischees sehen, doch es seien da schon schöne Sachen eingestreut, mit guten Beispielen von Gegenläufigkeiten, die versuchen schon Umwelt und Leben spürbar zu machen. Unter der glatten Erzählschicht sehe er da Minen eingestreut, die er schön fände.

Großen Eindruck auf Konstanze Fliedl hatte es vor allem die traumwandlerische sichere Form des Erzählens gemacht, es gebe da einen wunderbaren Bau und Struktur der Geschichte, aber in der Mitte gäbe es eine Stelle des Antiklimax, die aber doch in Wahrheit leer bleibe. Diese Zurückhaltung, das habe großen Eindruck auf sie gemacht. West und Ost seinen zwar plakativ gezeichnet, aber es gebe da auch eine Gegenläufigkeit. Durch den Aufbau und die schöne Struktur bleibe am Ende die Balance zwischen den Figuren gewahrt. Ein äußerst gut gelungener Text, so Schindel.

Ihr erster Eindruck sei gewesen, eine Geschichte, die sie schon oft gelesen habe, begann Elisabeth Bronfen. Dann habe sie aber dieses Moment der Gefahr das so extrem gut beschrieben gefunden, wo aber dann doch keine Psychologisierung stattfand. Für sie habe durch die Umkehr des Verhaltensweisen die Geschichte eine ungeheure Schlüssigkeit bekommen. Sie fand die Frau eher egozentrisch und ichbezogen als den Mann, unangenehm seine aber beide Figuren.

Auch Spinnen lobt nachdrücklich die erzählerische Mitte des Textes. Den Schluss, der doppelt negativ sei, er als eine Art Reinigung, als Katharsis, ein Neugeborenwerden. Das sei spannend, da könne man lange nachdenken. Das da ist eine psychologische Novelle und er wisse nicht, ob es dieses Genre gäbe. Nebeneinander laufen da eine Novelle mit Ost West Allegoreen und auf der anderen Seite sei das ein eine kleine inkompatible Erlebnis. Das werde da ineinandergewoben. Er höre aber immer den Übergang und dann könne er wieder lange nachdenken, stehen die nun im Konflikt oder werden sich die Unterschiede gerecht.

Das habe sie noch nie gehört, das die Novelle die Psychologisierung der Figuren ausschließe, antworte Konstanze Fliedl. Darüber müsse sie lange nachdenken. Ohne Psychologisierung wären die Figuren ja platte Spielmarken im Auto. Der psychologische Sog werde nicht von ihrer, sondern von seiner Seite aus geschildert. An der Stelle, wo Spinnen das kleine Ereignis sehe, da werde doch ein großes Ereignis geschildert. Die psychologische Platzierung und dann der Verzicht auf große Schilderung stehen im wunderbaren Gleichgewicht, erklärte Fliedl.

Das wäre nicht subtil, so danach Robert Schindel. Natürlich werde das nicht über subtile Sätze gemacht. Die werfen sich die landläufigen Gegensätze ins Gesicht. Man könne in der Erzählung nicht weglügen, dass es großkotzige Wessis gebe. Insgesamt vertrage die Geschichte die formal ökonomisch sparsame Novelle und diese Figuren die in ihrer Begegnung über das Schachbrett hinausgehen würden. Thomas Widmer fand sich zu straff geführt, das machte ihm Problemen.

Das "da merkt man doch gleich, dass Du aus dem Osten kommst", das sei schon ein überflüssiges Moment, da habe sie gefürchtet da werde übergemalt und das habe sie verärgert, erklärte dann noch Birgit Vanderbeke.

Alle Fotos: ORF Kärnten


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