Ute-Christine Krupp

Nach der Mittagspause, die wie die Juroren 1989 bemängelten nur des Fernsehens wegen auf zwei Stunden reduziert wurde, ging es um 15.00 Uhr mit den Lesungen weiter.

Ute Christine Krupp las "Köln -Tokio - ein Text für Klagenfurt", in dem e-Mail, Postkarten und das Telefon das persönliche Treffen ersetzen.So ist es für Carolin und Miriam fast ohne Belang, dass die eine in Köln und die andere in Tokio lebt. Aber auch die sich gerade entwickelnde Beziehung Carolins zu einem Mann läuft großteils über das Telefon ab, obwohl auch er in Köln lebt.

Erst zögerlich begannen die Juroren ihre Diskussion. Burkhard meinte nach der deutlichen Atempause dann, ihm gefiele die kaltherzige Manier mit der sich der Text von allem entkleidet, was er nicht brauche. Etwas ist perfekt, wenn man nichts mehr dazu geben kann, habe schon Saint-Exupery gesagt. Das gelte aber auch, wenn man nichts mehr wegnehmen kann. Das mache den Text so in sich geschlossen. Aus seiner strengen Ästhetik versuche der Text aber am Schluss doch noch einen Fluchtversucht. Ihm scheine der Text über die Struktur hinaus ein bedeutsame Aussage zu machen, ohne zu psychologisieren und wie das gemacht werde das imponiere ihm.

Elisabeth Bronfen - sie hat Ute Christina Krupp eingeladen, bestätigte, auch für sie existiere der Bruch, wenn es um die Frage geht, wann schaltet sich die Fantasie ein. Das werde mit klinisch kaltem Blick versucht. Die Verknüpfen von Nähe und Distanz sei faszinierend. Je wissenschaftlicher und kälter der Blick werde, desto mehr öffne sich die Fantasie.

Ein spröder Text, meinte Thomas Widmer. Er habe sich gefragt, wo er selbst im Text sein könnte. Insgesamt habe er sich aber unendlich gelangweilt, sowohl beim ersten Lesen als auch hier beim Zuhören. Es sei ein Horrorszenario der Parataxe. Der Text schaffe es, nirgendwo Spitzen zu haben, alles ist so gleichförmig, so Widmer weiter. Es gibt keine Tiefe, das könnte vielleicht gewollt sein, aber für ihn funktioniere Literatur aber nicht ohne Leidenschaft.

Robert Schindel dache erst an eine filmische Erzählung, in der erzählt werde, was man sieht. In der Angst vor der Berührung spielt auch der Gedanke an Telefonsex hinein. Das ist ein Text, akribisch wie eine Versuchsanordnung, aber in diesen Text gehöre etwas hinein, so Schindel weiter. Wenn der Text nicht auf einer zweite Ebene Gefühle bekommt, bleibt er ein Beispiel für eine Literatur, die sich der Sinnlichkeit vollkommen enthält. "Wenn das eine Versuchsanordnung ist, dann bin ich nicht gerne das Meerschweinchen", warf hier Thomas Widmer ein.

Und dann war auch Denis Scheck zum zweiten oder dritten mal gelangweilt. Hier wurde etwas weggenommen, was man nicht wegnehmen darf, es war vielleicht auch nie da, mutmaßte Scheck nämlich die Fähigkeit, Dialoge zu schreiben. Alle sprechen monoton im anämischen Sound. Er wäre zuerst recht geneigt gewesen, den Text positiv zu beurteilen, aber weil im Text auch sprachlich nichts sei, komme seine Langeweile. Der Text sei auch handwerklich schlecht. Von der Konzeption her hätte es interessant werden können, aber wie es ausgeführt wurde, sei es tot.

Sie wäre geneigt gewesen, den Text als Geschichte über Einsamkeit und das Handy anzusehen, meinte dann Birgit Vanderbeke, aber die Erzählweise habe sie ermüdet und diese Dialoge sind furchtbar, so spricht keiner und so soll auch in der Literatur keiner sprechen, von der Fantasie her hätte es aufregender passieren müssen, aber da tue sich nichts , das se in sich nicht stimmig

Kurz auch Konstanze Fliedl in ihrem Urteil. Beim Minimalismus des Textes falle ihr schwer, die reale ebene mit der Allegorischen zu verknüpfen.

Elisabeth Bronfen widersprach. Gerade, weil es um Entleerung der Welt, der Sprache und der Fantasie geht, sei der Text interessant Es gehe darum, dass gerade die Fantasiewelten in sich schon alle verwoben und austauschbar sind, Teil einer auf Festpatte gelegten Fantasiewelt oder - Fantasiekultur.

Burkhard Spinnen erinnerte noch daran, dass man einen Text nicht darauf verpflichten kann, realistisch zu sein. Da fänden sich Dialoge, die ihn daran erinnern, wie er mit einem Sammlerfreund telefoniere und seine Frau kommt ins Zimmer und er beginne nicht gestellte Fragen zu wiederholen. Wenn man sich aber langweilt, dann stelle sich die Frage, wie man die Austreibung der Leidenschaft nicht leidenschaftlich darstellen könne. Im Schluss des Textes sah er aber Suizid der Figur an ihrer Fantasie.

Hier stelle sich ein poetisch literarisches Problem - das der Entleerung der Fantasie, meinte danach Robert Schindel weiter. Es lasse sich nicht die Langeweile durch die Langeweile ausdrücken. Es sei immer noch das Verfahren ein Indirektes. Es kann nicht sein, dass wir zu einer Literatur kommen, die strukturell richtig ist, aber unendlich langweilig. Da kann im Leser kein Leidenschaft für die Literatur erwecken.

Das einzige, was im Text lebt, sind die Bakterien und die Bazillen, wie Schindel sagt. Der Text spricht mit niemanden und will auch mit niemandem sprechen. Der ungestillte Hunger ist nur behauptet, sagte Birgit Vanderbeke.

In der Diskussion wurde deutlich, hier wurde ein Risiko eingegangen, es ist misslungen, urteilte dann Denis Scheck. Das Kernproblem für ihn sei auch, dass sich der Text unendlich oft abzusichern suchen, unter anderem heißt es "ein Text für Klagenfurt". Mehrdeutigkeit ist kein Absicherungsstrategie, warf Burkard Spinnen ein, man muss nicht alles sagen, was man sagen könnte. Das, worum es geht, wird aber hier nicht gesagt. Der Text sagt vielmehr dem Leser "Ich verschweige mein eigentliches Thema, nun geht ihr mal schön Ostereiersuchen". Unterm Strich ist es auch einfach zu lang.

Alle Fotos: ORF Kärnten


PRESSESPIEGEL


Suche in der gesamten Bachmannpreis-Site
ORF ON Kärnten  
powered by FreeFind


Kontakt:
ORF Kärnten Ingeborg-Bachmann-Preis
Sponheimer Straße 13,  A- 9020 Klagenfurt
Tel: 0463-5330-29528 (Binia Salbrechter)
e-mail: bachmann.preis@orf.at

Webmaster:
ORF ON Redaktion Kärnten
Sponheimer Straße 13,  A- 9020 Klagenfurt
Tel: 0463-5330-29191, 29192
e-mail: kaernten.online@orf.at


© 29.06.2001
ORF ON Kärnten Aktuell Jet2Web - Telekom Net4You - VIA Networks